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Von MANFRED DRENNIG

Die drastische Verschlechterung der Ertragslage nicht nur der Gesamtindustrie, sondern vor allem vieler Unternehmen der verstaatlichten Industrie spätestens seit 1982 ist bekannt. Wie darauf reagiert wurde, gleichfalls: Im wesentlichen wurden und werden die auftretenden Verluste aus Rücklagen und Eigenkapital und, wo dies nicht mehr möglich ist, durch Subventionen gedeckt.

Dem Vorteil der Erhaltung der Arbeitsplätze steht dabei nicht nur die neuerliche Belastung des Budgets, sondern auch die Verzerrung der Konkurrenzverhältnisse gegenüber. Wenn Unternehmen, die keine Subventionen erhalten, mit Unternehmen in Wettbewerb treten müssen, die über Subventionen und damit über Kostenvorteile verfügen können, hinter denen keine Effizienzvor- teile stehen, dann ist die Leistungsfähigkeit eines Grundmechanismus der freien Marktwirtschaft, nämlich der freien Konkurrenz, beeinträchtigt. Dann funktionieren nämlich genau jene Auswahlmechanismen nicht mehr, die das Überleben der leistungsfähigeren Betriebe gegenüber den weniger leistungsfähigen sicherstellen sollen.

Sind die eingetretenen Verluste wirklich immer nur auf mangelnde wirtschaftliche Effizienz, überhöhte Ausgaben und zu geringe Anstrengung zurückzuführen? Zumindest in Einzelfällen ist das genaue Gegenteil nachweisbar. Vergleicht man etwa Produktivitätskennziffern der VÖEST- Alpine mit denen anderer Stahlproduzenten, dann zeigen sich zwar erhebliche Kostennachteile, die aus dem Standort und der Struktur des verfügbaren Rohmaterials resultieren, kaum aber solche der technologischen Qualität, der Produktionsstruktur oder der Produktionskosten.

Der spezifische Energieverbrauch der VÖEST-Alpine je produzierter Tonne liegt niedriger als

in der Bundesrepublik Deutschland, in Frankreich, Großbritannien und den USA und wird lediglich von japanischen Produzenten unterboten. Ein Arbeiter der VÖEST im Hüttenbereich erzeugte 1981 im Durchschnitt 238,3 Tonnen Rohstahl. In Frankreich waren es im selben Zeitraum 218 Tonnen, in Großbritannien 189 und in der BRD 235 Tonnen.

Aus dem Beispiel ist erstens einmal abzuleiten, daß die Analy-

se betriebswirtschaftlicher Kennziffern und Erfolgsvergleiche ein durchaus taugliches Mittel wäre um festzustellen, was die einzelnen Unternehmensleitungen selbst dazu beigetragen haben, um sich in der internationalen Krise bestmöglich zu behaupten. Mit Fug und Recht kann nämlich verlangt werden, daß Subventionen nicht nur davon abhängen, daß ein Unternehmen Verluste hat, sondern auch davon, daß es alles Menschenmögliche getan hat, um diese auf ein Minimum zu beschränken…

Wir sind drauf und dran, Konstruktionen für den Fall zu schaffen, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse eine angemessene Amortisation des Eigen- und Fremdkapitals nicht mehr ermöglichen. Das ist nicht weniger als Kapitalvernichtung durch die wirtschaftliche Entwicklung, außerdem aber, und das ist fast ebenso schwerwiegend, die Gewöhnung an eine solche Situation durch Ersatzkonstruktionen (Subventionen oder Auffanggesellschaften), die uns eine Zeitlang die Illusion vermitteln, man könnte sich in solchen Situationen häuslich einrichten, wenn man nur wisse, wie. Das kann man nicht.

Eine Besserung der gegenwärtigen Situation kann auf Dauer ver

mutlich weder von einer forciert expansionistischen Politik erwartet werden (sie stößt an die Grenzen der Finanzierbarkeit) noch von einer restriktiven Politik, die für den Kampf gegen Inflation und Überschuldung einen untragbar hohen Preis verlangt. Ohne private Initiative, die mutig genug ist, Risken zu tragen, und frei und beweglich genug ist, um bei aller Anerkennung sonstiger Erfordernisse ihre Investitionsentscheidungen letztlich doch nur am Effizienzkriterium zu orientieren, wird ein neuerlicher Aufschwung kaum möglich sein.

Will man sich selbst nicht die Voraussetzungen für künftiges wirtschaftliches Wachstum zerstören, dann wird es unumgänglich sein, die Voraussetzungen für ausreichende Kapitalbildung zu schaffen. Bloße Strukturkonservierung erscheint nämlich (auch) unter diesem Gesichtspunkt ganz besonders sinnlos. Die Beschränkung von Subventionen auf jene Fälle, in denen die Unternehmensführungen nachweisen können, daß sie von der Qualität ihrer Produkte und der Produktionsstruktur her alles getan haben, um nicht hinter dem Ausland zürück- zubleiben, gewinnt auch unter diesem Aspekt zusätzlichen Sinn.

Förderung der Investitionen, Förderung der Kapitalbildung, Energiesparen, Forschung und Innovation sind alles außerordentlich wichtige Dinge, nur wissen wir das ohnedies gut genug. Worauf es meiner Meinung nach jedoch ebenfalls ankommt, das ist die Fähigkeit, in relativ kurzer Zeit relativ komplizierte Strukturen zu schaffen. Die rasche Bewältigung einer neuen Produktionsweise, die rasche Erschließung eines neuen Marktes, die rasche Schaffung eines neuen Unternehmens sind Dinge, die vor allem organisatorisches Können und Know-How erfordern.

Der Autor ist stellvertretender Generaldirektor der Länderbank.

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