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Stolpersteine auf dem Weg zum Chef

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Aus Erfahrung wird man bekanntlich klug. Das gilt auch für das Selbständigwerden. Es gibt jedoch Gründungsfehler, die sich später nicht mehr ausbessern lassen.

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Aus Erfahrung wird man bekanntlich klug. Das gilt auch für das Selbständigwerden. Es gibt jedoch Gründungsfehler, die sich später nicht mehr ausbessern lassen.

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Eines sei vorausgestellt: Es ist ein ganz erfreuliches Signal, daß ungeachtet aller Horrorziffern über Betriebsschließungen und Insolvenzen so viele Menschen wieder bereit sind, den Weg in die berufliche Unabhängigkeit einzuschlagen.

Trotzdem ist es fast eine Pflicht, jeden auf seinem Weg in das große Abenteuer Unternehmertum auf einige wesentliche Punkte aufmerksam zu machen, die für seine Vorgänger zu einem Stolperstein wurden. Die Statistiken sprechen die klare Sprache, daß für viele Gründungswillige der Traum schon bald zum Alptraum wurde.

Nach Berechnungen des Kreditschutzverbandes von 1870 wurden 60 Prozent zwischen 1974 und 1980 gescheiterten Unternehmen im Zeitraum von 1970 bis 1980 gegründet. Von allen Verfahren, die

(ebenfalls laut Kreditschutzverband) in den ersten drei Quartalen dieses Jahres eröffnet wurden, betreffen 105 (das sind 20 Prozent) Betriebsgründungen zwischen 1982 und 1985.

Ursachen dieser Entwicklungen sind häufig firmeninterne Faktoren. Neben diesen innerbetrieblichen Fehlern und Mängeln gibt es natürlich auch unternehmungsexterne Einflüsse (Steuer-, Wäh-rungs-, Zinsen-, Sozial-und Arbeitspolitik), die insolvenzverursachend wirken. Auf jeden Fall kommt es zu einer Beschleunigung einer Krise, wenn unternehmensexterne und innerbetriebliche Schwachstellen zusammenfallen.

Bei den häufigen Fehlern, die gemacht werden, lassen sich grundsätzlich zwei Arten unterscheiden. Solche, wo die Gefährdung des Betriebes nur eine Frage der Zeit ist, weil — ähnlich wie beim Hausbau - das Fundament schon schlecht ist. Und solche, die sich leichter durch nachträgliche Beratung, Schulung etc. ausbügeln lassen.

Einen solchen grundsätzlichen Fehler der ersten Kategorie machen viele Unternehmungslustige, wenn sie es mit dem Start zu eilig haben. Die davon ausgehen, daß es allein genügt, ein guter Fachmann zu sein. Vor allem im Dienstleistungsbereich (Handwerk) wird nicht selten nach dem Motto vorgegangen „Was der Chef kann, kann ich noch lange“. Viele, die in ihrem Bereich sicherlich sehr tüchtige Fachleute sind, glauben, im Wirtschaftsleben ebenso selbständig und gut sein zu können. Spezifische Branchenkenntnisse sollten selbstverständlich sein. Aber es genügen nicht nur die technischen und handwerklichen Fähigkeiten. Sehr wichtig sind Qualitäten wie die Fähigkeit zu einer internen straffen Betriebsführung, Umgang mit Künden und Mitarbeitern etc.

Ein zweiter solcher grundsätzlicher Fehler wird häufig bei der Wahl des Standortes gemacht. Bei der Betriebsgründung stellen sich sehr wenige zukünftige Chefs auf einen Erweiterungsbedarf ein. Das mag gerade am Beginn, wo es meist gut, überall zu sparen, zu weitblickend und beim Start als nicht relevant klingen. In einer Untersuchung hat das Institut für Gewerbeforschung jüngst festgestellt, daß Ausdehnungsschwierigkeiten bei vielen Firmenzusammenbrüchen eine der maßgeblichen Ursachen waren. Tatsache ist nämlich, daß es sogenannte „rationelle Betriebsgrößen“ gibt, die erreicht werden sollten. Das heißt, jeder Betrieb braucht eine technische Mindestausstattung und eine entsprechende personelle Besetzung, um rationell arbeiten zu können. Erst ab dieser Grenze kommt man in die Gewinnzone bzw. erwirtschaftet den nötigen Erfolg.

Diese Grenzen sind von Branche zu Branche verschieden. Es gibt aber Berechnungen und Erfahrungswerte, mit denen man sich unbedingt vorher beschäftigen sollte. Laut Erwin Fröhlich vom Institut für Gewerbeforschung schlagen sich erstaunlich viele Betriebe mit Raumplanungsschwierigkeiten herum. Das führt dazu, daß die betriebliche Struktur zerissen wird, wenn man hier noch einen Keller als Lager dazu-mieten muß und da noch ein zusätzliches Büro und diese optimale Betriebsgröße nicht erreichen kann.

