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Steirertum unserer Tage

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Eigenständigkeit und Selbstbewußtsein — von diesen Grundlagen ausgehend, wird der steirische Weg fortgesetzt. Diese Gesinnung prägt das Steirertum unserer Tage, wie wir hoffen, in allen Lebensbereichen, da es auch mit dem Wissen verbunden ist, daß wir heute wie in der Vergangenheit um den Fortschritt unseres Landes ringen müssen. Die vagen Hoffnungen, es werde sich ohnedies möglichst viel von selbst ergeben, treten bei uns weniger in Erscheinung. Wir können auch bei unserer Jugend mit Freude feststellen, daß sie sehr entschlossen ihre Ziele anvisiert; die Gründung einer Existenz und der darauffolgende Aufstieg ist ihr ein ernstes Anliegen. Diese positiven Zeichen ermutigen, die steirische Zukunft, sofern nicht unvorhersehbare Störungen verursacht werden, optimistisch zu beurteilen. Durch die Stärkung unserer Wirtschaftskraft erwarten wir uns, im kulturellen und sozialen Bereich weitere Fortschritte zu erzielen. Was immer für Entwicklungen eintreten, unsere Landespolitik ist bemüht, sich nach Schwerpunkten zu orientieren. Die Vielzahl der Probleme, die sich uns stellen, zwingen uns zu einer solchen Vorgangsweise, ansonsten wären wir schon längst nicht mehr imstande, die vordringlichen Gemeinschaftsaufgaben ohne Dramatik zu erfüllen. Unsere Probleme konzentrieren sich in der Landeshauptstadt Graz und in ihrem Umland, Im obersteirischen Industriegebiet, das heißt in der Mur- und Mürzfurche und in den einseitig orientierten agrarischen Gebieten, in den Fremdenverkehrszonen sowie in wirtschaftlich schwachen Gebieten, wie z. B. im Grenzland und in extrem gelegenen Gebirgsgegenden.

Auf diese großen Gemeinschaftsaufgaben im Sinne der wirtschaftlichen und sozialen Existenzsicherung unserer Bevölkerung haben wir uns fortgesetzt zu besinnen. Deshalb wird jeder Verzettelung öffentlicher Gelder und einem ausschließlichen Verteilungsmechanismus der Kampf angesagt. Mit Intensität bemühen wir uns um entsprechende Verkehrserschließung von der Autobahn bis zu den Güterwegen. Pyhrnautobahn und Südautobahn sind die großen Verkehrsadern, die die Steiermark für die Zukunft aufschließen. Bei Fertigstellung dieser Autobahnen sind wir in ein internationales Fernverkehrsnetz eingeordnet, das von der Nordsee bis zur Adria reicht. Die Detailprojektierung für die Südautobahn für den gesamten Abschnitt Hartberg—Graz—Pack ist projektionsgemäß abgeschlossen, die Perspektiven auf die Finanzierung der nächsten Jahre sind jedoch enttäuschend, so daß wir weitere Verzögerungen beim Ausbau der Südautobahn befürchten.

