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Stenogramm

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Der jetzige Leiter des Londoner Instituts für Zeitgeschichte und Professor an der Brandeis University, dessen Werke über Rußland und Deutschland und die deutschen Jugendbewegungen in bester Erinnerung sind, schildert die Entwicklung Europas seit 1945 sowohl unter sozialen, ökonomischen und kulturellen Gesichtspunkten. Was dabei durch die Fülle der Einzeltatsachen zu einem faszinierenden Gesamtbild vereint wird, ist nicht nur als eine große Leistung anzusehen, sondern ein erstmaliger Aufriß von Wiederaufbau und Spaltung der westlichen Welt seit dem Ende des zweiten Weltkriegs. Dalbei hat Laqueur nicht nur die politischen Elemente der einzelnen Staatengeschicke berücksichtigt, sondern auch die Wirtschaft, die Kultur, das militärische Gleichgewicht und die Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur geschildert, so daß ein umfassendes Bild entsteht, dessen Ergänzung das gute Literaturverzeichnis bildet.

EUROPA AUS DER ASCHE. Geschichte seit 1945. Von Walter La quer. Axel-Juncker-Verlag, München-Zürich-Wien 1970. S 490.—.

Gleichgewicht?

Nun darf das Volk wieder einmal „mitmischen”, und die kommenden Bundespräsidentenwahlen werden sicher ein interessantes Bild der Situation in Österreich ergeben. Beide Kandidaten sind integre Persönlichkeiten, doch hat Franz Jonas voraus, daß ein amtierender Präsident nicht leicht „abgewählt” wer den wird. Anderseits hat Jonas in den Augen des Österreichers einiges verloren, weil er bei der Berufung der Regierung Kreisky zu schnell mit dem „Aus-der-Taufe-Heben” war, ohne, wie seine Vorgänger Renner, Körner und Schärf, alle vorhandenen Möglichkeiten intensiver ins Auge zu fassen.

Umgekehrt hat auch Dr. Kurt Waldheim seine Probleme, und es ist ihm sicher nicht leichtgefallen, die große internationale Welt, die Bühne seines bisherigen Lebens, zu verlassen. Dies zeichnet ihn aber um so eher als echten Österreicher aus. Es ist nicht nur der „neue Stil” des niederösterreichischen Lehrersohnes, sondern Waldheim scheint mir wirklich derzeit einer der wenigen Österreicher zu sein, die bei „Freund und Feind” gleich gutes Ansehen besitzen.

Und wenn Dietmar Schönherr in seinem Wahlaufruf für Jonas meint: „Laßt Kreisky und sein Team ungestört arbeiten”, dann vermisse ich jene Gegenüberstellung, die seinerzeit unter Figl, Raab und Gorbach immer wieder den sozialistischen Kandidaten in den Sattel geholfen hat: „Gut, laßt Kreisky und sein Team Weiterarbeiten — aber unter dem Präsidenten Waldheim —, dann sind dieselben Voraussetzungen und Kontrollmöglichkeiten gegeben wie früher, unter umgekehrten Bedingungen.”

Ing. Friedrich W alt e r skir che n Krems *

Universitäts- und Hochschulprofessoren, Generaldirektoren, Primarii, Akademiker, Schauspieler und Sportler empfehlen uns, den derzeit amtierenden Bundespräsidenten neuerlich zu wählen. Männer des Gehirns und der Muskeln stellen fest, daß ihr Mann Jonas die Wiederwahl deshalb verdiene, weil er bisher korrekt gehandelt und außerdem sich bewährt habe. Von einem Bundespräsidenten kann man wohlweislich mehr verlangen als die angeführten Eigenschaften, denn solche setzt man schon bei einem Gelegenheitsarbeiter voraus.

Die beiden Präsidentschaftskandidaten starten zu ungleichen Bedingungen, und das nennt man Demokratie. Der korrekte Jonas, so liest man auf den Plakaten, hätte in dem Moment, als er seine Bereitschaft seinen Parteifreunden gegenüber äußerte, eine Wiederwahl anzunehmen, sein Amt niederlegen müssen. Jetzt aber zieht er von Versammlung zu Versammlung und läßt sich als lieben alten Herrn feiern, als ersten Mann im Staate und als unparteiisches Staatsoberhaupt. War er denn bisher nur mit halber Seele Parteimann und hat er seine Parteigenossen irregeführt? Weshalb kommt Jonas der Aufforderung, eine staatspolitische Diskussion mit Doktor Waldheim zu führen, nicht nach? Die Diskussion sollte im Fernsehen übertragen werden. Jonas lehnte ab, Weshalb? War das eine undemokratische Forderung? Ist Demokratie nicht Diskussion? Glaubt er, daß ei Dr. Waldheim nicht gewachsen wäre oder hält er das österreichische Volk für politisch so unreif, daß die Wahlempfehlung einer Partei genügt? Diese Auffassung würde dem

Begriff Demokratie allerdings einen neuen Inhalt geben.

Dr. Wolfgang Franz, Wien *

Wenn wir Christen so tolerant sind, daß wir Ihren Kirchenaustritt, Herr Bundespräsident, nicht einfach mit Gesinnungslosigkeit gleichsetzen, so hätten auch Sie allen Grund, die überparteiliche Gesinnung des Herrn Dr. Waldheim zu respektieren und sie nicht als Gesinnungslosigkeit zu bezeichnen. Schließlich möchten Sie ja wieder Bundespräsident für alle Österreicher werden; auch für jene, die keiner Partei angehören. Doch wie können Sie erwarten, daß Sie von Leuten gewählt werden, die Sie jetzt indirekt als gesinnungslos hinstellen?

Maximilian Hinterreiter St. Oswald

Fern von Europa —

oder wie soll man die Situation anders nennen, die dem zu Gehör gebracht wurde, der in der ORF-

Sendung „Im Brennpunkt” am 11. März ratlos vor seinem Gerät saß, um Zeuge der kontroversen Haltung maßgebender Faktoren der kämtnerischen Sprachgruppen zu sein. Es ging um das Verständnis für die zwischenstaatlich längst vereinbarte Anbringung von doppelsprachigen Ortstafeln in Minderheitsgebieten, wobei sich im Verlauf der Diskussion herausstellte, daß — wie die deutsche Gruppe argumentierte — zuerst das Vorhandensein und die Stärke einer slowenischen Minderheit amtswegig erhoben werden müßte. Da es aber bei einem solchen Überprüfungsvorgang nicht ganz von der Hand zu weisen sei, daß unerwünschte Spannungen ent stehen könnten, meinte der befragte Außenminister, daß bedauerlicherweise derzeit nicht die Voraussetzungen für eine baldige Lösung der strittigen Frage gegeben seien.

Es ist zu fragen, ob man wirklich der Zeit die Regelung überlassen ‘ soll. Oder wäre es nicht doch besser, ohne einer definitiven, legalen Regelung vorzugreifen, einer schnellen, allgemein menschlichen FestL Stellung der Minderheit das Wort zu reden? Etwa dadurch, daß man auf den Friedhöfen der in Betracht kommenden Pfarr gemeinden die Grabinschriften auf die gegebene i Fragestellung hin überprüft und

■ dann bei einer hinreichenden,

■ offensichtlichen Anzahl von slowe- i nischen Totenerinnerungen auf die

■ mahnenden Stimmen der Verstorbe- t nen achtet. Es wird dann eine Sache

■ des guten Willens sein, in den : gegebenen Fällen zweisprachige

■ Ortstafeln anzubringen.

1 Dr. Alexander F antl, Wien

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