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STEUERN, SPENDEN, SUBVENTIONEN

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So verschieden die Systeme in den Nachbarländern sind, die Rolle des Staates bei der Einhebung von Kirchenbeiträgen ist dort meist größer als in Österreich.

Die deutsche Kirchensteuer ist tatsächlich eine „Steuer". Sie wird als Zuschlag zur Einkommensteuer aller Steuerpflichtigen, die der katholischen oder evangelischen Kirche angehören, vom Finanzamt eingehoben beziehungsweise gemeinsam mit der Lohnsteuer vom Dienstgeber sofort bei der Gehaltsauszahlung einbehalten. Die Kirche zahlt für das Steuerinkasso an den Staat eine nach Bundesländern unterschiedliche Abgeltung in Höhe von zwei bis fünf Prozent der eingehobenen Beträge, erspart sich aber eigene Beitragsstellen. Der Kirchensteuersatz beträgt in den meisten Bundesländern neun, in einigen acht Prozent der Lohn- oder Einkommensteuer. Darüber hinaus wird in einem Teil der deutschen Diözesen direkt durch die Pfarren ein, JfCirchgeld" ein-gehoben, das auch jene Personen leisten müssen, die nicht unter die staatliche Einkommensteuerpflicht fallen.

Da der österreichische Kirchenbeitrag nicht in Prozent der progressiven Steuer, sondern als fixer Prozentsatz des Einkommens berechnet wird, ist die Beitragshöhe nicht generell vergleichbar. Bei einem Monatsnettobezug eines Alleinverdieners mit zwei Kindern von rund 20.000 Schilling, entspricht der österreichische Kirchenbeitrag 3,7 Prozent unserer Lohnsteuer - gegenüber acht bis neun Prozent in Deutschland. In diesem Vergleich sind jedoch wichtige Aspekte noch nicht berücksichtigt.

Der deutsche Katholik zahlt auf jeden Fall den Beitrag von seinem tatsächlichen Einkommen, während die österreichische Kirche - wenn der Katholik sein genaues Einkommen nicht mitteilt - auf Beitragsschätzungen angewiesen ist. Daß sich die österreichischen Katholiken oft nicht melden, wenn ihr Einkommen zu gering geschätzt worden ist, weist leider auf eine „alte" menschliche Tradition, beim „Kirchenbeitrag" zu sparen, hin. Schon im 5. Jahrhundert vor Christus beklagt der Prophet Maleachi, daß die Menschen Gott betrügen, indem sie die kultischen Abgaben nicht in voller Höhe abliefern (Mal 3,8 ff), und die Apostelgeschichte berichtet vom Betrug des Hananias und der Saphira(Apg. 5,1-11).

Die deutsche Kirchensteuer richtet sich völlig nach den staatlichen Bestimmungen für die Steuerberechnung. Der österreichische Kirchenbeitrag berücksichtigt nicht nur ebenfalls die staatlichen Steuerfreibeträge, sondern er sieht darüber hinaus weitere kirchliche Ermäßigungen (zum Beispiel Kinderermäßigungen, Krankheitskosten) vor.

Der Einbehalt mit den staatlichen Steuern vor der Lohnauszahlung bewirkt die pünktliche Bezahlung und verhindert, daß Rückstände entstehen können. Mahnschreiben, Klagen und Gehaltsexekutionen, die in Österreich auf Kritik stoßen, kennt die deutsche Kirche daher nicht.

Insbesondere durch die Einführung der Kirchensteuer im Gebiet der ehemaligen DDR ist eine intensive Diskussion - innerkirchlich und auf politischer Ebene - ausgelöst worden. Bei einer Umfrage im Jänner 1993 haben sich 72 Prozent der Deutschen (Westen 70 Prozent, Osten 81 Prozent) für die Abschaffung der Kirchensteuer ausgesprochen. Als Alternative wird sowohl der freiwillige Beitrag als auch die Einführung einer Kultursteuer, die alle Steu-

erzahler leisten müßten, vorgeschlagen. Gleichzeitig mit diesen vermehrten Diskussionen über die Kirchenfinanzierung sind in Deutschland die Kirchenaustrittszahlen in beiden Kirchen sprunghaft angestiegen.

In Italien hat der Staat bis 1986 die Priestergehälter getragen, soweit sie aus den Einnahmen des pfarrlichen Grundbesitzes nicht gedeckt gewesen sind. Die Klerusbesoldung hat dadurch das italienische Budget 1986 bereits mit mehr als drei Milliarden Schilling belastet, was bedeutet, daß alle italienischen Steuerzahler für die Gehälter der katholischen Priester aufzukommen hatten. Daher war der Staat an einer Neuregelung, welche die Zahlungen an die Kirche mit einem bestimmten Prozentsatz der Steuer begrenzt, sehr interessiert.

