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Stimmung hoch, die Wende lockt!
In den letzten 16 Jahren hatte die ÖVP selten Grund zum Übermut. Nach dem Waldheim-Erfolg strotzt die Langzeit-Oppositionspartei vor Selbstbewußtsein: sie bereitet sich auf die Regierungsübernahme vor.
In den letzten 16 Jahren hatte die ÖVP selten Grund zum Übermut. Nach dem Waldheim-Erfolg strotzt die Langzeit-Oppositionspartei vor Selbstbewußtsein: sie bereitet sich auf die Regierungsübernahme vor.
In Jubel ausgebrochen darf erst am Freitag abend werden. Zu diesem Zeitpunkt des 20. Juni haben dann die rund 1.000 Delegierten zum 26. Bundesparteitag der österreichischen Volkspartei (ÖVP) bereits einen halben Sitzungstag und das vorgeschriebene Arbeitspensum hinter sich gebracht.
Am Rande des offiziellen Parteiprogramms erweist der neugewählte Bundespräsident Kurt Waldheim jener Partei die Ehre, deren Mitglied er zwar nie gewe-
sen ist, mit deren Unterstützung er aber im harten Rennen um das höchste Amt im Staate am 8. Juni als überragender Sieger hervorgegangen war.
Waldheim hat mit seinem Wahlerfolg nicht nur sich selbst in die Wiener Hofburg, sondern auch die ÖVP wieder in Stimmung gebracht. Nach 16 langen und entbehrungsreichen Oppositionsjahren wittern die christlichkonservativen Parteigänger Morgenluft. Die Wende lockt.
Das neue Selbstbewußtsein der Volkspartei kommt auch im Parteitagsmotto zum Ausdruck: „Wir regieren besser.“ Und wenn nicht alle Meinungsforschungsinstitute falsch liegen, dann teilt heute tatsächlich eine relative Mehrheit der Österreicher diese Meinung.
Nach allen Umfrageergebnissen liegt die ÖVP derzeit in der Wählergunst zwischen zwei und vier Prozentpunkten vor den regierenden Sozialisten. Dennoch ist der Abstand zwischen dem Waldheim-Wahlergebnis von fast 54 Prozent und dem momentan für die Volkspartei demoskopisch ermittelten Stimmenanteil von 46 bis 48 Prozent beträchtlich. Nicht zuletzt deshalb versucht die Parteispitze beim Innsbrucker Parteitag bewußt, die Euphorie der Funktionäre nach der Bundespräsidentenwahl in Grenzen zu halten. Motto: Ein Waldheim macht noch keine Parlamentsmehrheit.
Ohne parlamentarische Mehrheit aber kann der ÖVP-Parteitag Resolutionen und Gesetzesinitiativen beschließen so viele er will — die Aussicht auf deren Verwirklichung ist zumindest bis zu den nächsten Nationalratswahlen minimal.
So kommen denn die Forderungen der insgesamt 61 Anträge an den Parteitag wie Steuersenkung, Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand, flexible Arbeitszeiten, Teilprivatisierung verstaatlichter Banken, direkte Demokratie, Brief wähl oder Wirtschaftsoffensive für den ländlichen Raum und Erleichterung von Unternehmensgründungen kaum über einen bloß deklamatorischen Charakter nicht hinaus.
In diesem Dilemma zwischen politischem Gestaltungsanspruch der Partei und den fehlenden Gestaltungsmöglichkeiten zumindest auf Bundesebene läuft jeder Parteitag einer Oppositionspartei Gefahr, in ritualisierter Regierungsbeschimpfung zu enden. Oder in dem generellen - und allein schon deshalb wenig glaubwürdigen — Versprechen, alles, aber schon wirklich alles anders zu machen, wenn man erst einmal an der Regierung ist.
Die „Leitlinien einer besseren Regierungspolitik“, die der Wirtschaftssprecher der ÖVP, Robert Graf, am zweiten Tag der Parteiversammlung präsentieren wird,
lesen sich denn auch als Zusammenfassung aller — vor allem wirtschaftspolitischer — Forderungen der Opposition während der letzten Jahre.
Nicht wenige ÖVP-Politiker plädieren im Gegensatz dazu für den Grundsatz, daß weniger auch mehr sein kann. Die Beschränkung auf drei bis vier Sofortmaßnahmen für den Fall einer ÖVP-Regierungsübernahme würden die Wähler auch — nach all den Erfahrungen mit der unvollendeten Ankündigungspolitik der derzeitigen Regierung—mehr goutieren.
Für derartige kritische Einwände — so kann man annehmen — ist die Volkspartei aber derzeit nicht in der richtigen Stimmung. Das beweist auch die Tatsache, daß bei diesem Parteitag nicht einmal der Antrag der Jungen ÖVP, der
auf die endgültige Absage an die friedliche Nutzung der Kernenergie hinausläuft, einer kontrover-siellen Diskussion unterzogen werden wird.
In diesem Stimmungshoch kann auch der Antrag zur Abschaffung der Altersklausel für Politiker im Parteistatut der Zustimmung der Delegierten sicher sein, wenn er auch vor drei Jahren noch abgelehnt wurde.
Mit überwältigender Zustimmung dürfen schließlich Parteiobmann Alois Mock und sein Generalsekretär Michael Graff bei ihrer Wiederwahl rechnen. So wird die Frage, ob mit jenen ÖVP-Politikern abgerechnet wird, die wie Erhard Busek zum Beispiel gelegentlich wider den Stachel der Partei locken, zur einzigen Unbekannten dieses Parteitags.
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