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Streben nach dem Geist im Abbild

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Das „Unsagbare“ der christlichen Botschaft in künstlerischen Ausdrucksformen für Gefühl und Sinne erfahrbar machen -auch das wollte der Deutsche Katholikentag.

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Das „Unsagbare“ der christlichen Botschaft in künstlerischen Ausdrucksformen für Gefühl und Sinne erfahrbar machen -auch das wollte der Deutsche Katholikentag.

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Selbstbewußtsein und Gottvertrauen strahlen Pfalzkapelle und kaiserlicher Palast Karls des Großen aus — heute sind sie historischer Kern des Domes beziehungsweise des Rathauses der Stadt Aachen.

Nach römischen und byzantinischen Vorbildern, unter Einbeziehung antiker Bauelemente, wollte der fast Fünfzigjährige noch vor seiner Kaiserkrönung in Rom im Jahre 800 in Aachen ein „neues Rom“ erbauen. Schon den Kelten und Römern heilbringende heiße Quellen gaben den Ausschlag für die Wahl des Ortes. Aus Jerusalem und Konstantinopel waren Reliquien nach Aachen gebracht worden, für die erst Jahrhunderte später ein kostbares Gehäuse in Form eines kunstvoll in Silber getriebenen Schreins gefertigt wurde, als die gläubige Inbrunst zur öffentlichen Darstellung der verehrungswürdigen Objekte drängte. Auch aus den sterblichen Uberresten Karls des Großen wurden mit dem vergoldeten Karlsschrein und dem Büstenre-liquiar — sie enthalten Gebeine und Schädeldecke - sichtbare Zeichen für die Verehrung des später heiliggesprochenen Kaisers geschaffen.

Christliche Kunst als Spiegel des Glaubens heute war auch ein Thema des 89. Deutschen Katholikentages in Aachen. Einen besonderen Akzent setzte dabei schon deswegen der Bereich der bildenden Kunst, da Deutschlands größter privater Mäzen, der Schokoladefabrikant Peter Ludwig, in Aachen zu Hause ist Seine Aachener Neue Galerie zeigte aus Anlaß des Katholikentages nicht nur „Christliche Ikonographie in der zeitgenössischen Kunst“, sondern außerdem zwei Sonderausstellungen zeitgenössischen Kunstwillens: „Christus-Bilder“ des Spaniers Antonio Saura und „Christus-Gesichter“ des Oster-reichers Arnulf Rainer.

Saura vermittelt mit seinen „Schweißtüchern“ und „Kreuzigungen“ in kräftigen Strichen und in dumpfen Farben zentrale Glaubensinhalte, doch dringt ihre Ausstrahlung trotz zum Teil großer Formate selten bis zum Besucher. Seine bunten Kathedralen spiegeln iberische Folklore-Frömmigkeit, die „Versuchungen. des Heiligen “Antonius“ steuern Ironisches bei.

Arnulf Rainer übermalt in sei— nen „Christus-Gesichtern“ romanische und gotische Kruzifixe, übersteigert und glättet aber durch manieristische Darstellung die Betroffenheit des Betrachtenden. Die von ihm angestrebte „Verdeutlichung durch Verhüllung“ kann die anscheinend verlorengegangene metaphysische Bindung nicht ersetzen.

Das Aachener Suermondt-Lud-wig-Museum zeigte zur gleichen Zeit . drei deutsche bildende Künstler mit eigenständigen Beiträgen zu einer die Gegenstandswelt transzendierenden Kunst: Herbert Falken, Werner Kaupp, Rolf Iseli.

Falken, der selbst Priester ist und von dem auch das Katholikentags-Emblem stammte, macht in seinen Tafelbildern zum „Scandalum crucis“ die Hinfälligkeit der Hoffnung zum Thema. In absurdes Lachen mündet verzweiflungsverzerrt die Individualität seiner Gesichter; Agonie und Ohnmacht in einer Welt der Leiden zeichnen den Gekreuzigten.' Im „Lazarus-Zyklus“ wird in schmerzhaften Stationen des Freundes Heinrich Boll gedacht.

Werner Kaupps „Kreuzweg“ geht in vierzehn Stationen nicht den Leidensweg Christi nach - die in Schwarz und Grau gehaltenen Kohle-Bilder ergreifen mit expressiv verkrümmten und verzerrten Leibern und Gliedmaßen. Mitleiden wird ausgelöst, wie dies auch „Kreuzwege“ vergangener Jahrhunderte taten.

Rolf Iselis Erdfiguren und Endlandschaften beziehen Holz, Erde, Natur-Materialien in die Bildgestaltung ein. ,

Unter einem ganz anderen Blickwinkel waren religiöse Darstellungen vor allem afrikanischer, lateinamerikanischer und chinesischer Künstler zu betrachten, die unter dem Titel „Religiöse Kunst aus der Dritten Welt“ -dem Wesen der Missions- und Entwicklungshilfe-Stadt Aachen entsprechend - sorgfältig präsentiert wurden. Weit ist der Weg von den asiatischen und lateinamerikanischen Hochkulturen zu den mit dem Christentum importierten traditionellen europäischen Formen und Klischees christlicher Kunst- eine Herz-Jesu-Darstellung aus Afrika bietet in diesem Zusammenhang ein signifikantes Beispiel pervertierender Inkulturation. Nicht mehr als tastende Versuche der Darstellung christlicher Glaubensinhalte in Formen des eigenen Kulturkreises zeigen afrikanische Darstellungen der Geburt Christi oder lateinamerikanische Marienbilder.

Künstler, die in Vielfalt und Vitalität ihren Glauben ausdrücken — die Kirche hat sie heute ebenso notwendig wie zur Zeit Karls des Großen.

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