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Süchtigen kann man helfen

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Aus privater Initiative entstand vor acht Jahren das KIT. Es hilft Drogensüchtigen, diesen scheinbar rettungslos Verlorenen, auf dem Weg ins Leben zurück. Nicht jeder wird geheilt, aber jedem, der es versucht, wird eine Chance gegeben.

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Aus privater Initiative entstand vor acht Jahren das KIT. Es hilft Drogensüchtigen, diesen scheinbar rettungslos Verlorenen, auf dem Weg ins Leben zurück. Nicht jeder wird geheilt, aber jedem, der es versucht, wird eine Chance gegeben.

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Das Drogenproblem hat sich in Österreich (unabhängig davon, ob die Zeitungen gerade mehr oder weniger darüber schreiben) in den letzten Jahren weiter verschärft. Vorbei sind die Zeiten, da ein Student aus der städtischen Oberschicht, der ein paar Haschzigaretten zuviel geraucht hatte, und dann auf härteres umgestiegen ist, den typischen Drogenabhängigen darstellte.

Nicht zuletzt dank der sehr intensiven und auch sehr erfolgreichen Bekämpfung des Dealerunwesens in den großen Städten ist das Drogenproblem aufs Land gezogen, wo die wenigen Gendar-

men mit der Verkehrsregelung ausgelastet sind. Jene Gebrauchen immer härterer Drogen werden immer jünger.

Der typische Abhängige unserer Tage hat keinen Hauptschulabschluß und keine Berufsausbildung, stammt aus einem Ort mit 5000 Einwohnern, aus einer zerbrochenen Familie. Wenn er oder sie mit 20 Jahren noch lebt und an ein Aufhören denkt, ist er oder sie zumeist vorbestraft und gesundheitlich sehr schlecht beisammen.

Alleine bringt das Aufhören fast niemand fertig. Die Therapieplätze haben sich in den vergangenen Jahren nicht in dem Maße vermehrt wie die Nachfrage nach ihnen. In Tirol gibt es seit über acht Jahren eine Einrichtung, die, auf eine private Initiative zurückgehend, noch immer unabhängig ist wie am ersten Tag: das KIT (Kontakt — Information — Therapie).

Schon bei der Fünf-Jahresfeier im Herbst 1979 sagte Kornelius Kryspin-Exner, Leiter der psychiatrischen Universitätsklinik und dem KIT mehrfach verbun den, das besondere an dieser Einrichtung sei es, daß sie überhaupt fünf Jahre alt geworden sei — ein Alter, das vergleichbare Privatinitiativen selten erreichen.

Inzwischen haben sich die personellen und räumlichen Voraussetzungen weiter gebessert, das Therapieangebot wurde erweitert. 15 Mitarbeiter, vom Laientheologen bis zum Sozialarbeiter, vom Krankenpfleger bis zum ehemaligen Drogengebraucher, sind unter der Leitung des seit acht Jahren in Österreich (und vorher viele Jahre in Holland) tätigen Projektleiters Manfred Reicher an folgenden Orten im Einsatz:

• In Steinach am Brenner und in Schwaz befinden sich in einer aufgelassenen Landwirtschaftsschule und in einem ehemaligen Berggasthaus die Langzeiteinrichtungen, wo die „Klienten“ zwischen sechs und zwölf Monate bleiben. Hier sollen sie psychisch entwöhnt und auf das normale Leben vorbereitet werden.

• In Innsbruck unterhält das KIT eine Ubergangswohngemeinschaft, von der aus die Geheilten Schulen besuchen und in die Lehre gehen; von hier aus suchen sie Arbeit und Wohnung — beides in unseren Tagen gleich schwer zu finden, vor allem dann, wenn man nicht gerne laut sagt, was man zwischen seinem 15. und 25. Lebensjahr alles getrieben hat.

• Im Zentrum von Innsbruck be findet sich, in einer Dreizimmerwohnung, die Beratungsstelle, die sich immer mehr zur Drehscheibe des Vereines und seiner Therapiekette entwickelt. Von hier aus gehen die Mitarbeiter in das „Street work“, in die Szene nicht nur der Landeshauptstadt, um Entwöhnungswillige aufzuspüren und zu motivieren. Hier werden Eltern und Lehrer beraten.

Mit Erfolg (aber auch ohne Erfolg) Entlassene aus den Wohngemeinschaften werden von hier aus nachbetreut. In einem schulartigen Kurs werden hier die Klienten mit dem Grundwissen in Deutsch, Mathematik, Englisch wieder vertraut gemacht — sie haben ja in ihrer Sucht beileibe keine Bewußtseinserweiterung erfahren; ihr Wortschatz ist auf gut hundert Fachausdrücke zusammengeschrumpft …

Was die Aufbringung der Mittel anbelangt, stehen an erster Stelle in der Wertigkeit für den Verein die Spenden (am liebsten Daueraufträge). Leben kann eine Einrichtung dieser Größenordnung, bei der die Lohnsumme heuer schon fast drei Millionen Schilling ausmacht, jedoch nur von den Tagessätzen, welche die Länder aus Rehabilitationsmitteln bezahlen. Dank der Spenden und einer vorsichtigen Finanzgebarung, und dank seiner nach wie vor eher bescheidenen Gehälter, kann das KIT mit Stolz sagen, daß noch nie ein Klient abgewiesen wurde, weil sich für. ihn kein Zahler fand.

Der Steuerzahler darf sich folgendes ausrechnen: Ein Klient verbraucht, bis er geheilt der Welt, seinen Eltern zurückgegeben werden kann, rund 200.000 Schilling. Er zahlt das an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, auch wenn er wenig verdient, in weniger als zehn Jahren wieder

„zurück“. Für den Obmann des Vereins, Paul Lechleitner, ist eine solche Rechnung allerdings unstatthaft. Für ihn ist es eine Frage der Glaubwürdigkeit unserer Gesellschaft schlechthin, ob sie denen, die einmal gestrauchelt sind, wieder aufhilft oder ob man sie liegen läßt.

Die Geschichte des KIT, von den Anfängen in bescheidensten Verhältnissen, über das Abbrennen des Taxerhofes, seiner zweiten Einrichtung, ist eine Aneinanderreihung von gemeisterten Schwierigkeiten. Es gibt meiner Ansicht nach keine vergleichbar schwere Arbeit — daher ist der Verbrauch an Mitarbeitern gewaltig. Besonders die immer wieder auftretenden Rückfälle von Leuten, in die man so viel seiner eigenen Substanz investiert hat, sind schwer zü verkraften.

Kontonummer des Vereins: 0000-085.134 bei der Sparkasse Innsbruck

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