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Stahl kochen nach Donawitzer Art

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Unerträgliche Hitze in der riesigen Halle ist gepaart mit ohrenbetäubendem Getöse. Rauchschwaden beißen in den Lungen. Schutzanzüge verhindern nicht die schmerzhaften Spritzer, wenn das 1650 Grad heiße, flüssige Metall aus dem Hochofen schießt. Wassersprühende Walzmaschinen verlangen viel Konzentration. Eine falsche Reaktion bei der Bedienung bedeutet den Stillstand der Maschinen für zwei, drei Stunden.

Dieses klassische Bild eines Stahlarbeiters ist derzeit für nicht wenige der 25.000 VOEST-Arbei- ter am Standort Donawitz der harte Alltag.

Für viele sind sie so dargestellt aber längst das medial vermittelte, sprichwörtliche rote Tuch und der Inbegriff für Anspruchsdenken, Immobilität und der Hemmschuh für technischen Wandel geworden.

Der eisige Wind in der Stahlbranche, das drohende Zusperren dieses Sorgenkindes Donawitz brachte jedenfalls auch Politiker und das VÖEST-Management gehörig ins Schwitzen.

Grünes Licht gab daher der Aufsichtsrat im Februar dieses Jahres für eine - wie es heißt - vielversprechende Schiene in die Zukunft des steirischen Werkes. Eine Schiene, die — wie es Hüttenchef Ludwig von Bogdandy enthusiastisch formulierte — sogar „ins nächste Jahrtausend“ reichen wird.

KVA ist das Kürzel dieser Alternative gegen das Zusperren. Dahinter steht ein neues Stahlerzeugungsverfahren, das VOEST- Stahl wieder konkurrenzfähig machen soll.

Das neue Verfahren „KVA“ — wobei „K“ für die Duisburger Firma Klöckner Stahl GmbH und „VA“ für VOEST ALPINE steht- basiert auf Erfahrungen, die die bundesdeutsche Firma bereits in den siebziger Jahren gemacht hat. Ziel ihrer Forschungen und Versuche war, den Einsatz von billigen Schrottmengen für die Stahlerzeugung zu forcieren.

Schon das legendäre LD-Ver- fahren, mit dem Österreich seit den fünfziger Jahren weltweit Furore gemacht hatte, erlaubte erstmals bei der Stahlherstellung die Verwendung von Schrott, wenn auch nur bis zu 25 Prozent. Durch die neue Technik soll nach Angaben der VOEST auch eine hundertprozentige Schrottverwertung möglich sein.

Ein Vorteil dieses neuen Verfahrens liegt auf der Hand: Schrott gibt es in unseren Wegwerfgesellschaften in rauhen Mengen, und er ist billiger zu haben als die herkömmlichen Rohstoffe zur Stahlerzeugung Erz oder Kohle.

Die weiteren Vorteile der neuen Methode werden vom Management so beschrieben:

• Der Kostenvorteil, den Elektrostahlwerke, die ebenfalls Schrott als Rohstoff verwenden, bisher hatten, kann egalisiert werden. (Solche Ministahlwerke verwenden ebenfalls bis zu 100 Prozent Schrott. Nur soll im Donawitzer Werk das Alteisen mit Hilfe von Sauerstoff-Erdgas oder Ölbrennern geschmolzen werden).

• Das Roheisen- und Schrottverhältnis kann frei gewählt werden. Je nach (Welt-)Marktpreisen wird mehr Schrott oder mehr Erz in den Schmelztiegel geschaufelt. Sollte — wider Erwarten — Alteisen teurer werden als etwa Roherz, werden eben problemlos die „Zutaten“ variiert.

• Daraus ergibt sich für Donawitz auch eine qualitative Variationsmöglichkeit seiner Produkte.

• Die herkömmlichen LD-Tiegel können ohne größere technische Schwierigkeiten, wenn auch mit viel finanziellem Aufwand, in Schrottschmelzgeräte umgebaut werden. Der erste Tiegel wird soeben in Donawitz adaptiert. Die beiden anderen sollen nach der Erprobung folgen.

Anders als früher werden heute für die Schrottgewinnung alte Autos, Kühlschränke, Haushaltsgeräte oder gar alte Fabrikshallen, nicht mehr bloß auf ein „handliches Paket“ zusammengepreßt. Es gibt bereits Verfahren, die alle anderen unbrauchbaren Zusätze wie Plastik, Chrom und Sonstiges aussieben und nur mehr das reine Eisen übriglassen.

Ein Problem bei diesem Recycling von Alteisen gibt es allerdings schon noch: Den heimischen Händlern ist noch nicht vorgeschrieben, was genau unter Schrott zu verstehen ist. Flaschen oder sonstige Behälter mit hochgiftigen, brennbaren und explosiven Inhalten finden sich daher unter dem harmlosen Alteisen ebenso und machen das Aussortieren entsprechend schwer, kostspielig und gefährlich.

Aber auch hier wird nach VOEST-Informationen eifrig geforscht und erprobt, um dieses Risiko auszuschalten.

Die ersten Versuchsergebnisse über diese Jahrtausendtechnologie „KVA“ sollen noch in diesem Jahr vorliegen.

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