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Steuererhöhung -Steuersenkung?

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Keine Lohn- und Einkommensteuersenkung vor 1975, erklarte Finanzminister Androsch kategorisch. Präsident Benya, im Vorjahr noch Verfechter der Steuersenkung, sekundierte. Die ÖVP machte hingegen ihre Zustimmung zur Preisregelung vor dem Sommer noch von einer Senkung der Mehrwertsteuer von 16 auf 14 Prozent abhängig und forderte dieser Tage auch eine Milderung der durch die Inflation verschärften Lohn-und Einkommensteuerprogression. Stellt das ein echtes Programm dar oder ist es nur Popularitätshascherei der Opposition, die selbst nicht die Verantwortung für das Budget trägt?

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Keine Lohn- und Einkommensteuersenkung vor 1975, erklarte Finanzminister Androsch kategorisch. Präsident Benya, im Vorjahr noch Verfechter der Steuersenkung, sekundierte. Die ÖVP machte hingegen ihre Zustimmung zur Preisregelung vor dem Sommer noch von einer Senkung der Mehrwertsteuer von 16 auf 14 Prozent abhängig und forderte dieser Tage auch eine Milderung der durch die Inflation verschärften Lohn-und Einkommensteuerprogression. Stellt das ein echtes Programm dar oder ist es nur Popularitätshascherei der Opposition, die selbst nicht die Verantwortung für das Budget trägt?

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FPÖ-Obmann Peter, offenbar entschlossen, in Sachen Steuern heuer mit der Regierung zu marschieren, warf der ÖVP auch prompt Demagogie vor: Steuersenkungen wären stabilitätspolitisch falsch.

Ähnlich hat vorher schon Finanzminister Androsch auf die Forderung nach Mehrwertsteuersenkung reagiert: Dadurch würde sich nur das Budgetdefizit erhöhen, ein Umstand, der die Inflation erst recht aufheizen müßte.

Der gelernte Österreicher kennt sich nicht mehr aus: Alle beteuern, Stabilitätspolitik treiben zu wollen und schlagen jeweils die konträren Maßnahmen vor. Wem soll er da noch glauben?

Eine generelle Mehrwertsteuersenkung um ganze 2 Prozent würde — sogar wenn sich in ihrem Gefolge das Budgetdefizit nicht erhöhen sollte — stabilitätspolitisch verpuffen. Die Festlegung des extrem hohen Satzes hat der Inflation zwar zusätzlichen Auftrieb gegeben — aber nun ist die Katze aus dem Sack und läßt sich nicht wieder einfangen.

Auch mit strengen Preiskontrollen wäre es kaum. möglich, die Weitergabe der Kostensenkung zu erzwingen, da die geringfügige Ermäßigung der Steuer im allgemeinen Kostenauftrieb einfach unterginge. Sinnvoller wäre schon-die gezielte Senkung oder Streichung der Mehrwertsteuer für ganz bestimmte Waren und Dienstleistungen.

Wie sieht es aber bei der Einkommensteuer (einschließlich Lohnsteuer) aus? Es wird häufig darauf verwiesen, daß in Deutschland diese Steuer sogar aus stabilitätspolitischen Gründen erhöht wurde (ohne Erfolg, wie sich übrigens inzwischen gezeigt hat).

Prinzipiell wäre es tatsächlich möglich, durch Erhöhung der Einkommensteuer die Inflation zu dämpfen — freilich nur unter zwei Voraussetzungen.

• Die durch die Steuererhöhung hereinkommenden Steuergelder dürften von der öffentlichen Hand nicht wieder ausgegeben werden, damit sie nicht in den Kreislauf der Wirtschaft zurückkehren und so erst recht inflationsfördernd wirken, sondern sie müßten rigoros stillgelegt werden. In Deutschland konnte aber die Opposition der Regierung nur eine verklausulierte und leicht zu durchlöchernde partielle Stillegung abringen.

• Die Steuererhöhung müßte unsozial sein, das heißt, sie müßte die kleinen Einkommen genauso treffen wie die großen, und die Gewerkschaften müßten außerdem darauf verzichten, die Nettoeinkommensverluste mit Hilfe von Lohnforderungen zu kompensieren. Nur eine Verringerung der Massenkaufkraft kann den Preisauftrieb bei indexwirksamen Massengütern von der Nachfrageseite her dämpfen.

Stabilitätspolitische Steuererhöhungen können daher nur entweder unsozial oder unwirksam sein. In Deutschland wollte man verständlicherweise nicht unsozial sein — auch die Opposition hätte dies nie gefordert — weshalb folgerichtig die Steuererhöhung auch unwirksam war, ihren Zweck verfehlte. In Wirklichkeit wollte sich die Regierung nur ein Körbchengeld machen und versah diese Maßnahme, um sie schmackhafter erscheinen zu lassen, mit dem falschen Etikett Stabilitätspolitik.

Erfolgversprechend ist daher nur der umgekehrte Weg, nämlich durch Steuersenkung zumindest die Progressionsverschärfung im Gefolge der Inflation auszugleichen — was wohl das mindeste wäre, was der Steuerzahler vom Staat erwarten dürfte. Dies wieder gäbe den an einer realen Nettolohnerhöhung' interessierten Gewerkschaften die Möglichkeit, bei den Bruttolohnforderungen etwas zurückzuhalten und den inflationsfördernden Effekt der Lohnrunde ein wenig zu mildern. Aber auch die Unternehmer hätten dann keinen Grund, die inflationsbedingte automatische Steuererhöhung durch höhere Nettogewinne kompensieren zu wollen. Steuersenkungen könnten daher — wenn ihnen andere Maßnahmen und Entwicklungen nicht entgegenwirken — sehr wohl stabilitätsfördiernd sein.

Allerdings unter einer Voraussetzung — und da kommen wir wieder auf den Einwand von Minister Androsch zurück (der selbstverständlich für die Einkommensteuer genauso gilt wie für die Mehrwertsteuer), wonach durch Verringerung der Steuereinnahmen sich das Budgetdefizit erhöhe und dadurch die Inflation wieder angeheizt werde.

Hier sitzt der Hase im Pfeffer. Die Budgetausgaben dürfen eben rtcht als fixe Größe betrachtet werden. Gerade bei ihnen muß die Stabilitätspolitik einsetzen, denn ohne Budgetbremse wird auch jede andere Maßnahme zur Inflationsbekämpfung wirkungslos bleiben. Die mindeste Forderung an den Finanzminister muß es daher sein, die Ausgaben im Etat im gleichen Ausmaß zu reduzieren, in dem sich die Steuereinnahmen durch Steuersenkung verringern.

Damit würde nämlich ein weiterer, vielleicht der wichtigste stabilitätspolitische Effekt erzielt, nämlich eine Zurückhaltung bei den öffentlichen Investitionen, beziehungsweise deren zeitliche Erstreckung, weiters vermehrte Sparsamkeit des Staates und der Gebietskörperschaften auch auf anderen Gebieten — beispielsweise dadurch, daß mit der vieldiskutierten Verwaltungsreform endlich ernst gemacht würde.

Eine der wichtigsten Aufgaben der Steuersenkung wäre es gerade, den Staat zu zwingen, weniger auszugeben. Dies bedeutet allerdings, daß diesem nicht gestattet werden darf, in ein höheres Defizit auszuweichen. Hierüber zu einem Konsens zu kommen, wäre zum Beispiel ein interessantes Thema bei Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition, das bisher noch nie angeschnitten wurde, während um weit nebensächlichere Dinge eifrig gefeilscht wird.

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