Seit 1990 kann jeder Steuerzahler 0,8 Prozent seiner Einkommensteuer entweder für die Kirche oder zugunsten des Staates, der damit soziale Hilfen finanziert, widmen. Wer keine Widmung angibt, bezahlt trotzdem diesen Steuerzuschlag; die Zuteilung an Kirchen oder staatliche Einrichtungen erfolgt dann im Verhältnis der von den anderen abgegebenen Widmungen. Der Steuerzuschlag muß auch von jenen gezahlt werden, die keiner Kirche angehören. Durch Austritt aus der Kirche kann man sich daher der Zahlung nicht entziehen.

Positiv wirkt sich für die römischkatholische Kirche vermutlich das Mißtrauen der Italiener gegenüber der staatlichen Verwaltung aus: zwar haben bisher weniger als 60 Prozent der Steuerzahler eine Widmung angegeben, aber 76 Prozent dieser Widmungen entfallen auf die katholische Kirche, was für 1993 gegenüber den Vorjahren eine Erhöhung der ausbezahlten Kultursteuer bewirkt hat. Um die Italiener zu einer Widmung für die Kirche beziehungsweise zu zusätzlichen Spenden zu motivieren, sind 1991 und 1992 jeweils rund zehn Milliarden Lire (rund 90 Millionen Schilling) für kirchliche Werbekampagnen ausgegeben worden. Im Mittelpunkt der Werbung standen die sozialen Leistungen der Kirche, weshalb kritische Stimmen nun fragen, ob dies bei einer Verwendung von 50 Prozent der Kultursteuer für Priesterbesoldung legitim ist. Damit wird auch in Italien ein Dilemma kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit deutlich: Es ist leichter, für Hilfswerke finanzielle Unterstützung zu erhalten als für den kirchlichen Grundbedarf der Seelsorge.

Zu beachten ist die geringe Höhe dieses italienischen Steuerzuschlages: Während die deutschen Christen acht bis neun Prozent ihrer Einkommensteuer an die Kirchen zahlen, sind in Italien nur 0,8 Prozent der Einkommensteuer vorgesehen. Dementsprechend gering ist auch der finanzielle Spielraum der italienischen Kirche.

Mehr als die Hälfte der Kultursteuer wird für Priesterbesoldung benötigt, deckte aber zum Beispiel 1991 trotzdem nur etwa ein Drittel der italienischen Priestergehälter; der übrige Teil mußte vor allem von den Pfarren durch Spenden, deren verpflichtende Höhe pro Pfarrbewohner die Bischofskonferenz festlegt, durch die volle Anrechnung von staatlichen Religionslehrergehältern und den Rückgriff auf Rücklagen aufgebracht werden. Der Gehaltsanspruch der rund 40.000 italienischen Priester (das heißt einschließlich der Lehrergehälter und Spenden der Pfarre) wird von der Bischofskonferenz für alle 227 italienischen Diözesen einheitlich festgelegt. 1991 hat ein Priester im Durchschnitt rund 16,2 Mil-

lionen Lire Jahresgehalt erhalten (bei 14 Monatsbezügen umgerechnet rund 10.700 Schilling monatlich). Im Vergleich dazu hat der Diözesanbezug eines österreichischen Priesters rund 20.000 Schilling pro Monat betragen.

Aus diesen geringen Bezügen wird die Empfehlung der Kleruszeitschrift „La Settimana" verständlich, am Priesterseminar künftig auch Kochen und Saubermachen zu lehren, um die Priesterkandidaten auf die Führung eines Haushalts ohne Pfarrhaushälterin vorzubereiten. Denn aus den italienischen Priesterbezügen kann wohl kaum eine Haushälterin bezahlt werden.

Im Gegensatz zum Budget der österreichischen Diözesen, wo die Laienbesoldung bis zu einem Drittel des Diözesanbudgets ausmacht und in vielen Diözesen bereits höher als die Priesterbesoldung liegt, ist im italienischen Haushaltsplan kein eigener Posten für die Personalkosten der Laien vorgesehen. Das bedeutet, daß zum Beispiel die in Österreich nicht mehr wegzudenkende Mitarbeit von Pastoralassistent(inn)en, Jugendlei-ter(innen), Pfarrsekretär(inn)en und so weiter in der italienischen Kirche noch praktisch unbekannt ist.

Das italienische Baubudget wird ausschließlich für Neubauten verwendet. 1991 sind 285 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 268,6 Milliarden Lire eingereicht worden; der tatsächliche Zuschuß hat 1991 für diese Bauvorhaben aber nur 45 Milliarden Lire betragen, weil aus der Kultursteuer keine höheren Beträge zur Verfügung gestellt werden konnten. Alleine in Rom sind 50 Pfarrgemeinden mit rund 500.000 Einwohnern ohne eigenes Gotteshaus; das kirchliche Leben findet in Garagen und anderen Notquartieren statt. Laut Kathpress (2. Februar 1993) hoffen diese italienischen Pfarren für die geplanten Neubauten auch auf Hilfe aus dem Ausland, was sich angesichts der finan-

ziellen Probleme der Katholiken in der Dritten Welt und im ehemaligen Ostblock nur schwer erfüllen wird.

