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Steht es wirklich in den Sternen ?

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Mode, Gesellschaftsspiel, Geheimlehre? Die Sterndeutung ist von der modernen Wissenschaft als Aberglauben entlarvt worden, trotzdem beschäftigen sich immer mehr Menschen mit Astrologie. Warum eigentlich?

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Mode, Gesellschaftsspiel, Geheimlehre? Die Sterndeutung ist von der modernen Wissenschaft als Aberglauben entlarvt worden, trotzdem beschäftigen sich immer mehr Menschen mit Astrologie. Warum eigentlich?

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Die Meinung, daß Gestirne deutlichen Einfluß auf das Großgeschehen auf der Erde und speziell sogar auf Charakter und Schicksal des Menschen hätten, kann gegenwärtig in scheinbar höherem Maß als früher angetroffen werden. Die Frage ist interessant, welche Gründe hiefür bestimmend sein mögen.

Die astrologischen Deutungsregeln, so unterschiedlich und gelegentlich auch himmelsfremd sie üns heute entgegentreten, sind doch aus Vorgängen am Himmel abgeleitet worden, die von jedem naturnahen Menschen schon mit freiem Auge unschwer verfolgbar sind. Deshalb konnten viele von ihnen bereits im Altertum festgelegt werden - also in einer Zeit, in welcher das Geschehen am Himmel den Anschein einer rätselhaften Gesetzmäßigkeit besitzen mußte und man noch ehrlichen Herzens glauben konnte, in jenem dem menschlichen Zugriff so absolut entzogenen Teil der Natur dem Wirken der Götter unmittelbar zu begegnen.

Im Mesopotamien des ersten vorchristlichen Jahrtausends finden wir sogar eine sehr ernstgenommene Gestirnreligion, deren beamtete Priesterschaft von hohen Tempeltürmen Himmelserscheinungen beobachtete und sie den Großereignissen auf der Erde gegenüberstellte. So hoffte man, etwaige Beziehungen zu entdek- ken.

Um welche Phänomene ging es dabei?

Der monatliche Phasenwechsel des Mondes bot nicht nur die dazu unerläßliche Grundlage eines mehr oder weniger gut geregelten Kalenders, sondern er lenkte auch die Aufmerksamkeit der Beobachter auf die Tatsache, daß der Mond nur einen schmalen Gürtel am Himmel durchläuft. Seine Bewegung konnte an den Einzelheiten der dort sichtbaren Sternbildfiguren überwacht werden, die auch die Kulisse für das viel langsamere, aber auch kompliziertere Wandern der hellen Planteten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn bot, die dem freien Auge nur als in diesen Sternbildern überzählige Lichtpunkte erscheinen. Ihr gesetzmäßiges Erscheinen und Verschwinden im Strahlenkranz der Sonne führte zur Erkenntnis, daß auch sie diese schmale Zone — einmal im Jahr — durchmißt.

Die besonderen Auffälligkeiten in der Bewegung dieser sieben freisichtigen „Wandelgestirne“, ihre gegenseitigen Begegnungen und selbstverständlich Beginn und Ende der jeweiligen Sichtbarkeitsperioden von Mond und Planeten boten viele Anhaltspunkte, darin Willensäußerungen der Götter zu erblicken und eventuelle Folgen auf Erden zu registrieren.

Als beim Wiederkehren der gleichen Himmelsereignisse aber meist nicht die gleichen irdischen Auswirkungen eintraten, wurde vermutet, daß auch der Platz der jeweiligen Erscheinung in diesem durch den Lauf der Wandelgestirne ausgezeichneten, schmalen Gürtel — der Tierkreiszone — bedeutsam sein könnte. So mag es zu dem Versuch gekommen sein, diese mögliche Lageabhängigkeit durch Teilung des Tierkreises in zwölf und später fallweise noch mehr gleichlange Abschnitte, die Tierkreiszeichen, zu erfassen.

Sie sollten nicht nur unterschiedlich auf die in ihnen stehenden Wandelgestirne wirken, sondern auch allein, je nach ihrer Lage zum Horizont des betreffenden Beobachtungsortes, Einflüsse ausüben können.

Die Wirkungen, die heute den Wandelgestirnen und Tierkreiszeichen zugeschrieben werden, sind also schon in alten Zeiten gemäß „natürlichen Analogien“ festgelegt worden, beispielsweise:

Sonne = Schaffen; Venus = Fühlen; Mars = Wollen; Mond = Empfinden; Jupiter = Glauben; Merkur = Denken; Saturn = Begrenzen.

