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Statt zu heilen: vernichten

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Einer der Urheber der andauernden libanesischen Bürgerkriegswirren ist der aus dem palästinensischen Städtchen Lod stammende ehemalige Kinderarzt Dr. Georges Habache. Nummer eins auf der Fahndungsliste des israelischen Geheimdienstes „Mossad“, suchen ihn viele Polizeidirektionen in den verschiedensten Ländern. Er ist der „Erzieher“ der berüchtigten Terroristin Leila Abu Chalid und „Erfinder“ der Flugzeugattentate und Entführungen in aller Welt, bei sämtlichen arabischen Verschwörungen der letzten fünfzehn Jahre hatte er die schmutzigen Hände im Spiel. Wer ist dieser Mann?

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Einer der Urheber der andauernden libanesischen Bürgerkriegswirren ist der aus dem palästinensischen Städtchen Lod stammende ehemalige Kinderarzt Dr. Georges Habache. Nummer eins auf der Fahndungsliste des israelischen Geheimdienstes „Mossad“, suchen ihn viele Polizeidirektionen in den verschiedensten Ländern. Er ist der „Erzieher“ der berüchtigten Terroristin Leila Abu Chalid und „Erfinder“ der Flugzeugattentate und Entführungen in aller Welt, bei sämtlichen arabischen Verschwörungen der letzten fünfzehn Jahre hatte er die schmutzigen Hände im Spiel. Wer ist dieser Mann?

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Habache stammt aus einer mittelständischen griechisch-orthodoxen Familie, der Vater war Getreidehändler in Lod. Lod liegt nahe von Tel-Aviv und ist heute der israelische Zentralflughafen „David ben-Gurion“. Als Israel gegründet wurde,

1948, war Habache gerade zweiundzwanzig Jahre alt. Die Christen waren von der zionistischen Staatsgründung eigentlich gar nicht betroffen. Hätten ihn die Eltern auf die nahe Tel-Aviver Universität oder nach Jerusalem geschickt, wäre er heute also vermutlich ein prominenter Arzt in Israel. Doch der Vater, der selbst nicht studiert hatte, wollte seinen Sohn als Absolventen einer international angesehenen Nobeluniversität sehen. Das Beste, das es im Vorderen Orient damals und heute gab und gibt, war die weltberühmte „American University“ in Beirut. Dort zogen die besten amerikanischen und arabischen wissenschaftlichen Koryphäen den besten akademischen Nachwuchs der arabischen Welt heran. Doch die Professorengilde aus den Vereinigten Staaten ließ sich nicht allein von der Aufgabe leiten, Jung-Arabien in das zwanzigste Jahrhundert zu führen, die Mehrzahl der Hochschullehrer hing. einer romantischen Arabienverehrung an, in der das zionistische Experiment einfach keinen Platz finden konnte. Mit anderen Worten: die „American University“ war und ist, ganz im Gegensatz zur offiziellen amerikanischen Politik, eine Hochburg des Panarabismus und des AntiZionismus.

Die gesamte intellektuelle Elite fortschrittlicher arabischer Politik und des palästinensischen Widerstandes gegen Israel kommt von dieser Hochschule. So auch Habache.

Nach 1948 war er dort einer der begabtesten Medizinstudenten seines Jahrganges. Er schloß sein Studium auch mit den höchsten Prädikaten ab und ging jahrelang seinem selbstgewählten Beruf nach, zuletzt als Kinderarzt und Klinikchef in der jordanischen Hauptstadt Amman. Doch schon als Student wurde er zum glühenden panarabischen und palästinensischen Nationalisten und gründete mit einigen Studienkollegen, Mitte der fünfziger Jahre, eine obskure „arabische nationale Bewegung“. Die Saat der Arabienromantiker unter seinen Erziehern war aufgegangen. Sucht man eine ergänzende psychologische Erklärung für den Weg diesei Manna vom Kinderarzt zum rücksichtslosen1 Terroristen, findet man sie leicht bei dem Juden Sigmund Freud: Habache ist kein Moslem, wie die erdrückende Mehrheit seiner arabischen Landsleute, sondern ein Christ. Er fühlte sich immer als Araber „zweiter Wahl“, deklassiert und von den Seinen nicht ganz akzeptiert. Er mußte und muß immer noch einen entscheidenden Schritt weitergehen als die grimmigsten arabischen Zionistenfresser. Nur dann kann er vor sich selbst als der

Araber bestehen, der er in Wirklichkeit trotz allem gar nicht ist.

Dr. med. Georges Habache hat es längst aufgegeben, zu heilen, er will nur vernichten. Den Zionismus ebenso wie die Feinde der palästinensischen Revolution unter den Arabern. Ganz Arabien soll in Blut ertrinken, wenn anders sein Ziel nieht erreichbar ist. Der breitschultrige Mann trägt sein eisgraues Haar militärisch kurz zurechtgestutzt. Er redet leise und eindringlich und hat eine starke erotische Ausstrahlung. So ist es zu erklären, daß verklemmte Emanzipationsmädchen wie Fräulein Chalid, die Schwierigkeiten mit Männern hat, auf ihn hereinfallen. Habache ist die Zentralgestalt einer bis heute nicht vollständig ausgeloteten internationalen Verschwörung tollwütiger Anarchisten, von der sogenannten japanischen Roten Armee bis zur Baader-Meinhof-Bande. Der Ex-Doktor, der unheilbar krebskrank ist, trägt heute ein modisches marxistisches Mäntelchen und leninistischen Parolen auf den Lippen. Für Moskau ist er zwar durchaus kein ideologischer Bundesgenosse, wohl aber ein „nützlicher Idiot“ bei dem permanenten und trotz aller Friedensparolen vom Kreml keineswegs aufgegebenen Ringen um die Weltrevolution. Von der Sowjetunion bekommt er Kalaschnikows, von dem verrückten Antikommunisten el Gaddafi in Libyen Öldollars.

Die libanesischen Sicherheitsorgane und westliche Geheimdienste von der ETA bis zum Mossad sind sich darüber einig, daß überall, wo im Libanon Blut fließt, Habaches fanatische Berufsmörder die Hände im Spiel haben. Solarige sie dieses Spiel ungestört spielen können, wird es weder im Libanon noch im Nahen Osten Ruhe geben.

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