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Stärkt die Umweltlobby

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Österreichs Umweltpolitik auf dem Prüfstand: Was bedeuten die EG-Standards bei Luftreinhaltung und Gewässerschutz für unser Land - falls es den EG-Beitritt schafft?

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Österreichs Umweltpolitik auf dem Prüfstand: Was bedeuten die EG-Standards bei Luftreinhaltung und Gewässerschutz für unser Land - falls es den EG-Beitritt schafft?

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Welche Folgen hat ein EG-Bei-. tritt für die österreichische Umweltpolitik? Was kostet die An-gleichung an den EG-Standard in jenen Bereichen, in denen Osterreich der EG nachhinkt - wie zum Beispiel beim Gewässerschutz?

Einige Fragen von vielen, die im Rahmen des zweitägigen Symposions „EG und Umweltschutz“ vergangene Woche in Laxenburg von in- und ausländischen Experten diskutiert wurden. Eine längst fällige Diskussion - nach Meinung der Veranstalter (Akademie für Umwelt und Energie, Forum österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz imd World Wildlife Fund), die vor der wirtschaftlichen Abwägung eines EG-Beitritts rangieren müßte. „Denn“, so der Geschäftsführer des WWF Osterreich, Winfried Walter, „über einer Wirtschaftsgemeinschaft, die natürliche Ressourcen überstrapaziert, kreist langfristig der Pleitegeier.“

Die Ausgangspositionen sind klar abgesteckt: Die Umweltexperten der EG - so versicherte Emst Ulrich von Weizsäcker, Direktor des Bonner Instituts für Europäische Umweltpolitik, erhoffen sich vom Beitritt Österreichs eine Stärkung der „Umweltlobby“.

Und Osterreich will - so erklärte Umweltministerin Marilies Flemming in Laxenburg - als EG-Mitglied .steinen Zentimeter vom österreichischen Umweltstandard abgehen“.

Nun - in der Praxis sind die österreichischen Umweltgesetze in manchen Bereichen strenger als innerhalb der EG, einige Probleme werden aber heute schon in der EG zukunftsweisender geregelt. Harald Glatz verdeutlichte als Mitautor einer Studie des Instituts für Wirtschaft und Umwelt des österreichischen Arbeiterkammertages, daß mit dem Luft-reinhaltegesetz in Osterreich viel strengere Maßstäbe angelegt werden als mit den „Großfeu-erungsanlagen-Richtlinien“ der EG. Auch die Katalysatorpflicht und die Transitfrage werden im Europavergleich fortschrittlich behandelt. Andererseits würde die Angleichung an EG-Normen im Gewässerschutz für die österreichische Umweltpolitik einen Fortschritt bedeuten.

Tatsächlich ist die EG an der Harmonisierung der einzelnen Umweltverordnungen interessiert. Und zwar - wie Emst Ulrich von Weizsäcker erklärte - aus drei wirtschaftlichen Gründen: Der gleiche Kostendruck aus Umweltverordnungen in allen EG-Mitgliedsländern schafft gleiche Wettbewerbsbedingungen und erweitert den Exportmarkt eines „Vorreiterstaates“ für neue Technologien. Gleichzeitig wird durch grenzüberschreitende Verordnungen automatisch der Import an Luft- und Wasserverschmut-zimg verringert.

Rechtlich gesehen müßte Osterreich alle Naturschutzbelange -die ja bisher Ländersache waren— in einem Bundesrahmengesetz an die EG-Richtlinien angleichen.

Das größte österreichische Sorgenkind dabei ist der Transitverkehr. Eine Lockerung der Transitverordnungen (bei gleichzeitig erwarteter Verkehrszunahme bis zu 30 Prozent) scheint als „Voraussetzung erträglicher Aufnahmebedingungen“ unabwendbar.

Andererseits gibt es für jedes EG-Mitglied einen gewissen Spielraum, „weitergehende Umweltmaßnahmen“ anzuwenden. Susanne Lederer, als Mitglied der EG-Kommission für Umwelt, Verbraucherschutz und nukleare Sicherheit mit der Kontrolle der Umweltbelange befaßt, wies in diesem Zusammenhang auf ein ermutigendes Beispiel aus jüngster Zeit hin.

Dänemark wurde nach dem Importverbot für Fruchtsäfte und Bier in Einweggebinden von der EG unter Hinweis auf den freien Warenverkehr geklagt. Der Europäische Gerichtshof wies die Klage ab, da „Umweltschutz wichtiger zu beurteilen ist, als der freie Warenverkehr“.

Derzeit laufen 200 Vertragsverletzungsverfahren gegen alle zwölf Mitgliedsstaaten, die auf nationaler Ebene die EG-Umweltrichtlinien noch nicht umgesetzt haben. „Obwohl natürlich ein Nord-Süd-GefäUe zu beobachten ist“, sagt Susanne Lederer, „gehören auch die Bundesrepublik Deutschland und die Niederlande zu den Verurteilten.“

Wird ein Staat verurteilt, gibt es allerdings außer der „öffentlichen Schande“ keine Sanktionen. „Wirtschaftsverträglicher Umweltschutz“ lautet also innerhalb der EG die Devise. - Und wenn auch von allen EG-Experten das wachsende Interesse an Umweltfragen bestätigt wird, beinhaltet das 4. Aktionsprogramm der EG für Umweltschutz 1987 einen Hinweis auf Prioritäten: Ausdrücklich wird auf die Notwendigkeit der Umweltpolitik als wesentli-

cher Bestandteil langfristigen Wirtschaftswachstums verwiesen.

Gleichzeitig wird heute fast jede „Belebung“ der Wirtschaft sehr schnell zur Umweltbedrohung.

Um dieser Entwicklung wiederum entgegenzusteuern, werden heute innerhalb der EG Umwelt-Sonderabgaben und sogar Umweltsteuern diskutiert - vor allem die Rohstoffe betreffend. „Umweltschutzmaßnahmen, als Wirtschaftsfaktoren betrachtet, könnten viel effizienter verän-dem als alle Umweltstrafen und -Verordnungen“, betont Weizsäk-ker. Für den Beobachter drängt sich jedoch ein Verdacht auf: Umweltmaßnahmen ermöglichen ein zusätzliches Wirtschaftswachstum, das wiederum vermehrt die Umwelt bedroht. Denn sowohl die umweltfreundlichen Technologien als auch das aktive Umweltbewußtsein der Menschen müssen erst entwickelt werden.

Ob sich nun Osterreich dazu entschließt, „den Wechsel vom Jahrhundert der kurzsichtigen Ökonomie zum Jahrhundert des Umweltschutzes“ (Weizsäcker) als mitgestaltendes EG-Mitglied zu vollziehen, oder ob es — wie Paul Blau formulierte — die Zeit bis zur unvermeidbaren Pleite der EG nützt, um intern jene Schritte zu setzen, die zur Erhaltung von Boden, Luft und Wasser nötig geworden sind - in jedem Fall, so das Resümee des Symposions in Laxenburg, sollte nicht versäumt werden, klare Bestimmungen zu entwickeln und gesetzlich zu verankern.

Denn kühne Wünsche werden in der EG nicht ernst genommen. Geltende nationale Verordnungen haben wenigstens eine theoretische Chance. Zumindest solange die „geänderten Wettbewerbsbedingungen“ für ein umweltbewußtes Land nicht den wirtschaftlichen Druck ins Unerträgliche steigern. Dann nämlich wird Umweltschutz auch national nicht mehr durchsetzbar. Damit löst sich zwar die Frage der Angleichung an EG-Normen von allein. Was jedoch auf der Strecke bleibt, ist der Umweltschutz.

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