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Stromverbrauch in Österreich

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Nach der vom österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung erstellten österreichischen Energiebilanz hatte die elektrische Energie im Jahre 1972 einen Anteil von 34,7 Prozent am gesamten österreichischen Endenergieverbrauch. Die Elektrizität liegt dabei in derselben Größenordnung wie die festen Brennstoffe (13,9) und das Gas (18,4 Prozent), während die Mineralölprodukte mit 53 Prozent in der Energiebilanz dominieren. Diese, auf der Basis des Energieinhaltes erstellte Bilanz bedarf einer Interpretation. Der Verbraucher kann den Energieinhalt der Energieträger nur zum Teil nützen. Der Wirkungsgrad, mit dem die Energieträger ausgenützt werden können, liegt bei elektrischen Geräten — Motoren und Heizungseinrichtungen — bedeutend höher als bei allen übrigen Energieträgern. Während bei der Verwendung von Elektrizität im Schnitt 90 bis 95 Prozent tatsächlich in die vom Verbraucher gewünschte Energieform umgesetzt werden, können andere Energieträger nur mit Wirkungsgraden zwischen 30 und 60 Prozent eingesetzt werden. Bei Berücksichtigung dieses Umstandes verschiebt sich nunmehr das Bild der Energiebilanz bedeutend zugunsten der elektrischen Energie, die als sauberster aller Energieträger auch den Erfordernissen des Umweltschutzes am besten entspricht.

Während der gesamte Energieverbrauch Österreichs in den letzten zehn Jahren durchschnittlich um 4,9 Prozent zunahm, lag die Steigerung des Stromverbrauches bei 6,2 Prozent. Der Anteil der Elektrizität an der gesamten österreichischen Energieversorgung nimmt dadurch ständig zu. Dabei kommt es auch zu einer stetigen Veränderung der Verbrauchsstruktur. Der industrielle Stromverbrauch dominiert zwar nach wie vor in der Verbrauchsstatistik, sein Anteil am gesamten Stromverbrauch ging aber von fast zwei Drittel in der unmittelbaren Nachkriegszeit zurück und liegt'heute zwischen 40 und 45 Pro-zent. Die von der Industrie benötigte Energie wird zu rund zwei Drittel aus dem öffentlichen Netz entnommen, der Rest wird durch industrieeigene Kraftwerke abgedeckt. Während der Bezug der Industrie aus dem öffentlichen Netz zu Beginn der fünfziger Jahre doppelt so hoch wie der Verbrauch der Kleinabnehmer — Haushalt, Gewerbe und Landwirtschaft — war, übertraf im Jahre 1971 dieser Kleinabnehmerverbrauch erstmalig den industriellen Strombezug aus dem öffentlichen Netz. Rund 20 Prozent der von den Elektrizitätsversorgungsunternehmen für die österreichische Stromversorgung bereitgestellten Energie werden heute von den Haushalten verbraucht, die maßgeblich zur Steigerung des Kleinabnehmerverbrauches beitragen. Die Erzeugung aller österreichischen Donaukraftwerke reicht nicht aus, um die Zunahme des Haushaltsstromver-bauches seit dem Ende des zweiten Weltkrieges abzudecken.

Von dem österreichischen Stromverbrauch im Jahre 1972 von rund 28 Mrd. kWh entfielen auf den Kleinabnehmersektor 9,3 Mrd. kWh, an industrielle Stromabnehmer wurden 8,4 Mrd'. kWh geliefert.

Für die Bereitstellung der Energie sind außer Kraftwerksneubauten auch der Ausbau des Transport- und Verteilungsnetzes erforderlich. Die geforderte Sicherheit der Versorgung ist ohne den entsprechenden Netzausbau undenkbar. Seit 1950 wuchs das österreichische Hochspannungsnetz um 250 Prozent, heute stehen rund 6500 km Hochspannungsleitungen in Betrieb. Die große Zunahme des Kleinabnehmerverbrauches bedingt im Mittelspannungsnetz, insbesondere aber in den Niederspannungs' netzen eine überproportionale Investitionstätigkeit. Von den gesamten Investitionen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft entfallen derzeit rund 40 Prozent auf den Verteilungssektor. Für den Netzausbau muß heute mit Investitionskosten von 2,— S bis 2,30 S je zusätzlich abgegebener Kilowattstunde gerechnet werden. Dies entspricht auf der Basis der derzeitigen Zunahme des Stromverbrauches jährlichen Investitionen von 2,5 bis 3 Mrd. S. Nach einer Studie des Bundesministeriums für Verkehr werden die Kosten des Netzausbaues nach 1980 höher sein als die Kosten für die Kraftwerksneubauten. In dieser Schätzung ist aber noch nicht berücksichtigt, daß die zunehmende Verbauung es immer schwieriger macht, geeignete Trassen für die Energieversorgung zu finden und aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes nicht die für die Energieversorgung optimalen Trassen verwendet werden können.