Wenn ein Unternehmer dann noch gezwungen ist, sich einen neuen Standort zu suchen, kann das mitunter einen Betrieb ruinieren. Man hat sich vielleicht schon vollends etabliert, wird von den Kunden akzeptiert, hat die

Konkurrenz erfolgreich verdrängt und scheitert letztlich an Raumnot. Ein überaus wichtiger Punkt, betont Fröhlich, der sehr stiefmütterlich behandelt wird, weü es (verständlicherweise) gerade am Start nicht einsichtig ist, schon an Betriebserweiterungen zu denken.

Eine weitere große Schwachstelle ist der Finanzierungsplan, auf den schon in der FURCHE 44/ 1985 hingewiesen wurde. Die häufigsten Fehleinschätzungen werden bei der finanziellen Durststrecke gemacht, die zwischen Lagerhaltung und dem Verkauf bzw. der Bezahlung des Lieferanten liegen. Oder bis ein Produkt, eine Dienstleistung wirklich greift Gerade zu Beginn sind Gewinne recht bescheiden, und positive Betriebsergebnisse werden oft von Steuern und Rückzahlungsraten aufgezehrt, für den Eigenverbrauch bleibt dann wenig.

In diesem Zusammenhang erweisen sich die ordnungsgemäße

Buchführung und die richtige und pünktliche Abwicklung der steuerlichen und abgaberechtlichen Belange (Vgl. FURCHE 45/1985) als große Stolpersteine. Wer sich selbständig macht, darf nicht vergessen, daß er auch überprüft und kontrolliert wird. Es kommen Betriebs- und die Lohnsteuerprüfung sowie die Prüfer der Sozialversicherungsanstalten.

Häufig wird aber, so beispielsweise der Steuerberater Wolfgang Madjera, die Buchhaltung als lästige Verwaltungsarbeit empfunden. Es ist eine Tatsache, daß viele Jungunternehmer dann bei den Betriebsprüfungen gravierende finanzielle Belastungen hinnehmen müssen, weil sie nicht sorgfältig genug vorgegangen sind. Die Bedeutung von Grundaufzeichnungen wie das Kassabuch wird oft unterschätzt. Gerade, wenn man die Buchhaltung einem Fachmann (Steuerberater etc.) übergeben hat. Streß und Uberbeanspruchung in der Startphase führen zu fallweisen Unge-nauigkeiten und Schlampigkeiten bei der Aufbewahrung von Belegen, Rechnungen etc., Steuern und Abgabeberechnungen stimmen dann oft nicht.

Ein häufiges Problem ist ein zu technokratisches Verständnis von Wirtschaften im weiteren Sinn. Diese Unternehmer sind sehr produktorientiert, d. h. man entdeckt eine Marktnische, hat eine fabelhafte Idee und testet nicht, wie diese Idee beim Konsumenten ankommt. Ein an sich sehr guter Einfall erweist sich aus diesem Grund recht häufig in der Praxis als Flop.

Dazu kommt, so Werner Beutelmeier vom, Linzer Institut für Markt- und Sozialanalysen, daß sich im Zuge der Innovationsdiskussion eine regelrechte Neuheitenethik bemerkbar macht.

Neues wird um fast jeden Preis gesucht und entwickelt. Mögliche Zielgruppen dabei nur mangelhaft mitbedacht und untersucht.

Wie ungeheuer wichtig die richtige Wahl der Rechtsform ist, darauf wurde bereits in der FURCHE 43/1985 hingewiesen.

Selbst, wenn all diese grundsätzlichen Fehler vermieden werden, gibt es noch genug Möglichkeiten für eigenes „Kleckern“ (siehe Kästen). Aber das läßt sich meist durch Seminare, Beratungen, Schulungen, Informationen auch nachher verbessern.

Noch ein Tip, der nicht unwichtig ist: In Österreich ist bekanntlich vieles anders als in anderen Ländern. In der Alpenrepublik ist jemand, der in Konkurs geht, ein Pleitier, ein Gescheiterter. Einer, der mit Schimpf und Schande untergeht und dem es dann an Besserwissern nicht mangelt. Sieht man von Faktoren wie verantwortungsloses Handeln — oft wider besseres Wissen — ab, so kann es tatsächlich leicht passieren, daß man zu der Gruppe risikofreudiger und unternehmerischer Menschen gehört, die vom rauhen Wind im derzeitigen Wirtschaftsleben hinweggefegt wurden. Wer also sehr sensibel ist, sollte sich überlegen, ob er-die Möglichkeit des Scheiterns von seiner Persönlichkeitsstruktur her durchstehen kann.

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