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Standbein und Geldhahn der Kirche

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Am 1. Mai 1939 trat das noch heute in Österreich geltende und heiß diskutierte Kirchenbeitragsgesetz in Kraft. Ist es nur Stein des Anstoßes oder auch pastorale Chance?

FURCHE: Herr Direktor, das Kirchenbeitragsgesetz vnrd 50 Jahre alt. Ist die Kirche in Österreich glücklich mit diesem Gesetz?

JOSEF WÖCKINGER: Im großen und ganzen sind wir uns bewußt -mit wir meine ich die Finanzkam-mem -, daß das Kirchenbeitragsgesetz gewisse Tücken hat, daß es insgesamt von einer Mehrheitder Leute nur mit zusammengebissenen Zähnen akzeptiert wird.

FURCHE: Hat man emsthaft über andere Lösungen nachgedacht?

WÖCKINGER: Meines “Wassens gab es dreimal emsthafte Versuche von bestimmter bischöflicher Seite, das eine Mal imter Julius Raab, daim unter Bruno Kreisky und schließlich unter Franz Vranitzky. Man hat Gespräche mit dem Staat eingeleitet, ob ein ähnliches System wie in Deutschland möglich wäre. Das hat nicht die offizielle Bischofskonferenz mitgetragen, aber es haben wesentliche Entscheidimgsträger in der Bischofskonferenz diese Versuche gemacht. Sie sind aber immer sehr rasch abgeblitzt. Das ist politisch nicht driimen. Aber ich gebe ehrlich zu, daß auch innerhalb der österreichischen Kirche kein Konsens bestanden hat.

FURCHE: Das deutsche System sieht vor, daß der Kirchenbeitrag gleich vom Gehalt abgezogen loird…

WÖCKINGER: Das wäre eine richtige Kirchensteuer, tmd die Vorteile wären im psychologischen Bereich: Der einzelne bekommt das Geld nicht auf die Hand, es wird gleich vom Staat einbehalten. Dazu kommt, daß in Deutschland alle Kirchensteuerbeträge steuerlich begünstigt sind.

Aber auf der anderen Seite entsteht doch eine sehr starke Abhängigkeit vom Staat, während das Bild von Kirche, das das Vatikanum n geprägt hat in eine ganz andere Richtunggeht: Zusammenarbeit mit dem Staat, aber nicht ein völliges Sich-Überantworten. Insofern meine ich, daß dieses System keine Zukunft hat.

FURCHE: Sind andere Modelle auch geprüft worden? Ist nicht bei einer Umfrage herausgekommen, daß bei einem freiwilligen Kirchenbeitrag nur ein geringer Prozentsatz des jetzigen Aufkommens zustande käme?

WÖCKINGER: Es gibt kein Land, wo es nur freiwillige Beiträge gibt. In Frankreich ist es fast so, in Polen ist es fast so, aber man kann da immereinigesdazusagen.In Frankreich leben die Priester an der

Armutsgrenze, teilweise menschenunwürdig besoldet, die Kirchen verfallen mit Ausnahme von einigen Herzeige-Domen. In Polen hat die Kirche eine ganz andere Geschichte, da ist sie der Garant der nationalen Identität.

Wirhaben in Österreich einMisch-system. Der Kirchenbeitrag ist das eigentliche Standbein, doch 40 Prozent des kirchlichen Umsatzes im Bereich der Pfarren imd Diözesen’ kommen auf andere Weise herein, hauptsächlich durch freiwillige Spenden, ein kleiner Teil diirch Subventionen und durch bestimmte Gegenleistungen.

Tatsächlich hat man nie emsthaft erwogen, den Kirchenbeitrag als ‘Pflichtbeitrag aufzugeben, sehr wohl aber hat es immer wieder Konzepte gegeben, wie man das System nicht nur retuschenartig, sondern emstlich verbessem könnte. Es wird den Zwang als solchen immer geben, aber man müßte sich bemühen, das System so anzupassen, daß die unsympathisdhe Art, daß man letztlich zwingen muß, weitgehend zurückgedrängt wird.

FURCHE: Ist das nicht die Quadratur des Kreises?

WÖCKINGER: Nicht unbedii^. Wenn man sich entsprechend einsetzt, müßte es schon möglich sein -als Realutopie -, daß man die Exekutionen starkzurückdrängt, indem man die im Beitragssystem liegenden Pastoralen Chancen maximal und optimal wahrnimmt.

FURCHE: Wo sehen Sie konkret die Pastoralen Chancen?

WÖCKINGER: Zum Unterschied von der Kirchensteuer wird der Kirchenbeitrag ja nicht lautlos eingehoben. Sondern der einzelne bekommt viermal im Jahr einen Zahl-schein, er muß sich damit auseinandersetzen. Wenn man ihn dabei allein läßt, wenn man wie ein Finanzamt agiert, dann wird der an sich bestehende ^^^derstand maximiert. Es wäre eine Chance, daß man nicht nur Geld fordert, sondern ihm auch plavisibelmacht, warum dieses Geld,

gebraucht wird Wenn man das hinüberbringt, ist sehr viel an pastoraler Arbeit geschehen.

