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Digital In Arbeit

Standards gegen Manipulation

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Veröffentlichte Umfragedaten können Einfluß auf das Wahl- verhalten haben. Es ist zwar nicht geklärt, in welche Richtung sie wirken, doch ist es ziemlich sicher, daß gewisse Effekte nicht auszu- schließen sind. Welche Sicherheit gibt es also, daß nicht über die Veröffentlichung von Meinungsfor- schungsergebnissen eine Manipu- lation der Wähler erfolgt?

Markt- und Sozialforscher wis- sen, daß das Verhalten des einzel- nen Menschen beeinflußbar ist, setzt man die richtigen Kommunika- tionsmittel am richtigen Platz zur richtigen Zeit ein. Die kommerziel- le Werbung, mit der wir jeden Tag

konfrontiert sind, ist ein Versuch, dieses Wissen um menschliches Ver- halten gezielt zu nutzen. Hier han- delt es sich jedoch nicht um die Darstellung von objektiven Unter- suchungsergebnissen, sondern dem Konsumenten ist die Rolle der Werbung als Verkaufsinstrument bekannt.

Für die Europäische Gesellschaft für Meinungs- und Marketingfor- schung (ESOMAR) spielt die Mei- nungsforschung eine wertvolle Rolle in unserer heutigen Gesell- schaft. Es ist wünschenswert, wenn Politiker, Medien und interessierte Gruppen die Möglichkeit haben, durch die Forschung Wissen über die Einstellungen und Absichten der Öffentlichkeit zu erlangen.

Diese Ergebnisse der Forschung sollten jedoch von Untersuchungen herrühren, die möglichst objektiv und wahrheitsgetreu die Realität wiedergeben. Eine provokative oder tendenziöse Darstellung unter dem Deckmantel der Wissenschaft soll vermieden werden. Aus diesem Grund hat die ESOMAR in einem internationalen „Kodex für die Praxis der Veröffentlichung von Meinungsumfrageergebnissen und Auslegungsrichtlinien" die Einhal- tung gewisser Richtlinien empfoh- len.

Die Qualität der Ergebnisse einer Meinungsumfrage hängt vor allem von den angewandten Forschungs- techniken und deren exakten Durchführung ab. Dies liegt im Verantwortungsbereich der For- schungsorganisation, welche die Studien betreibt. Nicht zuletzt kommt es natürlich darauf an, in welcher Art die Ergebnisse vorge-

stellt werden und welchem Zweck sie dienen. Darum sollen Ergebnis- se, die veröffentlicht werden, im- mer bestimmte Informationen ent- halten.

Natürlich läßt die Statistik einen kleinen Raum an Unsicherheit, sodaß Ergebnisse in Prozent ausge- drückt einen engen Schwankungs- bereich aufweisen. Große Bedeu- tung hat aber auch der Erhebungs- zeitraum. Ein paar Tage Unter- schied zwischen zwei Untersuchun- gen kann große Wichtigkeit erlan- gen, wenn in dieser Zeit größere oder kleinere Ereignisse unter den Augen der Öffentlichkeit stattfin- den und das Bild der wahlwerben- den Parteien beeinflussen.

Neben der Angabe des Erhe- bungszeitraumes soll auch die Zusatzinformation über die befrag- te Stichprobe gegeben werden. Wer wurde befragt, wo wurde befragt, wie groß ist die Zahl der Befragten? Mit der Beantwortung dieser Fra- gen kann sich der Leser von Umfra- geergebnissen ein Bild davon ma- chen, welche Einflüsse von diesen Faktoren auf das Ergebnis ausge- hen könnten. Die Befragung von einhundert Menschen in einem Gebirgstal Tirols wird ein völlig anderes Bild ergeben, als dieselbe Erhebung bei eintausend Menschen in Wien.

Hohen Informationswert besitzen auch die Angaben über jene Be- fragten, die nicht erreichbar wa- ren, eine Antwort verweigert ha- ben oder eine Antwort nicht wuß- ten. Diese Personen können die Repräsentativität der Umfrage verfälschen, können einen hohen Spielraum statistischer Unsicher- heit verursachen. Auch Angaben zur Befragungssituation dürfen nicht fehlen. Die Aussagekraft ei- ner Telefonumfrage ist anders, als jene eines persönlichen Interviews.

Bei der Präsentation der For- schungsergebnisse sollte ebenso die Fragestellung veröffentlicht wer- den. Würden x Prozent die Grünen

wählen, „wenn morgen Wahlsonn- tag wäre" oder „können sie sich vorstellen, die Grünen zu wählen". Daß die Beantwortung dieser bei- den Fragen ein verschiedenes Gewicht hat, will man die Wahlab- sicht ergründen, liegt auf der Hand.

Nicht zuletzt soll auch der Name des Forschungsinstitutes bekannt sein, für anonyme Umfrageergeb- nisse braucht niemand die Verant- wortung zu übernehmen, auch fach- lich nicht Qualifizierte könnten hinter der Untersuchung stehen. Die beauftragten Institute sollten auch dafür Sorge tragen, daß nicht eine bewußte Verfälschung der Ergeb- nisse durch gezielte Veröffentli- chung beziehungsweise Nichtveröf- fentlichung errreicht wird, Positi- ves herausstreichend und Negati- ves verdeckend.

Wenn sich also seriöse Markt- und Meinungsforschungsinstitute mit der Ergründung des Wähler- verhaltens beschäftigen, müßte man davon ausgehen können, daß die Ergebnisse nicht im Sinn einer wähl werbenden Partei manipuliert sind. Sollten Mitläufer- oder Mit- leidseffekte durch die Publikation von Umfragedaten wirksam wer- den und die Wahlentscheidung beeinflussen, so zumindest nicht über eine bewußte Manipulation.

Werden die Standards der ESO- MAR beachtet, sollte es bei ent- sprechender Mitarbeit der Medien möglich sein, Information objektiv wiederzugeben. Daten, aus denen nicht mehr und nicht weniger ab- zulesen ist als die Meinung zu be- stimmten Fragen zum Untersu- chungszeitpunkt, eine Meinung, die nur dann das zukünftige Wahler- gebnis wiedergibt, wenn neue Umstände und Ereignisse nicht andere Entscheidungen nach sich ziehen.

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