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Stifter -auch in Japan

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Eine ursprünglich nur der Stifter-Pflege gewidmete Institution in Linz erfüllt inzwischen einen viel weiter gezogenen Kreis archiva-lischer und literaturgeschichtlicher Aufgaben.

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Eine ursprünglich nur der Stifter-Pflege gewidmete Institution in Linz erfüllt inzwischen einen viel weiter gezogenen Kreis archiva-lischer und literaturgeschichtlicher Aufgaben.

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Als Adalbert Stifter 1848 das heutige Haus Untere Donaulände Nr. 6 in Linz zum dauernden Wohnsitz wählte, war seine Bekanntheit als führender Schriftsteller des Biedermeier in Wien bereits rückläufig, sein Ruhm als einer der eigentümlichsten Prosaisten deutscher Sprache jedoch noch nicht offenkundig geworden. Die exemplarischen Romane „Der Nachsommer“, „Witiko“ und die „Mappe“, die seine Nachwirkung bis heute begründen, sollten neben manchen anderen Werken der Reife erst in der repräsentativen Mietwohnung konzipiert und vollendet werden.

Das Haus mit seinem schönen Blick war damals noch ein Neubau, einer der gediegensten freilich und teuersten. Adalbert Stifter hatte, obwohl nie bei Kasse, standesgemäß selbstbewußt gewählt und das zu einem Zeitpunkt, da er noch nicht einmal seinen Posten als ernannter Inspektor der oberösterreichischen Volksschulen angetreten hatte. Der neu einziehende Mieter und seine junge Frau waren zunächst auf Verlagshonorare und -Vorschüsse sowie auf die vermutlich freiberufliche Arbeit Stifters als Redakteur und Journalist in Linz angewiesen.

Obwohl er fast zwanzig Jahre in dem Haus wohnen sollte und dort auch am 28. Jänner 1868 unter den bekannten, nie restlos geklärten Umständen gestorben ist (Stifter fügte sich, gequält von unerträglichen Schmerzen einer Leberzirrhose, fiebrig delirierend mit dem Rasiermesser einen tiefen Schnitt am Hals zu), wäre dem Dichter kaum in den Sinn gekommen, daß dieses Haus und sein Arbeitszimmer mit kostbarem Mobiliar und Bildern von Stifters eigener Hand einmal Sitz eines Adalbert-Stif-ter-Institutes des Landes Oberösterreich sein würde.

Der junge, agile Germanist und Volksbildner Aldemar Schiffkorn als Beamter der Kulturabteilung der Landesregierung und Landeshauptmann Heinrich Gleißner als Kulturreferent riefen 1950 gemeinsam die Institution ins Leben. Das Anhängsel der Kulturabteilung, später des Landesmuseums, wurde 1955 eine selbständige Institution unter Landeshoheit mit wissenschaftlicher, volksbildnerischer und kulturell-literarisch stimulierender Funktion.

Verbindungen mit bedeutenden Stifterforschern wurden aufgebaut. Mitglieder sind Wissenschaftler, Schriftsteller, kulturell Tätige. Die Kommunikationsfäden laufen zu anderen Stifter-Vereinigungen, vornehmlich zu jener in Wien und daneben zu führenden wissenschaftlichen Einrichtungen im In- und Ausland bis hin nach Japan. Es gibt heute etwa 50 Mitglieder, die als „korrespondierend“ (Ausländer) und „ordentlich“ (Österreicher) geführt werden.

1950 wurde vom Institut eine Schriftenreihe gegründet, 1952 eine Vierteljahresschrift. In der Schriftenreihe erschienen bisher 35 Publikationen, darunter wissenschaftliche Ausgaben früher Werke, wenig bekannte Einzelwerke und Briefe. Die Schulakten Stifters aus dessen fünfzehnjähriger pädagogischer Tätigkeit, die Sammlung seiner pädagogischen Schriften, aber auch das gigantische Werk einer Adalbert-Stifter-Bibliographie in vier Bänden mit über 7000 Titeln, bis hin zu entlegensten Zeitungsrezensionen, sind erstaunliche Ergebnisse eines Anerkennung verdienenden Gelehrtenfleißes.

In der zitierten Reihe des Institutes erschienen auch bedeutende Abhandlungen über den Gymnasiasten Stifter in Kremsmünster, den Linz-Bezug des Dichters und Schulmannes, auch über den Denkmalpfleger, der Adalbert Stifter seit 1853 ehrenamtlich ebenso gewesen ist wie Gründungsmitglied des Oberösterreichischen Kunstvereins (in dreifacher Eigenschaft als Maler, Kritiker und Organisator).

Als k. k. Schulrat hat Adalbert

Stifter sein Amt als Volksschulinspektor im Land Oberösterreich übrigens 1850 angetreten und auch die Gründung einer Realschule in Linz mit viel Eigeninitiative betrieben.

1978 übernahm als Nachfolger von Alois Großschopf der Germanist Johann Lachinger die Leitung des Adalbert-Stifter-Insti-tutes. Zu diesem Zeitpunkt war das vom Abbruch bedrohte Gedenkhaus bereits unter Denkmalschutz gestellt und hatten verschiedene große wissenschaftliche Symposienauch internationales Echo gefunden.

Seit 1983 ist gemäß Statut der Gesamtbereich der Literaturgeschichte und der Literatur des Landes Oberösterreich zu betreuen.

Vom Stifter-Symposion von 1982 in Linz wurden unter dem Titel „Anstoß Adalbert Stifter“ Verbindungslinien zu Peter Handke, Peter Rosei, Jutta Schütting, Thomas Bernhard, Herbert Eisenreich, Gertrud Fussenegger und Alois Brandstetter gezogen.

Die Vierteljahresschrift des Instituts arbeitete Konfrontationen zwischen Stifter und Gegenwarts-

Eersönlichkeiten wie Hermann enz, Thomas Bernhard und Arno Schmidt in eigenen Abhandlungen heraus.

• Das Institut wirkt als internationale Schaltstelle-wissenschaftlicher Verbindungen, die bis in die USA und Japan reichen. Stifter wäre wohl überrascht von solchem Fortleben. Aber auch heute noch wirkt sein Vermächtnis nicht laut und marktschreierisch extrovertiert, sondern wie eh und je unterschwellig als ein „sanftes Gesetz“. '

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