FURCHE: Läuft nicht darauf die derzeitige Aktion hinaus?

WÖCKINGER: Diese “Trag-was-bei“-Kampagne ist der für die Öffentlichkeit übersetzte Versuch, das system tatsächlich zu verändern. Die Werbeaktion soll ims zwingen, daß wir ims nicht ein halbes Jahr; sondern ein paar Jahre anstrengen.

FURCHE: Wieviel kostet diese Kampagne wirklich?

WÖCKINGER: 40 Millionen Schilling für drei Jahre, 13 Millionen pro Jahr auf alle neun Diözesen au^eteUt. Werm ich nur einen einzigen persönlich gehaltenen Brief pro Jahr als Kirchenbeitragsstelle an den ZahlimgspfUchtigen richte, daim kostet allein das Porto - fünf Schilling pro Brief, schon mehc

FURCHE: Die Zahlungsmoral gilt als gut…

WÖCKINGER: Wenn im Hintergrund nicht der Zwang wäre, wäre sie schon wesentlich schlechter. Indiz dafür ist auch jene Untersu-chtmg, die aussagt, daß 75 Prozent der Zahler den Kirchenbeitrag als zu hoch empfinden.

Geklagt werden ungefähr 1,5 Prozent (65.566 im Jahr 1988) und gepfändet imgefähr 0,6 Prozent (24.491 im Vorjahr), ein kleiner Prozentsatz, aber trotzdem sage ich: viel zu viele.

FURCHE: Treten Gepfändete in der Regel aus?

WÖCKINGER: Interessanterweise nicht. Wir haben viele, die mehrmals gepfändet wiirden. Da sieht man, es auch andere Argumente gibt - Schlamperei oder Schulden. Die, dieaustreten, treten in der Regel viel früher aus.

FURCHE: Sehen Sie erste Erfolge der Kampagne “Trag was bei“?

WÖCKINGER: Erfolge insofern, als das Echo im kirchlichen Segment, bei den Mitarbeitern, die wir angeredet haben, sehr gut ist. Wir haben gemeint, daß sich anfangs etwa 1.000 Beitragsberater bereitfinden, und mittlerweile sind es schon 2.500. Für mich ist das das Eigentliche xmd Erste. Die ganze, mediale Sache ist eine Begleitmusik, sicher eine wichtige, denn dadurch wird der Kirchenbeitrag im Gespräch bleiben.

FURCHE: Sehen Sie einen direkten Zusammenhang zwischen Gläubigkeit und Zahlungsmoral?

WÖCKINGER: Ja, dturchaus, wobei man Gläubigkeit nicht allzu eng auslegen sollte, sondern unter Gläubigkeit verstehe ich sowohl den persönlichreflektierten Glauben wie auch die grundsätzliche Zustimmimg zur Kirche, letztere kann auch peripher angelegt sein. Ich glaube, daß es einen Wert hat, wenn Menschen auf Umwegen wieder zur Kirche finden, weil dann die Chance besteht, sie doch wieder zu evan-gelisieren.

FURCHE: Was wünschen Sie sich derzeit konkret vom Staat?

WÖCKINGER: Was uns besonders trifft, ist die Mehrwertsteuer im Bereich der kirchlichen Denkmalpflege. Weil wir nur unecht befreit sind und daher keine Vorsteuer absetzen können, müssen wir für jede Renovierungsmaßnahme voUe 20 Prozent Mehrwertsteuer zahlen. Das kommt auf dem Subventionsweg nur zu einem Zehntel zurück. Schön wäre es, wenn der Kirchenbeitrag ähnlich als Werbungskosten absetzbar wäre wie der Gewerkschaftsbeitrag.

FURCHE: Können Sie sich vorstellen, daß man den Kirchenbeitrag senkt, wenn der Staat die Möglichkeit böte, weitere Zuwendungen an die Kirche steuerlich abzusetzen?

WÖCKINGER: Ich möchte sagen, daß mir jede Zusatzmaßnahme, die es realistischerweise ermöglicht, den Kirchenbeitrag zu senken, sehr sympathisch wäre.

FURCHE: Spielen nach Ihren Erfahrungen kirchenpolitische Vorgänge bei der Zahlungsmoral eine Rolle?

WÖCKINGER: Sie spielen schon eine RoUe, aber eine geringere als man eigentlich annehmen möchte. Es gibtnur einige, die den Geldhahn als Instrument des Protestes auffassen. In Linz konnten wir durch die Möglichkeit der Zweckwidmung des Kirchenbeitrages - es stehen 15 Projekte zur Auswahl - einigen Unmut abfangen.

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