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Studienreform und Forschung

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Neujahrsansprachen des Bundespräsidenten (oder auch des Bundeskanzlers) haben in Österreich nicht den politischen Stellenwert einer „State-of-the-Union“-Adresse; und dennoch sind sie stets wie diese politischen Jahresbilanzen, die allgemein mehr Beachtung verdienten. Die Ansprache des Bundespräsidenten zu Beginn des Jahres 1979 enthielt Aussagen zur internationalen Lage Österreichs - und der daraus offenbar ableitbaren Staatspolitik; ohne dabei erkennbar wissenschaftspolitische Aussagen getroffen zu haben, berührt diese Besinnung gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt alle, die über österreichische Studienreformen und über österreichische Forschungspolitik grundsätzlich nachdenken und Beiträge liefern wollen.

Worin besteht der Zusammenhang, der bisher nur geringe spezifische Berücksichtigung gefunden hat, in der nächsten Gesetzgebungsperiode aber konkrete Berücksichtigung finden sollte? Die frühzeitig beendete Legislaturperiode hatte zur Folge, daß zwei sehr wichtige Vorhaben nicht mehr das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen konnten: das Forschungsorganisationsgesetz -FOG - und der Entwurf einer Novelle des Allgemeinen Hochschul-Stu-diengesetzes (1966). Beide Materien müssen nun in der folgenden Gesetzgebungsperiode wiederum zur Diskussion stehen; sie erlaubten, den gesetzgeberischen Anstoß zu Studienreformen und forschungspolitischen Maßnahmen zu geben, die Österreich neben anderen wissenschaftspolitischen Rahmenbedingungen auch als

„kleineren“, neutralen, demokratischen Staat des europäischen Binnenkontinents begreifen.

Für den kleineren, neutralen Staat haben vor allem zwei Gesichtspunkte eine spezifisch wissenschaftpolitische Bedeutung: Ressourcenknappheit und die internationale „Arbeitsteilung“ in der Wissenschaft.

Knappe Resourcen sind keineswegs allein knappe Finanzmittel; in der Wirtschaftsstruktur, die bestimmte Herausforderungen oder Bedürfnisse artikuliert, liegen ebenso Beschränkungen wie in der Personalstruktur, wonach für bestimmte Wissenschaftsgebiete nur eine „Schichte“ von Experten greifbar ist.

Auch für Österreich gilt, daß nicht alle Disziplinen betrieben, ausgebaut, gefordert werden können; Forschungsanstrengungen müssen koordiniert und konzentriert werden, einige Entwicklungen können überhaupt nicht verfolgt werden. Die Berufungspolitik hat regelmäßig weiterreichende Bedeutung als in wissenschaftlich differenzierten großen Staaten.

Daraus läßt sich ableiten, daß Grundlagenforschung vorrangig sein soll, weil sie die Nachwuchsschulung „offen“ läßt, ökonomische und flexible Neuorientierungen vorbereitet; daß die Normalforschung der einzelnen Forschungsstätten, insbesondere die Verbindung von Forschung und Lehre an den Hochschulen, breit betrieben und gefördert werden muß, weil sie den Nährboden für spezielle Anstrengungen und die Vorbereitung auf Großinvestitionen - wie Schwerpunkte, nationale Programme - darstellt; daß ferner die Koordination und Schwerpunktbildung besonders sorgfältig und gestützt auf den Rat international versierter österreichischer Wissenschaftler geplant werden muß, daß die „Effizienz“ des Systems, insbesondere die Berufsvorbildung an den Hochschulen, international getestete Qualität der Leistung ist; daß schließlich Forschungs- und Hochschulengagement unabdingbar geworden sind.

Eine Teilnahme am internationalen wissenschaftlichen Prozeß dieser Art wird bedingt durch ein Bildungssystem, das junge qualifizierte Men-• sehen auf die internationale Kooperation vorbereitet - Sprachkenntnisse, Austausch, Reisen; durch ein Wirtschafts- und Wissenschaftssystem, das Mobilität in alle Richtungen fördert, die Mitarbeit in internationalen Gremien, Projekten, Programmen ermöglicht und sichert, den Zugang zu den internationalen Informationssystemen erweitert.

Waren alle diese Punkte im Rahmen der Vorbereitung eines FOG schon in die Beratung miteinbezogen worden, besteht also Verständnis für solche Erfordernisse neben anderen Erfordernissen, so fehlen diese Gesichtspunkte bisher weitgehend im Rahmen der Vorbereitung der zweiten Phase der Studienreform; bedarf es dort einer Verstärkung der Akzente, so bedarf es hier einer Neuorientierung. Das Interesse an Mobilität bei den Studierenden ist gesunken, nicht nur in Österreich; Sprachstudien und -beherrschung - außerhalb der einschlägigen Studienrichtungen - sind wenig gefragt, Reisen werden touristisch unverbindliche Ereignisse, nicht Bildungsmöglichkeiten; die Gestaltung der Lehre und der Curri-cula bedürfte einer stärkeren Ausrichtung auf Internationalität und Vergleichung. Nicht allein die Naturwissenschaften und die technischen Wissenschaften sind „international“; der gleiche internationale Standard gilt für alle Geistes- und Sozialwissenschaften.

(Der Autor ist Generalsekretär des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung)

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