7021938-1988_48_07.jpg
Digital In Arbeit

Steiermarks Paradefrau

19451960198020002020

Seit Juni dieses Jahres sitzt eine Frau an wichtigen Schalthebeln der steirischen Politik. Mit der Landesrätin für Wirtschaft und Fremdenverkehr, Waltraud Klasnic, sprach die FURCHE über Zukunftsstrategien und persönlichen Arbeitsstil.

19451960198020002020

Seit Juni dieses Jahres sitzt eine Frau an wichtigen Schalthebeln der steirischen Politik. Mit der Landesrätin für Wirtschaft und Fremdenverkehr, Waltraud Klasnic, sprach die FURCHE über Zukunftsstrategien und persönlichen Arbeitsstil.

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Einige Bundesländer haben bereits Sonderwünsche für die Verhandlungen mit der EG angemeldet. Welche Forderungen stellt die Steier-

WALTRAUD KLASNIC: Einen möglichen Beitritt können wir in der Steiermark natürlich nicht allein steuern. Bei uns ist jedenfalls die Grundstimmung positiv, es gibt vollste Unterstützung für ein Ansuchen in Brüssel. Wir sind davon überzeugt, daß in Summe die wirtschaftlichen Vorteile überwiegen. Derzeit wird aber noch von der steirischen Handelskammer eine Kosten-Nutzen-Rechnung für die einzelnen Branchen erstellt, um in der Folge eventuelle Nachteile abwenden zu können. Unsere Hauptaufgabe sehe ich darin, die Steirer ausreichend über den Binnenmarkt zu informieren.

FURCHE: Wie sieht Ihre Marschroute zur Europareife aus?

KLASNIC: Ich glaube an die Kraft der Unternehmer und daran, daß sie ihr Bestes geben werden. Deshalb haben wir auch kürzlich die erste „steirische Wirtschaftsmilliarde“ vorgestellt. Diese Kreditaktion von Banken und dem Land Steiermark ist speziell für die mittelständischen Unternehmen gedacht. Sie beginnt mit 1. Jänner 1989 und läuft drei Jahre. Um diesen Kredit können alle Klein- und Mittelbetriebe — vom Fremdenverkehr bis zum Handelsunternehmen — ansuchen. Es gibt keine regionale Beschränkung, pro Betrieb beträgt die Obergrenze 15 Millionen Schilling. Das Land schießt eine vierprozentige Zinsstützung auf fünf Jahre zu. Das Geld darf jedoch nicht der Anschaffung von Kraftfahrzeugen oder der Ausstattung von Büros dienen.

Wir haben bei dieser Aktion auch ein Zeichen der Entbürokra-tisierung gesetzt: Die technische

Abwicklung ~~~“~~—~~“~~~ des Antrages übernehmen die Banken, aber jeder Antrag auf Zinsstützung muß vom Land innerhalb von zwei Monaten bearbeitet beziehungsweise erledigt werden. Die bisherigen Förderungen auf Landes- und Bundesebene für die mittelständische Wirtschaft bleiben natürlich auch weiter bestehen.

FURCHE: Wir brauchen aber nicht nur „europäische Unternehmer“.

KLASNIC: Deshalb wird ein weiterer Schwerpunkt die Bildungspolitik sein. Wir brauchen vor allem qualifizierte Facharbeiter, die über eine solide Grundausbildung verfügen. Ab dem kommenden Schuljahr gibt es in den steirischen Berufsschulen auch Maturaklassen, um Maturanten eine chancenreiche Berufsausbildung zu gewährleisten. In der Bundesrepublik sind beispielsweise laut Umfragen rund 20 Prozent der Maturanten bereit, einen Handwerksberuf zu ergreifen. Bei uns sind es leider nur 0,6 Prozent. Es muß die händische Arbeit wieder höher eingeschätzt und anerkannt werden. Wir leben allerdings in einem Land, in dem Berufsbezeichnungen das soziale Image prägen. Es wird daher österreichweit notwendig sein, über solche neuen Benennungen nachzudenken, die eine Matura plus Facharbeiterausbildung signalisieren.

FURCHE: Reicht das aus, um den Facharbeitermangel zu beseitigen?

KLASNIC: Dieser Mangel hat verschiedene Ursachen. Wir haben zum Beispiel schon jetzt rund 20.000 Oststeirer, die in der Bundeshauptstadt arbeiten. Seit Jahren gibt es auch Pendlerbeihilfen. Aber es fehlt uns noch immer an gut ausgebauten Verkehrswegen, aber auch an Bereitschaft, längere Anfahrtszeiten in Kauf zu nehmen. Die Arbeitnehmer müssen flexibler werden.

FURCHE: Müssen Sie zur Durchsetzung Ihrer Pläne wie eine „eiserne Lady“ agieren?

KLASNIC: Ich fühle mich nicht so, sondern eher als Partnerin meiner männlichen Kollegen. Natürlich ist es nach wie vor schwer für die Frauen, in Wirtschaft und Politik Fuß zu fassen und sich durchzusetzen. Aber die Steire-rinnen haben nicht lockergelassen und schon einiges erreicht. Ich selbst habe jahrelang intensiv für die Partei gearbeitet, war im Landtagspräsidium, im Bundesrat, bin seit elf Jahren die Landesleiterin der ÖVP-Frauen ... Welche Funktionen ich auch innegehabt habe — meine Nachfolgerin war immer eine Frau. Ich glaube, es hat bereits ein Bewußtseinswandel stattgefunden. Wenn man heute für bestimmte Funktionen Frauen vorschlägt, dann kann man damit rechnen, daß sich welche finden und daß diese auch an die Reihe kommen.

FURCHE: Ist es notwendig, den Arbeitsstil der Männer zu imitieren, um anerkannt zu werden?

KLASNIC: Ich habe gemerkt, daß es schon darauf ankommt, sich als Frau einzubringen. Das heißt aber nicht, daß man sich von den Männern distanzieren muß. Man muß sich auch nicht dauernd zu Wort melden, um Gehör zu finden. Auch nicht so tun, als ob man auch als Frau die schärfsten Getränke aushält. Ich komme mit meinen Kollegen sehr gut aus. Ich glaube, es liegt daran, daß ich gerne im Team arbeite und mich auch anpassen kann. Und was die Arbeitszeit betrifft: Daß politische Funktionen nicht gerade das Familienleben erleichtern, ist klar. Wer einen politischen Spitzenjob hat, muß natürlich mit einer entsprechenden Arbeitszeit rechnen. Allerdings versuche ich immer, vor Mitternacht einen Schlußstrich unter meinen Arbeitstag zu ziehen.

Mit der Landesrätin für Wirtschaft und Fremdenverkehr sprach Elfi Thiemer.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung