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Studenten als Betreuer

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„Ein schwerkranker Mensch ist hilflos, er ist auf Gedeih und Verderb auf die Hilfe und Geduld anderer angewiesen. Er wird auf das „Kind“ reduziert. In unseren technisierten Spitälern aber bleibt der Patient oft sich selbst überlassen, Ärzte und Pflegepersonal sind überfordert und haben wenig Zeit. Die seelische Hilfe ist ein entscheidender Faktor für die Genesung. Eine Medizin aber, die die Hoffnung nicht aufrecht hält, ist keine Medizin.

Der Patient muß sich mit seiner Krankheit auseinandersetzen können, dazu gehört das Gespräch mit dem Arzt. Die Medizin ist keine Geheimwissenschaft, und die Subordination des Patienten muß der Vergangenheit angehören. Die Beziehung Arzt und Patient muß auf einer ganz neuen Partnerschaft beruhen. Dies betonte Prof. Erwin Ringel, der Leiter der psychosomatischen Abteilung der psychiatrischen Universitätsklinik in einer Forumsdiskussion über „Die psychische Betreuung Schwerkranker“. Ringel forderte Wahrheit zwischen Arzt und Patienten. Der Kranke müsse zur richtigen Zeit und in richtiger Form mit seiner Diagnose vertraut gemacht werden. Das sei wichtig, um die Abwehrkräfte im Menschen zu mobilisieren. Dazu bedarf es aber eines Konzeptes, eine bloße Mitteilung genüge nicht.

Der Leiter der Intensivstation an der II. Chirurgischen Universitätsklinik Prof. Herbert Benzer meinte, der Intensivpatient erhalte eine Therapie zur Erhaltung aller Vitalfunktionen, dazu gehöre auch die Funktion der Seele und ihre Betreuung. Man müsse dem Schwerkranken vor allem die Angst nehmen, der Apparat könne einmal ausfallen. Benzer wie Dozent Herwig Thoma, der Leiter des Ausschusses für Psychohygiene, forderten wiederholt ein neues Uberdenken des Einsatzes der Krankenseelsorger - in der Richtung, wie es auf der Psychiatrischen Universitätsklinik gehandhabt wird. Es sei unhaltbar, die Kranken nur für einen Moment zu sehen und praktisch nur Versehgänge zu leisten.

Dozent Eva Pichler von der Kinderklinik ging auf das erkrankte Kind ein, das in erster Linie nach seinen Eltern verlangt. Wenn das Kind eine Vertrauensperson im Spital gefunden hat, sei es meistens sehr kooperativ. Man müsse ihm die Angst vor der Fremde, vor dem Schmerz zu nehmen versuchen, ihm zeigen, daß man es ernst nimmt und ihm helfen will

Kinder, aber auch die Erwachsenen brauchen das Streicheln, das Gefühl, nicht allein zu sein. Ein Schwerkranker braucht aber oft die ganze Zuwendung eines Menschen. Wo nicht Angehörige bereitstehen, könnten Medizinstudenten eine Betreuung übernehmen, die von unschätzbarer Bedeutung sein kann.

„Hierzulande wird die Krankheit mißachtet, und der Schwerkranke hat das Gefühl, vom Leben ausgeschlossen zu sein. Eine psychosoziale Unterstützung durch Sozialhelfer und Studenten ist dringend nötig“, sagte Prof. Ringel.

Die Studenten werden dort nicht als Psychologen eingesetzt, sie sollen nur der verlängerte Arm von Arzt und Pflegepersonal sein, um die Isolation der Kranken zu durchbrechen und die Kommunikation mit der Umwelt zu fördern. Ein Student, der bereits täglich eine Stunde Betreuungsdienst leistet, berichtete, er hätte für seine spätere Praxis soviel dazuge-lernt, wie in den sieben Jahren seines Studiums.

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