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STERNMARSCH AUF BOSNIEN

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Zwischen Islam und Christentum besteht ein tiefgreifender Unterschied - trotz der gemeinsamen Wurzel in der altestamentarischen, jüdischen Offenbarung von dem einen Gott und seinen Propheten: Im Islam sind religiöser Glaube und politische Macht, also Religion und Politik untrennbar miteinander verbunden." So skizziert Kardinal Franz König ein Hauptproblem des Christlich-Islamischen Dialogs.

Natürlich besteht dabei die Gefahr, daß Vertreter einer Religion, die die Aufklärung mitgemacht und nach einem schmerzvollen Prozeß die Autonomie des modernen, säkularisierten Staates und die Durchsetzung pluralistischer Werte mehr oder weniger anerkannt hat, ohne es zu wollen, als Belehrende auftreten.

Einer der Hauptreferenten bei der Konferenz in Wien, der Rechtsphilosoph Gerhard Luf, sieht diese immanente Gefahr: „Christen sollten keine Kulturmission betreiben, nicht trium-phalistisch die eigenen Erfahrungen als fortschrittlich darstellen. Auch unsere Menschenrechte, auf die wir so stolz sind, haben eine Leidensgeschichte gehabt." Gleichzeitig macht er aber auf eine andere mögliche Gefahraufmerksam: Theologen, so meint Luf, seien sich unter Berufung Bibel oder Koran „bald handelseins". „Wenn es aber konkret-juristisch wird, dann hört man auf. Es liegt offenbar in der Natur solcher Gespräche, daß sie unverbindlich bleiben."

Das möchte wohl niemand. Das Interesse an der Konferenz von islamischer Seite deutet daraufhin, daß man auch von dieser Seite Impulse erwartet. Der Leiter der Konferenz, Andreas Bsteh vom Religionstheologischen Institut der Theologischen Hochschule St. Gabriel bei Mödling, erwartet, daß die Konferenz „so fruchtbar werden soll wie möglich". Die Teilnehmer - gewissermaßen ein „Rat der Weisen" - sollen mit Hilfe des wissenschaftlichen Gesprächs Entscheidungshilfen für die Politik vorbereiten. So intendiert es zumindest Außenminister Mock.

Das konkrete Ziel laut Bsteh ist die Formulierung einer Botschaft des Friedens - als Aufruf an Christen und Moslems in aller Welt, das Gegeneinander zu überwinden. Die Konferenz als solche soll schon eine Botschaft sein: Christen und Moslems können miteinander! Und das vor dem Hintergrund der Herausforderung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) durch den Islam, nach dem Golfkrieg, inmitten des Krieges um Bosnien, während der Eskalation der Auseinandersetzungen zwischen Hindus und Moslems in Indien und des immer gefährlicher werden Kampfes der Moslembruderschaft in Ägypten gegen die Kopten.

Bsteh beginnt zu träumen - und der Traum ist es, der den Reiz dieser Konferenz in Wien trotz des Vormarsches der Islamisten ausmacht: „Was wäre", fragt Bsteh, „wenn hier in Wien die Idee entstünde, daß sich beispielsweise 20.000 Christen und Moslems in einem Sternmarsch in Richtung Bosnien begäben. Es würde Unglaubliches passieren. Die NATO könnte in Brüssel bleiben."

Es steht uns eine utopische Konferenz bevor.

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