Während in Österreich die einzelnen Diözesen weitgehend autonom über ihr Budget entscheiden, gelten in Italien in vielen Finanzfragen für alle 227 Diözesen die Richtlinien der Bischofskonferenz beziehungsweise überhaupt staatliche Bestimmungen.

Für die Schweiz ist die Kirchenfinanzierung in den einzelnen Kantonen unterschiedlich geregelt. In der deutschsprachigen Schweiz werden in der Regel Pflichtbeiträge eingehoben, während im französischsprachigen Landesteil meist freiwillige Beiträge vorgesehen sind. Die Einhebung erfolgt im allgemeinen direkt durch die Gemeinden. Die Erfahrung zeigt, daß die freiwilligen Beiträge in der französischen Schweiz nur maximal ein Drittel des Beitragsaufkommens in der deutschen Schweiz erreichen.

Damit werden Umfrageergebnisse in Österreich bestätigt, die besagen, daß freiwillige Beiträge maximal ein Viertel bis ein Drittel eines Pflichtbeitrages erreichen. Dies zeigt sich auch in der Schweiz, obwohl die Spenden direkt von der eigenen Pfarrgemeinde eingehoben und verwaltet werden. Für die österreichischen Diözesen würde ein Einnahmenrückgang

auf ein Drittel bedeuten, daß von den derzeitigen diözesanen Ausgaben nur mehr die Priesterbesoldung gedeckt, doch die hauptamtliche Mitarbeit der Laien, die für ihre Familien auf eine pünktliche Gehaltszahlung angewiesen sind, kaum mehr möglich wäre.

Beispielsweise hat die „Neue Zürcher Zeitung" am 31. Dezember 1988 übe die Sorgen der Genfer protestantischen Kirche mit den freiwilligen Beiträgen berichtet. Von 76.000Familien leisten nur 15.000 einen freiwilligen Beitrag in beliebiger Höhe. In Genf werden die Beiträge zwar durch die politische Gemeinde eingehoben, bei Nichtzahlung gibt es jedoch keine Sanktionen wie in Österreich in Form von Klagen und Exekutionen. Dieses Beispiel zeigt, daß ein Pflichtbeitrag in den Augen der Zahler zur freiwilligen Spende wird, wenn die Nichtzahlung keine Konsequenzen hat.

Die ungarische Kirche hat heute mit großen finanziellen Problemen zu •kämpfen. Ein neues System, das sowohl vom Staat als auch vom Ausland Unabhängigkeit garantiert, ist noch nicht gefunden. Laut Kathpress vom 15. Juli 1993 stammen die kirchlichen Einnahmen 1990 zu 46 Prozent aus der staatlichen Unterstützung, 33 Prozent von ausländischen Hilfsquellen, 14 Prozent aus Kirchenbeiträgen sowie Spenden der ungarischen Katholiken und sieben Prozent aus Zinserträgen. Da aber in den letzten zwei Jahren die finanzielle Hilfe aus dem Westen erheblich gesunken ist, müssen nun - trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation - die ungarischen Gläubigen mehr beitragen. Die Kirche bittet daher alle erwerbstätigen Katholiken, mit einem Forint pro Tag die kirchliche Arbeit zu unterstützen; dann könnte die ungarische Kirche mit jährlichen Beitragseinnahmen von 150 bis 200 Millionen Schilling rechnen. Derzeit beträgt das durchschnittliche Gehalt eines Priesters etwa 10.000 Forint monatlich (zirka 1.500 Schilling).

Auch die Rückgabe von ehemaligem kirchlichem Eigentum bringt Probleme. Der vom Staat für die Rückgabe als Entschädigung an die derzeitigen Besitzer zur Verfügung gestellte Betrag von drei Milliarden Forint reicht nicht aus. Die katholische Kirche möchte heuer 180 Gebäude zurück erhalten, aber der Entschädigungsrahmen 1993 ist bereits ausgeschöpft. Und nach der Rückgabe beginnen oft erst die finanziellen Sorgen der Kirche, wenn beträchtliche Summen für die Sanierung der Gebäude benötigt werden.

So unterschiedlich die Systeme der Kirchenfinanzierung auch sind, zeigt doch bereits diese kurze Übersicht, daß keine Form die „Ideallösung ohne jegliche Probleme" darstellt. Wenn man die Frage nach der Abhängigkeit von staatlicher Mitwirkung stellt, ergibt sich interessanterweise, daß der österreichische Kirchenbeitrag am wenigsten staatliche Hilfe erhält: In Österreich besteht der staatliche Beitrag nur in der Weitergabe der Adreßdaten aus den Haushaltslisten, die nun im Zuge der Steuerreform abgeschafft werden sollen; bei gerichtlichen Geltendmachungen hat die Kirche nur eine Privatperson vergleichbare Stellung. Hingegen erfolgt in Deutschland und Italien die Beitragseinhebung für die Kirche direkt durch staatliche Stellen. Auch in der Schweiz tätigt - selbst im Fall des freiwilligen Genfer Beitrags - das Inkasso häufig die politische Gemeinde. Und die ungarische Kirche befindet sich durch die bisherigen hohen Staatszuschüsse in einer besonderen Problemsituation.

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