Die österreichische Elektrizitätswirtschaft rechnet auch in Zukunft mit einer starken Erhöhung des Kleinabnehmerverbrauches. Eine vom Bundeslastverteiler durchgeführte Verbrauchsprognose ergab, daß mit den höchsten Zunahmen auf dem Sektor des Haushaltsstromverbrauches zu rechnen ist, der in den nächsten Jahren mehr als 10 Prozent jährlich zunehmen wird. Dadurch wird der Haushaltsstromverbrauch zu Beginn der achtziger Jahre den Strombezug der Industrie aus dem öffentlichen Netz auch dann übertreffen, wenn es zu einem Ausbau der Elektrolyse in Ranshofen kommt.' Der Stromverbrauch des Kleinabnehmersektors wird sich bis 1980 verdoppeln, dies erfordert auf dem Verteilungssektor innerhalb der nächsten sechs Jahre zumindest eine Verdoppelung des derzeit zur Verfügung stehenden Stationsbestandes.

Die Entwicklung des industriellen Stromverbrauches hängt wesentlich von der Erweiterung der Ranshofner Elektrolyse ab, durch den der gegenwärtige Elektrolyseverbrauch von jährlich rund 1,5 Mrd. kWh auf 2,3 Mrd. kWh ansteigen soll. Mit Ausnahme von Ranshofen rechnet man auf dem industriellen Sektor in den nächsten Jahren mit durchschnittlichen Zunahmen von jährlich 4,5 Prozent. Nach der genannten Prognose ist unter Berücksichtigung des Verbrauches auf dem Sektor des Verkehrs und aller übrigen nicht industriellen Großverbraucher mit einer jährlichen Zunahme von 7,5 Prozent zu rechnen.

Die nach anderen Methoden erstellte Prognose des Wirtschafts-forschungsinstitutes stimmt mit diesen Ergebnissen gut überein. Von allen Energieträgern wird nach dieser Prognose die Elektrizität die höchsten Zuwachsraten aufweisen. Der Anteil des Elektrizitätsverbrauches am Nettcänlandverbrauch wird bis zur Mitte der achtziger Jahre um rund 50 Prozent steigen.

In diesen Prognosen sind aber die Auswirkungen der letzten Preisverschiebungen auf dem ölsektor nicht berücksichtigt, die den Preisunterschied zwischen der elektrischen Energie und den flüssigen Brennstoffen stark verringerte. Eine Rückkopplung des ölpreises auf den Strompreis ist bei der derzeitigen Aufbringungsstruktur der österreichischen Elektrizitätswirtschaft nur begrenzt vorhanden. Die Verlagerung des Versorgungsrisikos vom Endverbraucher zu den Energielieferungsunternehmen ist bei der Elektrizität in größtem Maße gegeben. Dieser, insbesondere für den Kleinabnehmer bedeutende Umstand könnte sich ebenso in einer erhöhten Zunahme des Elektrizitätsverbrauches auswirken. Es ist demnach durchaus denkbar, daß die hohen Anforderungen, die an die Elektrizitätswirtschaft in nächster Zukunft gestellt werden, durch diese Umstände noch vergrößert werden.

Die österreichische Elektrizitäts-wirtschaft hat in ihrem koordinierten Kraftwerksausbauprogramm einen Ausbauplan für die erforderlichen Energieerzeugungsanlagen vorliegen. Die Ausbauplanungen für die Transport- und insbesondere Verteilnetze erfolgen auf Grund der regionalen Gegebenheiten. Die Planung der Verteilnetze kann dabei nach Maßgabe der Energienachfrage nur kurz- bis mittelfristig erfolgen, wobei sich Probleme mit der Einordnung dieser Planungen in die seitens der Raumplanung vorgesehenen Maßnahmen ergeben können.

Neben diesen technischen Aspekten stellt die Bereitstellung der für den Ausbau erforderlichen Geldmittel eines der größten Probleme für die österreichische Elektrizitätswirtschaf dar. Nach der erwähnten Studie des Bundesministeriums für Verkehr können maximal 50 Prozent der Investitionsmittel auf dem Kapitalmarkt als Fremdmittel aufgebracht werden. Knapp ein Drittel der erforderlichen Mittel werden durch Eigenkapitalverzinsung bzw. Baukostenzuschüsse abzudecken sein, die Aufbringung der restlichen rund 20 Prozent ist zur Zeit noch offen. Nach dem Vorschlag der Studie soll diese Differenz in Kombination von erhöhter Eigenkapitalaufbringung durch die Eigentümer der einzelnen Elektrizitätsgesellschaften, im wesentlichen Bund und Länder, und durch Tarif maßnahmen erfolgen.

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