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Studenten sind für eine Politik der Mitte

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(hlc)-Den heurigen Hochschülerschaftswahlen kommt besondere Bedeutung zu. Denn diesmal wurde nicht nur über die Zusammensetzung des „Studentenparlaments" abgestimmt, sondern auch über die Frage, ob die Studentenvertretung weiterhin mit Pflichtmitgliedschaft organisiert sein soll. Auch wenn man die zahlreichen Karteileichen unter den Wahlberechtigten in Rechnung stellt, sind die etwas über 30 Prozent Wahlbeteiligung kein Ruhmesblatt für die junge Intelligenzia. Daß aber mehr als 80 Prozent für die Pflichtmitgliedschaft stimmten, sollte den Arbeiter-, Handels-, und übrigen Kammern doch mehr Vertrauen in die eigene Organisation einflößen. Es sollte zu denken geben, wenn JES und FSI (Junge Europäische und Freiheitliche Studenteninitiative) ihren Kampf für die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft und zugleich Stimmen verloren haben, während die unter Kleinkoalitionären in der ÖVP als links geltende Aktionsgemeinschaft fünf Mandate dazugewinnen konnte. Auch der innerhalb der SPÖ als sehr links angesiedelte VSStÖ (Verband sozialistischer Studenten) mußte Verluste hinnehmen. Der Akademikernachwuchs wünscht also keine Extreme.

nes Patienten auf höhere Gewalt bei Lebensbeendigung beruft."

Leon Schwartzenberg, der die Arbeit des Unterausschusses geleitet hat, ist in Sachen Euthanasie kein Unbekannter. 1987 hat er sich öffentlich dazu bekannt, an einigen seiner Krebspatienten aktive Euthanasie betrieben zu haben. Nach einem kurzen Gastspiel als französischer Gesundheitsminister wurde er 1990 aufgrund seiner Äußerungen verurteilt, berief aber gegen das Urteil ebenso wie sein ehemaliger Mitstreiter, der jetzige französische Gesundheitsminister Claude Evin (der in Frankreich die Einführung der Abtreibungspille RU-486 durchgedrückt hat).

Angeblich eine gängige Praxis

Daß die Euthanasie-Debatte von persönlich an einer Änderung des Gesetzes Interessierten betrieben wird, zeigte auch das holländische Beispiel. Da hatten sich Tausende Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger in einem „Schwarzbuch" zu Wort gemeldet, um eine Legalisierung der Tötung auf Verlangen zu erreichen. Weil es sich ohnedies um eine gängige Praxis handle, verlangten sie „Entkri-minalisierung" ihres Tuns. Auch das erinnert an die Abtreibungsdebatte und läßt bezüglich der Entwicklung in Sachen Euthanasie kaum günstige Prognosen zu. Beklemmend, daß ein weiterer Dammbruch in Sachen Lebensschutz vom Europaparlament ausgeht.

Wieso bewegt sich die Unmenschlichkeit so konsequent auf uns zu? Alle Jahre wieder gibt es erregte Debatten über Euthanasie. Argumente pro und kontra werden ins Treffen geführt.

Dann klingt die Debatte ab - um irgendwo wieder angefacht zu werden. War es im Vorjahr eine Diskussion in der deutschen Zeitung „Die Zeit", ist es heuer die Debatte um die Absage des Wittgenstein-Symposions zum Thema Euthanasie in Österreich. In beiden Fällen erhitzten sich die Gemüter am „Philosophen" Peter Singer.

Man müsse in einer Demokratie doch über alles reden können, argumentieren die

Befürworter solcher Debatten - und die Euthanasiefans. „Nein", antworten vor allem die Behindertenverbände, „wir fühlen uns allein schon von solchen Gesprächen bedroht." Und ich denke, sie haben recht. Auch ich fühle mich von solchen Gesprächen bedroht. Ich weiß nicht, in welche Lebenssituation ich einmal selbst gerate.

Das ewige Diskutieren hat doch nur den Effekt, daß man beginnt, das eigentlich Undenkbare zu denken, das Leben des Mitmenschen nicht mehr als heilig, als unantastbar, sondern grundsätzlich als verfügbar anzusehen. Damit wird eine existenzsichernde Grenze überschritten. Diese Debatten sind ein Mittel der Bewußtseinsveränderung. Sie dienen nicht dazu, endgültig Klarheit zu schaffen, sondern sind Pfopagan-da-Tribünen der Veränderer. Mit der Zeit gewöhnt sich der Bürger an das Undenkbare.

Das Schlimmste aber ist: Die Argumente der Befürworter der Tötung entsprechen dem Zeitgeist. In allen übrigen Fragen wird heute auch nach dem Nutzen gefragt. Warum sollte man bei der Frage des Lebens nicht auch eine Kosten-Nutzen-Analyse anstellen?

Ein Präjudiz gibt es ja schon: Ungeborene, die ihren Eltem nicht willkommen sind, werden auch aus „humanitären" Überlegungen getötet.

So ist leider abzusehen, daß früher oder später Euthanasie legalisiert werden wird. Eine Gesellschaft, die Leben nicht als Geschenk Gottes, sondern als physikalischchemisches Geschehen betrachtet, die im Leiden keinen Sinn erkennen kann, die keine Tabus kennt und die Wahrheit nicht als zeitlos gültige Vorgabe, sondern als eine von Mehrheitsentscheidungen abhängige Willensbildung ansieht, hat auch keine wirklichen Barrieren gegen Nützlichkeitsüberlegungen.

Die Euthanasie zu legalisieren, entspricht letztlich der Logik des Kosten-Nutzen-Denkens. Wo sie gesetzlich zugelassen wird, werden sich die Menschen nicht nur in Pflegeheimen und Spitälern noch unbehaglicher fühlen.

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