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Starkes Duo

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In den vier Wochen seit der verlorenen Wahl vom 5. Oktober dürfte sich in der österreichischen Volkspartei auf fast allen Ebenen mehr getan haben, als in den letzten zwei, drei Jahren davor. Und fast alle personellen und organisatorischen Maßnahmen bewiesen die eindrucksvolle Stärke des ÖVP^Führungs-Duos Josef Taus und Erhard Busek; Stärke freilich, die nicht immer den Interessen der Bünde, sondern der Zwangslage der Partei gehorchte.

Trotz gravierender Bedenken des Arbeiter- und Angestelltenbundes wurde Bauerhbund-Präsident Roland Minkowitsch zum Zweiten Präsidenten des Nationalrats designiert. Damit ist die Welt des Bünde-Proporzes auf der Führungsplattform wieder heil und der ÖAAB nur deshalb ein wenig verärgert, weil er im Spiel um die Verteilung der Positionen zu keinem Zeitpunkt die Karten mischte, sondern Entscheidungen zur Kenntnis nehmen mußte.

Zwei Bünde, der ÖAAB und der Wirtschaftsbund, nominierten neue Generalsekretäre und beide Bünde entschieden sich für durchaus unkonventionelle Lösungen. Der ÖAAB bestellte den steirischen Bundesrat Walter Heinzinger zum Nachfolger von Johann Gassner. Diese sehr persönliche . Entscheidung von Alois Mode'hat viele überrascht und einige — etwa den bisherigen VP-Soziai-sprecher im Parlament, Walter Schwimmer — auch sehr getroffen. Heinzinger, der sich bislang auch als Kritiker von ÖVP-Eigenarten gefiel, soll für unselbständig erwerbstätige Wähler Leistungsbewußtsein symbolisieren. Er selbst brachte es vom Drogisten zum Werbeleiter einer regionalen Tageszeitung. Nun, als Generalsekretär des ÖAAB wird es seine Aufgabe sein, einmal das Verhältnis zur Fraktion Christlicher Gewerkschafter zu verbessern und schließlich den ÖAAB aus dem Ghetto der Beamtenvertretung zu bringen und auch Arbeiter und Angestellte in der Privatwirtschaft zu ködern. An dieser Aufgabe sind bislang Obmänner und Generalsekretäre des ÖAAB der ehrgeizige Walter Heinzinger reüssieren kann.

Der Wirtschaftsbund berief den bisherigen ÖVP-Parlamentsklub-Sekretär Walter Schüssel zum geschäftsführenden (stellvertretenden) Generalsekretär. Damit behielt er die junge Tradition bei, aus dem Reservoir des VP-Parlamentklubs zu schöpfen, riskierte aber dennoch einen spektakulären Akt. Denn Wolfgang Schüssel ist ganz bestimmt nicht der Prototyp eines Mannes, der hohe Wirtschaftsführer von vornherein für sich einzunehmen versteht. Seine Möglichkeiten und Fähigkeiten liegen in der unorthodoxen Art, politische Probleme zu deuten, dafür Lösungsvorschläge zu finden. Ohne Zweifel ist der Erfolg des knapp dreißigjährigen Schüsseis von seinem organisatorischen Geschick abhängig.

Bauernbund-Generalsekretär wird Sixtus Lanner bleiben, der bei der Vergabe des Vorsitzes im parlamentarischen Landwirtschaftsausschuß gegen den Kärntner Bauernbund-vertreter Valentin Deutschmann unterlag. Dennoch steht außer Zweifel, daß Sixtus Lanner in der neuen Legislaturperiode erster VP-Parla-mentssprecher zu agrarpolitischen Fragen sein wird.

Überraschend für Freund und Feind inner- und außerhalb der Partei hat 4Jeorg Pradei? die Funktion des J5arteio.bma,nnesl|ter ÖVP Nie-, derösterreich vakant gegeben. Dieser Rückzug signalisiert die Bereitschaft eines Mannes, aus Niederlagen persönliche Konsequenzen zu ziehen; eine Bereitschaft, die in der ÖVP nicht gerade hochentwickelt ist. Georg Prader, so heißt es, will sich nun noch stärker dem ÖAAB auf Landes- und Bundesebene widmen. Das kann, wer die Robustheit und Durchschlagskraft Georg Praders kennt, für den ÖAAB nur ein Vorteil sein. Nachfolger im Land Niederösterreich dürfte Siegfried Ludwig, derzeit Landeshauptmannstellvertreter, werden. Er soll zum Nachfolger Andreas Maurers als Spitzenkandidat für die nächsten oder übernächsten Landtagswahlen aufgebaut werden. Prader schuf ihm durch seinen

Rücktritt zusätzliche Möglichkeiten, in diese Rolle hineinzuwachsen.

Ohne große Worte haben Taus und Busek die 15er-Ausschüsse begraben; ihr nächster Zug soll die Kreation von sogenannten „Bereichssprechern“ sein. Die meisten Bereichssprecher sind mit den ehemaligen Ausschußobmännern ident; andere, inner- und außerhalb der Partei, sollen in diese Rolle schlüpfen. So soll der Professor an der Technischen Hochschule, Wien, Fritz Paschke, Forschungssprecher werden. Er übt kein politisches Mandat aus; aber er wirkt über das eigene Parteilager ins liberale Lager hinein. Letzte Entscheidungen darüber sollen im Rahmen einer Klausurtagung am 14. und 15. November fallen. Unter dem Motto „Politik auf dem Prüfstand“ will die Parteiführung auch ein neues organisatorisches Konzept für das Hauptquartier präsentieren. In zwei großen Abteilungen sollen Konzepte und Marketing dafür entwickelt werden. Die Zielgrup'pen bleiben die alten: Jungwähler, berufstätige Frauen, Rentner und Pensionisten. Dafür will das Führungsduo auch Konzepte vorlegen.

Ob sich der Traum von Josef Taus, das VP-Hauptquartier, die bündischen Zentralen und die Wiener Landesparteileitung in einem Haus zusammenzufassen, so rasch wie gedacht wird realisieren lassen, wird ?her skeptisch beurteilt. Sicher würde damit Macht und Einfluß der Parteispitze augenfällig demonstriert werden. Nur, Wien ist nicht reich an dafür geeigneten Bauplätzen und nicht alle Bünde sind bereit, alte Bastionen aufzugeben.

Während der nächsten Monate wollen Josef Taus und Erhard Busek durchs Land ziehen. Reden, reden und nochmals reden, die Ländesorganisationen aus ihrer Lethargie reißen, Verbindungen enger gestalten, in der Öffentlichkeit präsent sein. Wenn es ihnen allerdings nicht gelingt, griffige Formulierungen für interessante Vorschläge zu finden, ist alle Arbeit von vornherein umsonst getan.

Dazu, die Partei wieder einmal umzukrempeln, steht den beiden das nächste (wahllose) Jahr zur Verfügung. Dann geht es wieder um Stimmen bei Landtags- und Gemeinderatswahlen. Daran werden aber auch ihre Leistungen gemessen werden.

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