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Steuersystem mit System?
Was auf dem Kalender für 1982 stehen wird, wird eine Midi-Reform sein, und in holder Eintracht werden die Interessenvertretungen dafür sorgen, daß sie auf dem langen Weg bis ins Bundesgesetzblatt zur Mini-Reform abmagert.
Zu befürchten ist ein mehrheitliches Aufatmen über das Ausbleiben - oder das bloß selektive Eintreten - des Vielen, was jetzt an geistig Halbgarem auf den Diskussionstisch gebracht wird, weil es weiß Gott einer Maxi-Reform bedürfte, damit unser Steuersystem wieder zu einem solchen wird.
Hier soll nun ein Demonstrationsbeispiel angeführt werden. Etwa: Darf sich etwas .Steuersystem* nennen, was - entgegen dem weisen Ausspruch Colberts: „Steuern einheben heißt die Gans so rupfen, daß man möglichst viel Federn mit möglichst wenig Geschrei bekommt“ - eine mit 23 Prozent beginnende und erst bei 62 Prozent endende
Progression bei der Lohn- und der veranlagten Einkommensteuer (und einen von 30 bis 55 Prozent reichenden Körperschaftsteuersatz) benötigt, um einen Durchschnitts-Steuerertrag zu erzielen, der bei der Lohnsteuer noch immer erst 11,4 % beträgt und bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer zusammen zuletzt bloß 21,4 % erreicht hat?
Nur mit der derzeitigen völligen Aushöhlung der Steuerbemessungsgrundlage - und zwar gleichermaßen bei der Lohn- wie bei der veranlagten Einkommen- bzw. der Körperschaftsteuer - läßt sich ja die große (und bisher tendenziell wachsende) Diskrepanz zwischen optisch hohen Steuersätzen und faktisch geringem Steueraufkommen erklären.
Die zum Widerspruch reizende Behauptung, daß das Steueraufkommen - korrekter: das Aufkommen an Steuern vom Einkommen - faktisch gering ist,
bestätigt sich auch im internationalen Vergleich:
Die letzte, allerdings auf das Jahr 1977 bezogene, Untersuchung der OECD beziffert für Österreich die Belastung des Brutto-Inlandprodukts mit Steuern vom Einkommen auf 10,1 Prozent. Der OECD-Durchschnitt betrug damals 14,1 %, der Spitzenwert 23,7 % (in Schweden und Neuseeland). Was aber vielleicht am meisten überrascht: Deutlich höher als in Österreich war die Belastung mit Steuern vom Einkommen nicht bloß in der Bundesrepublik (13,9 %), sondern selbst in der vielgepriesenen Schweiz (13,8 %).
Was in dem weit unterdurchschnittlichen Aufkommen an Steuern vom Vermögen seinen statistischen Niederschlag findet, ist vielmehr der Umstand, daß dem Begriff .Steuersystem* - und auch dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung - widersprechend, praktisch nur gewerbliches Betriebsvermögen voll besteuert wird.
Für - sowohl landwirtschaftlich wie für Wohnbauzwecke genütztes - Grundvermögen und für Gebäudevermögen ist die Bemessungsgrundlage ein Einheitswert, der nur einen Bruchteil des Verkehrswertes ausmacht. Privates Geldvermögen und vollends Konsumvermögen schließlich entziehen sich de facto weitestgehend jeder Besteuerung (und das nicht bloß wegen der relativ hohen Fehlbeträge).
Eine dritte Systemwidrigkeit (von vielen) sei nur am Rande erwähnt: die Verwandlung einer dem Steuerzahler, weil im Preis stillschweigend inbegriffen, nicht unmittelbar bewußt werdenden indirekten Steuer in eine direkte durch die geradezu hirnrissige Vor
schrift des getrennten Ausweises der Mehrwertsteuer auf jeder größeren Rechnung: .Erfolgreicher* als so kann man jeden nicht eben masochistisch veranlagten Österreicher kaum zum Nachdenken darüber anregen, ob sich nicht mit der Faktura auch die Mehrwertsteuer ersparen ließe.
Der Kauf ohne Rechnung und die Arbeit im Pfusch - als die beiden am häufigsten, aber auch die beiden mit den geringsten Gewissensbissen gegangenen Steuerdelikte - haben nämlich eines gemein: daß sie quasi ,en detail* begangen werden und daher nur durch unökonomisches Übermaß an Kontrollen halbwegs wirksam unterbunden werden können. Wie nur ganz selten gleich partieweise gepfuscht wird, hört sich die Möglichkeit, einen Verkauf ohne Rechnung zu tätigen, praktisch auf, sobald familienfremde Arbeitskräfte beschäftigt werden, die Einblick in die Buchhaltung haben.
Bei allen bisher angeführten Punkten ist es um die Systematik und die Effizienz der Besteuerung gegangen; hierher würde beispielsweise auch der Widersinn gehören, zugleich (mit dem gespaltenen Körperschaftssteuersatz) die Ausschüttung und (mit Investitionsbegünstigungen wie insbesondere der vorzeitigen Abschreibung) die Nichtausschüttung von Gewinnen steuerlich zu prämieren.
Das Thema Steuerreform hat aber auch - schon bei einer Mini-, geschweige denn bei einer Maxi-Lösung- verteilungspolitische und ideologische Aspekte.
Dieser Beitrag ist die Kurzfassung eines Artikels, den der Autor in den von ihm herausgegebenen „Finanz-Nachrichten“ vom 6. Februar veröffentlicht hat.
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