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Suche nach einem neuen Gleichgewicht

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Von über dreißig A bgeordneten der Koalitionsparteien im Stich gelassen, ist die Regierung der Christdemokraten Cossiga gestürzt worden und Italien in seine vierzigste Regierungkrise der Nachkriegszeit geraten. Mühsam versucht seit Anfang dieser Woche der christdemokratische Parteipräsident Arnaldo Forlani das zerbrochene Porzellan zu kitten. Ob ihm eine Regierungsbildung gelingt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob er auch innerhalb seiner eigenen Partei Brücken bauen kann.

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Von über dreißig A bgeordneten der Koalitionsparteien im Stich gelassen, ist die Regierung der Christdemokraten Cossiga gestürzt worden und Italien in seine vierzigste Regierungkrise der Nachkriegszeit geraten. Mühsam versucht seit Anfang dieser Woche der christdemokratische Parteipräsident Arnaldo Forlani das zerbrochene Porzellan zu kitten. Ob ihm eine Regierungsbildung gelingt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob er auch innerhalb seiner eigenen Partei Brücken bauen kann.

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Als „verwahrlost" beschimpfte ein Direktionsbeschluß der Democrazia Cristiana (DC) jene unbekannten Volksvertreter (vor allem eigene Parteifreunde, aber auch sozialistische Partner), die am 27. September in geheimer Abstimmung Cossigas Gesetz zur Inflations-Bekämpfung und damit ihn selbst zu Fall brachten, nachdem sie vorher am gleichen Tag die Vertrauensfrage, die Cossiga vorsorglich stellte, in offener Abstimmung positiv beantwortet hatten.

Heuchelei oder Feigheit? Der Vorgang machte das Vertrauensvakuum sichtbar, das unter der dünnen Decke notdürftiger Eintracht schon lange, im Grunde von Anfang an Cossiga bedroht und ihn am energischen Regieren gehindert hatte. Schon seit Anfang 1979 .die Kommunisten aus der Regierungsmehrheit ausschieden und nach ihren Stimmeneinbußen bei den Juni-Wahlen ihre Opposition weiter verhärteten, sucht Italien vergebens nach einem neuen Gleichgewicht.

Das erste Kabinett Cossiga, das im August 1979 zunächst nur als Ubergangslösung entstanden war, wurde im Frühjahr 1980-nach dem christdemo„Mißmut und Mißtrauen waren schon vorprogrammiert. Und Berlinguers KP zerrte diese Schwächen der Regierung an die Oberfläche"

kratischen Parteikongreß - durch ein zweites ersetzt, dem der sozialistische Parteichef Craxi eine neue stabile Mehrheit zu verschaffen schien.

Nur eine knappe Mehrheit von 58 Prozent der christdemokratischen Kongreß-Delegierten und der neue Parteichef Piccoli glaubten, mit diesem „linken Alibi" die Kommunisten ausmanövrieren zu können. Sie täuschten sich dabei ebenso wie die Mehrheit der Sozialisten.

Bei all seiner Wendigkeit hatte Craxi nämlich nicht bedacht, daß er den Christdemokraten eine „linke" Politik, die den Kommunisten vielleicht das Wasser abgraben würde, schwerlich zumuten konnte, und daß ihn umgekehrt auch die linke Minderheit in seiner eigenen Partei nicht so weit nach „rechts" gehen ließ, wie es der Koalitionsfrieden erfordert hätte.

Mißmut und Mißtrauen waren so, wenn auch untergründig, schon vorprogrammiert. Und Berlinguers KP zerrte diese Schwächen der Regierung immer heftiger an die Oberfläche.

Weitergaloppierende Inflation und verschärfte Arbeitskonflikte, zuletzt durch angekündigte Massenentlassungen bei „Fiat", boten den Kommunisten Gelegenheit, sich an die Spitze der Arbeiterproteste zu stellen und ihre Unentbehrlichkeit für jedes Krisenmanagement in Erinnerung zu rufen. Zuletzt drohte Berlinguer in Turin sogar etwaige Fabrikbesetzungen zu unterstützen.

Damit dürfte er bei manchen Koalitionsabgeordneten einen Furchtreflex ausgelöst haben, der Cossigas dünne Mehrheitsbasis zum Einsturz brachte. Wie eng dabei wirtschaftliche, soziale und politische Stabilität verquickt sind, erwies sich, als am gleichen Tage „Fiat" die Entlassung von 18.000 Arbeitern verschob und die Gewerkschaften den angekündigten Generalstreik absagten.

Die Ungewißheit, wie es in Italien weitergehen soll, ist gleichwohl gräßer denn je. Wer immer die nächste Regierung bildet, und wie immer sie aussehen wird (wahrscheinlich verbreitert auf Sozialdemokraten) - die Illusion, nicht nur ohne, sondern dabei auch gegen die Kommunisten regieren zu können, ist verflogen. Schon zeichnet sich in der Democrazia Cristiana eine Annäherung der Piccoli-Führung an die „linke" Andreotti-Zaccagnini-Gruppe ab.

„Im Geiste der nationalen Solidarität" wolle man jetzt auf wirksamste Weise den „Confronto", das Kräftemessen mit den Kommunisten suchen,

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