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Startvorteil „Nestwärme“

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Man will sich nicht von der EG-Hysterie anstecken lassen, trotzdem aber für das Jahr X — vielleicht ist das 1992 — vorbereitet sein: ebenso für den Fall, daß Österreich im EG-Binnenmarkt mitmischt, wie für den, daß es sich mit einem Platz außerhalb abfinden muß.

Denn in jedem Fall werden die Regelungen des Binnenmarktes, wie „Austria“ Generaldirektor Herbert Schimetschek, der Präsident des Verbandes der Versicherungsunternehmungen Österreichs bei einem Pressekolloquium in Gars am Kamp betonte, den heimischen Versicherungsmarkt beeinflussen. Und die Konkurrenz für die 68 derzeit in Österreich zugelassenen Assekuranzen

— 13 davon sind Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften — wird härter werden.

Das Bekenntnis der heimischen Versicherer zur rotweißroten Teilnahme am europäischen Binnenmarkt ordnet sich solchermaßen zuerst gesamtösterreichischen Wirtschaftsinteressen unter. Sehr direkt formulierte das Erich Göttlicher, Generaldirektor der „Wiener Städtischen“, der die Notwendigkeit einer EG-Teilha-be für die Versicherungswirtschaft mit einem „glatten Nein“ abschmettert, sich aber der Realitätsferne seiner Position bewußt ist: „Ausschlaggebend für die österreichische Entscheidung werden und müssen die Bedürfnisse der produzierenden Wirtschaft sein. Und in welche Richtung der österreichische EG-Zug auch abfahren wird, die österreichische Versicherungswirtschaft wird nolens volens auf das Trittbrett aufspringen müssen.“

Probleme und Chancen sind aber absehbar. Zwar hat der Entwicklungsstand des österreichischen Versicherungswesens im Vergleich durchaus Europaniveau, was die gesetzlichen Vorschriften über die Eigenmittelausstattung betrifft, „hat österreich in Europa die Rolle eines Klassenprimus übernommen“ (Göttlicher), aber Österreichs Versicherungsunternehmen sind im internationalen Vergleich klein. Und große ausländische Versicherungskonzerne rücken mit geballter Kapitalkraft an.

Wettbewerb übermächtig

Das wird absehbar im großen Industriegeschäft zu übermächtigem Wettbewerbsdruck führen, wozu noch kommt, daß internationale Konzerne wohl auch zu Versicherungsgiganten tendieren werden. Etwas anders im Massengeschäft: Zwar könnte es auch hier zu einer verwirrenden Vielfalt von Versicherungsangeboten kommen, die für den Konsumenten einen Prämien- und Produktvergleich eher schwierig machen, wobei noch eine deutlichere Aufsplitterung in „servicelose“ — etwa mit Kreditkarten verbundene — und „servicierte“ Versicherungsprodukte zu erwarten ist.

Doch Prämienvorteile könnten sich als Eintagsfliegen erweisen. Dann nämlich, wenn ausländische Versicherer sich der österreichischen Riskensituation bewußt werden: Mit 121 Unfällen auf 100 Millionen gefahrene Kilometer liegt Österreich mit Abstand vor vergleichbaren europäischen Staaten. Nicht nur deshalb liegen wir auch beim „Erlebenswahrscheinlichkeitsalter“ schlecht, ebenso bei der Unfallsterblichkeit. Und was Krankenhaushäufigkeit, Verweildauer und Kosten betrifft, sind die Österreicher auch keine „billigen“ Kunden.

Abwarten ist trotzdem keine Strategie. Ubereinstimmend setzen die heimischen Versicherer auf Kundenbetreuung und Serviceausbau: Diese „Nestwärme“ wird im harten Wettbewerb als Startvorteil betrachtet.

Fuß fassen in der EG

Und Expansionspläne? Wollen die österreichischen Unternehmen ihrerseits in der EG Fuß fassen, kommt es sehr darauf an, ob die Republik am Binnenmarkt beteiligt ist oder nicht. Bei Nicht-mitgliedschaft müßten heimische Versicherer entweder eine neue — kapitalstarke — Tochtergesellschaft für die EG gründen oder eine Niederlassung in jedem einzelnen EG-Staat, um im Geschäft zu bleiben. Kommt es zur Teilnahme am Binnenmarkt, gilt es die Kleinstruktur zu überwinden, wofür sich drei Wege anbieten: eine Fusion österreichischer Unternehmen, Zusammenschlüsse mit ausländischen Versicherern oder eine Gruppenbildung mit Banken, um Finanzdienstleistungskonzerne zu schaffen. Heute ist Versicherungen versagt, was Banken in Kooperation (durch Beteiligung) erlaubt ist: Die Typenkombination von Sparverträgen und Versicherungsschutz.

Für „Bundesländer“-General-direktor Walter Petrak stellt sich hier die Frage der Chancengleichheit: Und er urgiert daher auch für die Versicherer die Möglichkeit, Assekuranzangebote mit gewissen Bankprodukten — vielleicht auch Bausparangeboten — kombinieren zu können. Gerade für den - noch - entwicklungsfähigen Markt „Lebensversicherung“ eine Wettbewerbsfrage.

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