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Südtirol

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Das Wort „Südtirol“ erweckt in jedem Österreicher schmerzliche Gefühle. Nach dem Ersten Weltkrieg mußte dieses schöne Land, das bis dahin bis zur Klause von Salurn nur rund 3 Prozent italienische Bewohner hatte, an Italien abgetreten werden. Die Politik des faschistischen Italien siedelte nicht nur viele Italiener in Südtirol an, sondern versuchte auch die deutschsprachigen Bewohner durch eine brutale Politik zu italianisiieren. So gesellte sich zu dem Schmerz um den Verlust dieses Landes auch noch der Schmerz der Österreicher über das Leid der Südtiroler. Nach dem Zweiten Weltkrieg hoffte Österreich zuversichtlich, Deutsch-Südtirol zurückzuerhalten. Aber schon 1946 beschlossen die Alliierten, dieses Gebiet weiter bei Italien zu belassen. Um den deutschsprachigen Südtirolern wenigstens eine Autonomie zu retten, schlössen der damalige österreichische Außenminister Gruber mit dem damaligen Ministerpräsidenten de Gasperi am 5. September 1946 in Paris ein Abkommen, das den Deutsch-Südtirolern diese Autonomie garantierte. Der Leidensweg der Südtiroler aber war mit dem Abschluß dieses Vertrages nicht beendet. Die Italiener schufen eine neue Region „Bozen-Trient“, wodurch die Italiener in diesem Gebiet weiterhin in der Überzahl blieben. Außerdem erklärte Italien, obwohl dies nicht stimmte, daß nach dem Abschluß des Pariser Abkommens Südtirol eine innere Angelegenheit Italiens sei. Weder Öster-

reich noch die Südtiroler gaben sich mit dieser Sachlage zufrieden. Viele Südtiroler erhoben die Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht und hofften auf diese Weise doch noch mit ihrem Gebiet zu Österreich zurückzukehren. Durch die Aufnahme des Pariser Abkommens in den italienischen Friedensvertrag wurde dieses Abkommen aber doch rechtlich

auftragte Italien und Österreich, über das ganze Problem Gespräche zu führen. Dadurch wurde Österreich als eine Art Schutzmacht der Südtiroler anerkannt und die ganze Angelegenheit aus der rein italienischen Atmosphäre herausgehoben. Aber erst 1969 führten diese Gespräche zu einem endgültigen Ergebnis, auf Grund derer den Südtirolern eine weitgehende Autonomie eingeräumt wurde und Österreich auch das Recht erhielt, über die Einhaltung dieser Autonomie zu wachen.

Das vor kurzem erschienene Buch „Südtirol und Österreich“ hat mit unendlicher Akribie alles Material über dieses Problem für die Zeit von 1945 bis 1969 zusammengetragen und bildet somit eine wertvolle Dokumentensammlung über dieses schmerzliche Kapitel europäischer Zeitgeschichte.

Die österreichische Öffentlichkeit hat inzwischen ein zweites, umge-

kehrtes Südtirol erlebt: die Slowenenfrage in Südkärnten. Hiebei zeigte sich die traurige Tatsache, d^ß die Österreicher sehr oft nicht bereit waren, den Slowenen in Kärnten das zu gewähren, was sie für die Südtiroler als gutes Recht forderten. Aber heute, nach dem Erlebnis mit mit Südtirol, sollte die österreichische Öffentlichkeit diesem Problem wacher und gerechter gegenüberstehen. In einem Europa, das sich immer mehr zur Freiheit bekennt und übernational zu denken beginnt, sollte es keinen Winkel geben, wo eine, wenn auch noch so kleine Volksgruppe in ihrem Dasein gefährdet sein dürfte. Dies gilt auch für Südkärnten.

SÜDTIROL IN OSTERREICH. Die Südtirolfrage in der österreichischen Diskussion 1945 bis 1969. Von Werner Wolf, Holzner-Verlag, Würzburg. Leinen. 282 Seiten.

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