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Steuerreform: Sie haben alle recht

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„Sehr rasch" kommt eine Steuerreform, verhieß die Regierungserklärung des Kabinettes Sinowatz/Steger am 31. Mai 1983. Die große Steuerreform kommt nicht, verfügte Bundeskanzler Si-nowatz am 22. Mai 1984. Das bestimmt allein der Parteivorstand am 7. Juni, konterte Finanzminister Salcher am 26. Mai in der „Presse". Und sie kommt doch, ließ Vizekanzler Steger am 27. Mai im Fernsehen wissen.

Daß daraus auch Verwirrung kommt, darf man vermuten. Trotzdem muß man jede dieser Äußerungen gesondert untersuchen, denn an jeder ist etwas dran.

Der Finanzminister hat recht, wenn er die Einhaltung eines Re-gierungs- und Koalitionspaktversprechens einmahnt und daran erinnert, daß über derartig weitreichende Fragen nicht ein einzelner zu befinden habe.

Aber der Kanzler hat recht, wenn er dem Finanzminister Teile jener Reform entwindet, die dieser plante. Der Vizekanzler der FPÖ wieder hatte recht, den Kanzler zu diesem Schritt zu drängen, denn Salcher plante auch eine höhere Besteuerung der Weihnachts-, Urlaubs- und Abfertigungsgelder. Was immer man davon sachlich halten mag: Sie nicht anzutasten, ist gleichfalls versprochen worden, hoch und heilig, und an solcher Art von Heiligkeit ist auch der agnosti-scheste Österreicher heftig interessiert.

Nicht richtig ist hingegen, daß man eine aufkommensneutrale (heißt: nicht zu Mehreinnahmen des Staates führende) Generalreform nicht basteln und dabei fiskalische und bürokratische Hemmnisse abbauen könnte — auch ohne Anzapfen der Zusatzbezüge.

Zwar würde ein Abbau von Werbungskostenpauschalien und komplizierten Sonderausgabenanträgen die Mittel- und Besserverdiener benachteiligen, was aber, wenn man dazu willens wäre, durch eine Neugestaltung des Progressionstarifs wettgemacht werden könnte. Technisch geht's.

Deshalb hat auch Norbert Steger erneut versprochen, was Fred Sinowatz aus Ärger über Herbert Salchers Vorschläge abgeblasen, Herbert Salcher aber aus Ärger über Sinowatz' Eigenmächtigkeit dem Parteivorstand zur Entscheidung zugewiesen hat.

Richtig: Ein einzelner soll in einer Demokratie nicht seine eigene Meinung zur Staatsräson erklären können. Das gilt freilich auch für den Finanzminister, der uns wissen ließ: „Wenn man fragt, ob Abfangjäger ein großes Anliegen für mich sind, muß ich das vernei-nen.

Aber Abfangjäger sind nicht unter dem Gesichtspunkt einer (hinlänglich bekannten) Salcher-Meinung, sondern unter dem Aspekt einer Verfassungsverpflichtung und eines einstimmigen Ministerratsbeschlusses zu beurteilen.

Tat' vielleicht ein bisserl mehr Demokratie uns allen gut?

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