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Der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) ist die Befreiungsorganisation der Schwarzen in Südafrika. Wird ANC von den Sowjets gelenkt? Hier ein Bericht von unserem Korrespondenten.

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Der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) ist die Befreiungsorganisation der Schwarzen in Südafrika. Wird ANC von den Sowjets gelenkt? Hier ein Bericht von unserem Korrespondenten.

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Oliver Tambo, der Präsident der militanten südafrikanischen Schwarzenorganisation African National Congress (ANC), hat an die Adresse der weißen Regierung in Pretoria dieser Tage massive Drohungen ausgestoßen. Demnach will die am Kap verbotene Bewegung im Laufe des Jahres den bewaffneten Kampf in alle Ecken des Burenstaates tragen.

Im Zusammenhang mit Tambos Kampf parolen stellt sich die Frage, ob der ANC überhaupt in der Lage ist, diese Drohungen im gro-

ßen Stil in die Tat umzusetzen, denn in abgelegenen und dünn besiedelten Gegenden Straßenminen zu vergraben ist eine Sache, gegen das noch immer fest und sicher im Sattel sitzende weiße Regime in Pretoria erfolgversprechend zum „Volkskrieg" zu blasen aber eine andere.

Der 1912 gegründete ANC, der sich, kurz nachdem ihn 1960 der Bannstrahl Pretorias getroffen hatte, auf den Pfad der Gewalt begab, verfügt zwar namentlich unter der nichtweißen Jugend in den südafrikanischen Städten über beträchtliche Sympathien. Für viele Schwarze im Lande ist er indessen in erster Linie ein Symbol, in welches sie all das hineinproji-zieren, was man ihnen an politischen Rechten vorenthält.

Die Regierung Präsident Bo-thas macht zwar für die Town-shiprevolte, die nun mittlerweile in etwas mehr als einem Jahr etwa tausend Todesopfer gefordert hat, grob verallgemeinernd ANC-Drahtzieher verantwortlich. ANC-Spitzenvertreter selbst haben sich immer wieder damit gebrüstet, sie hätten höchstpersönlich dafür gesorgt, die Schwar-

zenghettos unregierbar zu machen und sie zu Gebieten zu machen, in die sich die Staatsmacht nur noch im Schützenpanzer vorwage. Doch wahrscheinlicher ist, daß der ANC in Südafrikas Schwarzenstädten nur am Rande und in Einzelfällen politische Wühlarbeit verrichtete, ^sondern vielmehr versuchte, auf einen bereits fahrenden Zug aufzuspringen, um ja den Anschluß an eine wichtige Entwicklung nicht zu verlieren.

In vielen Schwarzensiedlungen lungern Tausende von Jugendlichen und Kindern in den Straßen herum, weil sie seit Monaten nur noch unregelmäßig oder überhaupt nicht mehr zur Schule gehen. Und schließlich hat die monatelange Unrast in einem Maße kriminelle Elemente, Herum-

streicher und jugendliche Strolche auf den Plan gerufen, daß es schwerfällt, die gewalttätigen Vorkommnisse nur als politische Mißfallenskundgebungen zu verstehen.

Die südafrikanischen Behörden verwenden große Mühe darauf, zu unterstreichen, wie sehr der ANC seit seiner Gründung zu Beginn des Jahrhunderts unter dem Einfluß kommunistischen Gedankengutes gestanden habe. Daß heute engste Verbindungen bestehen, ist unbestritten, dies war indessen nicht immer so.

Sowohl Tambo als auch der einstige ANC-Präsident und seit über zwanzig Jahren im Kerker sitzende Nelson Mandela vertraten in früheren Jahren eine vehement antikommunistische Linie. Die beiden versuchten beispiels-

weise in den vierziger Jahren eine Bestimmung durchzusetzen, wonach ein ANC-Mitglied nicht gleichzeitig auch der Kommunistischen Partei Südafrikas angehören durfte oder umgekehrt.

Nach dem Verbot der KP Südafrikas Anfang der fünfziger Jahre und nachdem ihre Mitglieder von den Behörden in den Untergrund gejagt worden waren, suchten die südafrikanischen Marxisten ihren Weg zurück an die politische Front, indem sie in Organisationen einsickerten, die damals noch nicht gebannt waren, so namentlich in den ANC oder in Gewerkschaften.

Wenn der ANC indessen in jüngerer Zeit mehr und mehr auch in respektablen Kreisen ins Gespräch kam und weitherum in den Genuß von Salonfähigkeit geriet,, so hat er dies unter anderem einem Manne zu danken, der seit über zwanzig Jahren hinter Kerkermauern in der Versenkung lebt und von dem lediglich seine Angehörigen wissen, wie er heute aussieht, Nelson Mandela nämlich, nach dem in verschiedenen Städten auf allen fünf Kontinenten Straßen benannt sind, der Ehrendoktortitel mehrerer Universitäten erhalten hat und dessen Name auch Leuten vertraut und heilig ist, die zur Zeit seiner Aburteilung noch nicht einmal geboren waren. •

Mandela hat zudem gegenüber allen anderen südafrikanischen Politikern den Vorteil, makellos dazustehen, da er während den letzten zwanzig Jahren keinerlei Fehler beging, keine begehen konnte. Man kann wohl davon ausgehen, daß Mandela im Falle seiner Freilassung den überwiegenden Teil der in städtischen Verhältnissen lebenden Schwarzen hinter sich zu scharen vermöchte. Dies würde ihm gegenüber den weißen Herren in Pretoria ein Gewicht verleihen, über das keiner der derzeit aktiven schwarzen Politiker jeglicher Herkunft auch nur annähernd verfügen würde.

Deshalb fürchtet ihn Pretoria, doch deshalb verlangen besonnen und vernünftig argumentierende weiße Südafrikaner Mandelas Freilassung, weil sie sich davon eine drastische Entspannung der verfahrenen Situation in den Townships erhoffen.

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