Bei den Tierkreiszeichen, deren Namen von den leicht am Himmel sichtbaren» im Spätaltertum mit ihnen lagemäßig übereinstimmenden Tierkreissternbildern übertragen wurden, sollten die von Widder bis Jungfrau „aufbauend“ und jene ihnen jeweils gegenüberliegenden, Waage bis Fische, „abbauend“ wirken. Sie bilden somit folgende sechs Gegensatzpaare:

Widder = Entstehung / Waage = Ausgleich;

Stier = Bewahrung / Skorpion = Zerstörung;

Zwillinge = Verbindung / Schütze = Trennung;

Krebs = Vermehrung / Steinbock = Verminderung;

Löwe = Herrschaft / Wassermann = Aufruhr;

Jungfrau = Wirklichkeit / Fische = Unwirklichkeit.

In der Praxis der Astrologie hat ein Wandelgestirn oder Tierkreiszeichen eine viel umfassendere Wirksamkeit, als hier mit nur einem Wort jeweils angegeben wurde.

Die Astrologie versucht nun, jeden Augenblick der verrinnenden Zeit durch den zu diesem Zeitpunkt am betreffenden Ort vorliegenden Himmelsanblick zu qualifizieren, wobei sich dieser Himmelsanblick nur auf die sowohl über als auch unter dem Horizont liegende Tierkreiszone mit den Wandelgestirnen beschränkt.

Die Darstellung des von seiner Nordseite her gesehenen Tierkreises samt Wandelgestirnen heißt Horoskop, es soll etwa den Zeitpunkt der Zeugung oder jenen der Geburt qualifizieren. Diesem Himmelsanblick überlagern sich nach und nach die ihm für diesen Ort der Erdoberfläche folgenden; das ganze Menschenleben soll demnach unter Gestirneinfluß ablaufen, ja, manche „Geburtsprägungen“ sollen sich sogar vererben.

Wir sehen, daß von der ganzen astronomischen Umwelt nur Gestirne des Sonnensystems und das Schema des zwölfgeteilten Tierkreises berücksichtigt werden. Die erwähnten Wirkungszuordnungen sind in einer naturwissenschaftlich nicht begründbaren Weise getroffen worden.

Ein sehr maßgeblicher Faktor für das gestiegene Interesse, das die Astrologie trotzdem heute findet, liegt sicher im Wissensdrang des Menschen, Unerforschtes zu ergründen. Der Mensch steht ja in einer Umwelt der Gestirne, deren Einwirkungen auf ihn zu erkunden, Suche nach Erkenntnis bedeutet. So hat die Astrologie etwa auch der große Astronom Kepler aufgefaßt, aber gleichzeitig ihre Methoden — obwohl er sie notgedrungen anwandte — kritisiert: Vieles von dem, was zu der Zeit, als die Grundlagen der Astrologie entstanden, als Werk der Götter erscheinen mußte, war schon zu Keplers Zeit natürlich erklärbar. Es ist daher verständlich, daß es heute erst recht Bestrebungen zu einer Art Astrologie auf naturwissenschaftlicher Basis gibt.

Weiters hat der rasche technische Fortschritt jenes übersteigerte Rückbesinnen auf die Natur bewirkt, das gegenwärtig auch der Astrologie nützt. Die allgemeine Verunsicherung bezüglich des Ranges bisher für wichtig gehaltener Werte begünstigt die Suche nach „wahren Werten“, die in „altem Geheimwissen um Beziehungen Mensch — Kosmos“ vermutet werden.

Immer haben sich aber Menschen mit der Astrologie dann besonders befaßt, wenn sie unter seelischen Belastungen standen, in assoziatives Denken verfielen und nach „Zeichen“ am Himmel suchten.

Astrologische Praxis gegen Entgelt ist bei uns durch Gesetz verboten. Die Existenz vieler praktizierender Astrologen ist aber ein offenes Geheimnis. Es kommt leider nachweislich vor, daß gelegentlich einer von ihren Kunden, der für ihn ungünstigen Prognose gegenüberstellt, dies nicht verkraftet und unter erhebliche seelische Belastung gerät. Würde selbst alles so stimmen, wie sich das alle Astrologen wünschten, sie könnten höchstens Zusammenhänge aufdecken — aber keine Aussicht auf eigene Beeinflußungsmöglichkeiten bieten. Ein Trost bleibt: Menschenschicksal ist nun einmal so komplex geblieben, wie es eh und je war — dagegen ist es so einfach geworden wie nie zuvor, die Bewegungen der Gestirne zu berechnen.

Der Autor ist wissenschaftlicher Leiter des Planetariums und der Urania-Sternwarte in Wien.

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