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Sternförmig wuchs das Stadtbild Roms

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Derzeit findet im Palazzo Venezia in Rom eine Ausstellung „Rom zur Zeit von Sixtus V." statt. Zehn Jahre dauerte die Vorbereitung dieser riesigen Schau, in der versucht wird, die Tragweite des kurzen, nur fünf Jahre dauernden Pontifikates des letzten großen Renaissancepapstes Sixtus V. (1521-1590) auf architektonischem, künstlerischem, urbanisti-schem und kulturellem Gebiet zu zeigen.

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Derzeit findet im Palazzo Venezia in Rom eine Ausstellung „Rom zur Zeit von Sixtus V." statt. Zehn Jahre dauerte die Vorbereitung dieser riesigen Schau, in der versucht wird, die Tragweite des kurzen, nur fünf Jahre dauernden Pontifikates des letzten großen Renaissancepapstes Sixtus V. (1521-1590) auf architektonischem, künstlerischem, urbanisti-schem und kulturellem Gebiet zu zeigen.

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Sixtus V. wurde 1521 in ärmsten Verhältnissen in einer Grotte in Grot-tammare in der Region Marche geboren: Feiice Perretti, später Papst Sixtus V., war zuerst Hirte in der Umgebung von Montalto, bevor er in den Franziskanerorderi eintrat und als genialer Prediger so bekannt wurde, daß Pius V., der große Papst der Gegenreformation, auf ihn aufmerksam wurde und ihn 1570 zum Kardinal erhob. Als Feiice Perretti dann 1585 clen Thron Petri bestieg, brachte er es mit eisener Hand zustande, in seinem nur fünf Jahre dauernden Pontifikat das Bild der Stadt Rom vollkommen zu verändern.

Mit Hilfe des Tessiner Architekten Domenico Fontana schuf er den ersten modernen Stadtbauplan, an dem sich später Paris, London, Wien und Berlin inspirierten. Die offizielle Residenz der Familie Perretti war die Villa Montalto mit dem sogenannten „Palazzo alle Tenne" oder Termini, der Ende des vorigen Jahrhunderts beim Bau des römischen Bahnhofes Stazione Termini völlig zerstört wurde. Durch einen Glücksfall hat man nun die verlorengeglaubten prachtvollen Fresken des Prunksaales dieses Gebäudes wiedergefunden, die die städtebaulichen, architektonischen und künstlerischen Werke darstellen, die Sixtus veranlaßt hat.

Anhand einer reichhaltigen Sammlung von Originalzeichnungen und Texten sieht man in dieser in sechs Sektoren geteilten Großausstellung, wie in nur 18 Monaten die Kuppel des Petersdomes nach den Zeichnungen Michelangelos vollendet wurde, wie der Lateranpalast, die „Scala Santa" und Teile des Vatikan- und des Quiri-nalpalastes entstanden.

All diese Gebäude wurden vollkommen mit Malereien ausgestattet. Künstler aus allen Teilen Italiens und Europas schufen in kürzester Zeit Tausende Quadratmeter Fresken, von denen hier Vorbereitungszeichnungen und audiovisuelle Darstellungen präsentiert werden. Gleichzeitig werden Führungen an die jeweiligen Orte angeboten.

Für einen nicht gründlich vorbereiteten Besucher ist die Ausstellung allerdings schwierig zu verstehen. Beschriftungen sind unvollständig und in den riesigen Sälen schlecht beleuchtet oder liegen flach in den Vitrinen, sodaß man sie nicht lesen kann. Trotzdem ist diese Schau von größter Wichtigkeit, wie Vittorio Franchetti Pardo, Professor für Geschichte der Architektur an der Universität Rom bestätigt:

„Es ist das erste Mal, daß man an einem Ort die vollständige Dokumentation der ungeheuer großen und sehr komplizierten Umwälzungen im Stadtbild Roms verfolgen kann, die unter Sixtus V. stattgefunden haben. Er hat Rom aus einer Stadt der Spätrenaissance in eine Stadt mit modernen Perspektiven verwandelt. Dabei ist zu sehen, wie das berühmte Straßensystem entstanden ist, das die großen Basiliken untereinander verbindet. Es wurde auch damals schon für ein Symbol gehalten und als sternartiges System interpretiert, das die Stadtanlage der hochgelegenen Viertel zwischen Stazione Termini, Quiri-nal und Esquilin regulieren sollte."

Franchetti Pardo erklärt, daß dieser Stern so wichtig war, daß er als Symbol für andere in verschiedenen Teilen Roms gelegene architektonische Monumente verwendet wurde. Man brachte den Stern sogar auf den Obelisken an, die an den bedeutendsten Punkten der Stadt aufgestellt wurden. Besonders interessant ist das mit Stichen ausgestattete Traktat über den Transport und die Aufstellung des Obelisken auf dem Petersplatz. An diesem gigantischen und äußerst komplizierten Unternehmen waren 40

Winden, 140 Pferde und 800 Menschen beteiligt.

Fast leichtfertig mutet die Beziehung dieses Papstes zu den Monumenten des Altertums an, der ein ganzer Ausstellungssektor gewidmet ist. Einerseits veranlaßte er die Restaurierung der Mark Aurel-Säule und ließ damit das Altertum durch die bekanntesten Bildhauer jener Zeit neuinterpretieren (was hier anhand von wunderbaren Zeichnungen aus dem Museum von Kopenhagen zu bewundern ist). Andererseits wollte er das Kolosseum in eine Spinnerei umwandeln, da er eine produktive gewerbetreibende Mittelklasse heranziehen wollte, um die Übermacht der Aristokratie zu brechen; dabei sollte besonders die Seiden-und Wollverarbeitung entwickelt werden.

Den Übergang zum barocken Rom kann man auch anhand der ausgestellten Altarbilder verfolgen, denen der letzte Sektor der Schau gewidmet ist. Die Ausstellung ist bis 30. April im Palazzo Venezia zu sehen, der bekanntlich bis 1916 in österreichischem Besitz war und die österreichische Botschaft beherbergte.

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