Was den Bau der Pyhrnautobahn anlangt, so wurde das Finanzierungsgesetz beschlossen; der Bau und der spätere Betrieb der Pyhrnautobahn von St. Michael ob Leoben nach Deutschfeistritz wird dazu führen, daß die Strecke Graz—Bruck—Sankt Michael um etwa 30 km verkürzt wird. Diese Autobahn wird im besonderen auch der Intensivierung des Wirtschaftsdreieckes Wien—Linz— Graz dienen. In der regionalen Wirtschaftspolitik bemühen wir uns um eine standortgerechte Streuung der Betriebsansiedlungen und Erweiterungen sowie die Bedachtnahme auf den Fremdenverkehr. Immerhin haben wir, um ein Beispiel anzuführen, einen Plan erarbeitet, wonach es möglich wäre, in der Steiermark bis 1980 2,5 Millarden Schilling für den Fremdenverkehr zu mobilisieren. Diese Mittel würden dazu dienen, um einerseits die Infrastruktur des Fremdenverkehrs zu verbessern, zum anderen die Voraussetzung zu schaffen, daß weitere 30.000 Fremdenbetten verfügbar werden. Trotz sichtbarer Fortschritte in der Wirtschaftsförderung, wie z. B. der An-siedlung der Fa. Siemens in Deutschlandsberg, der Fa. Philips südlich bei Wildon, der Fa. Pegulan in Hartberg usw. sind unsere wirtschaftlichen Aktivitäten von der Sorge um die weitere Entwicklung des obersteirischen Industriegebietes überschattet. Trotz gegenteiliger Ankündigung liegt kein umfassendes Konzept für unsere Eisen- und Stahlindustrie sowie den Bergbau vor, lediglich Diskussionsbeiträge wurden geliefert und damit letzten Endes auch eine Welle von Gerüchten ausgelöst. Tatsache ist, daß zweifellos die Frage zu beantworten sein wird, inwieweit Arbeitnehmer umgeschichtet werden sollen oder nicht. Die steirische Landespolitik bezieht hier eine eindeutige Stellungnahme. Vom Bund als dem Eigentümer der verstaatlichten Industrie erwarten wir, daß Entscheidungen getroffen werden, die die Substanz der verstaatlichten Industrie anreichern. Zweifellos eine mühselige Aufgabe, die jedoch wahrgenommen werden muß. Als Landesregierung können wir nur festhalten: Jede Schwächung der steirischen Industriestruktur wird abgelehnt. Sollten tatsächlich Produktionszweige verlagert werden, muß an Stelle dessen etwas Neues geschaffen werden, und zwar Zug um Zug. Diese grundlegenden Entscheidungen, die tausende Familien betreffen, können nicht ohne uns gefaßt werden, die ÖIAG kennt diese unsere Auffassung und hat im Prinzip unsere Forderung anerkannt. Schließlich müssen wir darauf bestehen, daß bei allen Überlegungen die gesamtvolkswirtschaftlichen Gesichtspunkte gesehen werden. Es geht nicht an, zwei, drei Wirtschaftszentren in Österreich zu schaffen und den übrigen Teil des Landes zu einem Wirtschaftsgebiet zweiter und dritter Ordnung zu erklären. Eine derartige Industriepolitik wäre keine Politik, sondern bestenfalls ein konsequentes Verfolgen von Egoismen, die mit pseudoökonomischen Mäntelchen verdeckt werden. Die Landesregierung wird darüber hinaus weiter ihre Förderungsmaßnahmen fortsetzen, um private Initiativen zu stützen, sei es in der Industrie, dem Gewerbe und der Landwirtschaft. Wir haben bisher noch immer die Mittel aufgebracht, sei es durch Kredite und Zinsenzuschüsse, sei es für Beihilfen bei der Aufschließung von Industriegelände. Für den Ausbau unseres Bildungswesens ist die Rangordnung festgelegt. Für die Hochschulen ist der Bund zuständig, unser Landes-bauamt verantwortet jedoch den Bundeshochbau und erstattet Vorschläge. Das Bauprogramm 1972 ist zufriedenstellend. Für die Hochschulen stehen jedoch im gesamten Bundesgebiet zu wenig Mittel zur Verfügung, deshalb befürchten wir, Vorfinanzierungen auf Sicht vornehmen zu müssen. Diese Vorfinanzierung beschränkt zwangsläufig unsere Förderungsmittel in anderen Sektoren. Auf jeden Fall bekennen wir uns zu den Anliegen unserer Hochschulen und sind der Auffassung, daß mit den normalen Budgetmitteln nicht mehr das Auslangen gefunden werden kann. Im Bereich des Pflichtschulwesens werden wir mindestens 1, Milliarden S einsetzen müssen, um das Bauprogramm abzuschließen. In der laufenden Legislaturperiode sind wir dazu nicht imstande.

Was das Schulentwicklungsprogramm der allgemeinbildenden und berufsbildenden höheren Schulen anlangt, so wird bis zum Jahre 1980 ein Zustand erreicht sein, der eine zufriedenstellende bildungsmäßige Aufschließung der Steiermark gewährleistet.

Mit diesen Gedankengängen wurden einige Probleme der Landespolitik erwähnt. Entscheidend wird nach wie vor sein, daß die Menschen unseres Landes mit beiden Füßen auf dem Boden stehen, keinen Illusionen nachhängen und wie bisher ihre Pflicht erfüllen und das Gleichmaß des geistigen und materiellen Fortschrittes beachten. Ich bin überzeugt, daß diese Gesinnung uns auch in der Zukunft, mag sie noch so bewegt sein, erhalten bleibt.

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