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Sturm auf Tirols „heiKgen Berg“?

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Am Weißseefernei- im hintersten Kaunertal wurde kürzlich Tirols viertes Sommerschigebiet eröffnet. Die Kaunertaler haben bei der Erschließung ihres Gletschers neue Wege beschritten. Sie haben aus den Fehlern anderer Projekte gelernt und auch bei den verschiedenen Bauten und Anlagen die Umweltsituation bestmöglich berücksichtigt.

So wurde die Hochgebirgs-Pa-noramastraße vom Gepatsch-Stausee zum Weißseeferner vorbildlich trassiert und dem Gelände angeglichen. Das Gletscherre-

staurant ist eine ansprechende Holzkonstruktion mit rauch- und geruchsfreier Müllverbrennungsanlage imd vollbiologischer Kläranlage. Außerdem wird die Abwärme der zur Stromerzeugung eingesetzten Dieselaggregate zur Beheizung des Gebäudes verwendet.

Trotz all dieser Pluspunkte läßt sich nicht hinwegdiskutieren, daß ein weiteres Stück Alpenlandschaft der Ursprünglichkeit entrissen und ein bislang ziemlich ruhiges Tal nun auch dem Trubel des Massentourismus mit all seinen negativen Begleiterscheinungen (Verbauung, Autokolonnen, Veränderung der Volksmentalität) preisgegeben ist.

Die Talbewohner und ihre offiziellen Vertreter sehen das natürlich anders. Bürgermeister Eugen Larcher appelliert zwar an seine

Gemeindebürger, „trotz des zu erwartenden Aufschwungs ein bescheidenes Volk zu bleiben, das überlieferte Werte in Ehren hält und weiterhin herzliche Gastlichkeit bietet", aber bisher ist es noch nirgends gelungen, die zwangsläufigen Konsequenzen einer forcierten Entwicklung zu verhindern. .

Die Argumente, die zu solchen Erschließungen und den damit verbundenen weitreichenden Veränderungen führen, lassen sich allerdings nicht mit schönen Worten und hehren Vorstellungen vom Tisch fegen.

Landeshauptmann Eduard Wallnöfer, selbst ein Landwirt, gebraucht in diesem Zusammen-

hang gerne die Formulierung, „daß die Bewohner der Tiroler Täler vom Rosenkranzbeten allein nicht leben könnten". Und es ist nun einmal eine Tatsache, daß durch derartige Einrichtungen der Lebensstandard der Bevölkerung gehoben und die Landflucht gebremst werden konnte.

Obwohl gerade gegen die Gletschererschließungen der Osterreichische und Deutsche Alpenverein Sturm laufen und selbst der jetzige Tiroler Bischof, Reinhold Stecher, ein AV-Mitglied und aktiver Bergsteiger, in seinen Predigten immer wieder mahnende Worte gegen die Uberforderung der Natur findet, kann man einem Teil der Bevölkerung kaum verwehren was man anderen zugesteht.

So dreht sich der Kreislauf weiter. Schon arbeiten die Pitztaler am Projekt Mittelbergfemer, in unmittelbarer Nähe von Tirols „heiligem Berg", der Wildspitze, und die Gemeinde Prägraten im Osttiroler Virgental strebt die Errichtung eines Gletscherschigebietes an der Südseite des Groß-venedigers an. Lediglich die Gemeinde Galtür im Paznauntal lehnte Erschließungswünsche interessierter Kreise ab, „weil es im Tal ohnehin schon genügend Lifte gibt".

Das Argument der Galtürer hätte allerdings bereits für ganz Tirol Gültigkeit. Das bestreitet auch der für diesen Problemkreis zuständige Beamte im Amt der Tiroler Landesregierung, Hofrat Wolf gang Girardi, nicht: „Wir haben heute genügend erschlossene Schigebiete in Tirol und es werden sicher nicht mehr viele neue Pisten gebaut. In unserem Pisten-Seilbahnkonzept steht nun die Qualitätsverbesserung im Vordergrund."

Solange Fortschritt und Wohlstand in einem Tal untrennbar mit den touristischen Möglichkeiten verbunden sind, läßt sich der Umweltkonsum nicht stoppen, es sei denn, daß — etwa im Wege eines Finanzausgleiches - auch einmal die Bewahrung der Natur honoriert würde. Doch davon ist man in Osterreich noch weit entfernt.

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