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Südtirol bleibt unser aller Anliegen

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In den letzten zwei Fragen der Autonomie für Südtirol zeichnet sich eine Lösung ab. Österreich hat aber auch in der Nachpakets-ära seine Schutzaufgaben zu erfüllen.

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In den letzten zwei Fragen der Autonomie für Südtirol zeichnet sich eine Lösung ab. Österreich hat aber auch in der Nachpakets-ära seine Schutzaufgaben zu erfüllen.

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Am 10. September 1919 mußte der österreichische Bevollmächtigte Karl Renner den Staatsvertrag von Saint Germain unterzeichnen, in dem das Tirol bis zum Brenner an Italien abgegeben wurde.

Vergebens war der Versuch des amerikanischen Präsidenten Wilson, die Nachkriegswelt nach Prinzipien wie Selbstbestimmung und Neuziehung der Grenzen entlang klar erkennbarer Linien der Nationalität zu gestalten.

Vergebens war der Beschluß der Tiroler Landesversammlung, einen neutralen Freistaat Tirol auszurufen, „falls nur dadurch die Einheit Tirols erhalten werden kann".

Damit war das Dogma der Unteilbarkeit Tirols zerschlagen. Österreich verlor eine seiner schönsten Landschaften und in Italien errang der fanatische Annexionspolitiker Ettore Tolomei, auf den der Mythos der Brennergrenze zurückgeht, einen großen Prestigeerfolg.

Im Oktober 1920 hat Italien diesen Teil Tirols annektiert, der von diesem Zeitpunkt an als Südtirol bezeichnet wurde.

Aber es sollte noch schlimmer kommen. Der politischen Zerreißung sollte eine menschliche Verfeindung folgen, die bis zu Schikanierung und Verfolgung der eigenen Landsleute ausartete.

Die Italienisierungspolitik Mussolinis erreichte mit der mit Hitler abgeschlossenen „Berliner Vereinbarung" von 1939 ihren absurden Höhepunkt: Die Südtiroler wurden vor die Wahl gestellt, sich entweder als Italiener zu deklarieren — und damit ihrem Volkstum abzuschwören — oder für das Deutsche Reich zu optieren und einer Aussiedelung in die deutschen Ostgebiete zuzustimmen.

Die Optionsbewegung und der dadurch hervorgerufene Fanatismus, mit welchem die große Mehrheit der Optanten gegen die „Dableiber" vorging, veranlaß-ten Friedl Volgger — den ersten Obmann des von den „Bleibern" gegründeten „Andreas Hofer-Bundes" —, dieses Verhalten als „das übelste Kapitel in der Geschichte Tirols überhaupt" zu bezeichnen.

Sofort nach dem 2. Weltkrieg suchte Österreich das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol in einer Volksabstimmung durchzusetzen. Nachdem es aber mit dieser Forderung nicht durchdrang, kam es im September 1946 zum „Pariser Abkommen", das auch, den Namen der Hauptverhandler entsprechend, Gruber-DeGaspe-ri-Abkommen heißt.

Entgegen den Bestimmungen dieser Vereinbarung, welche den deutschsprachigen Südtirolern eine Autonomie sicherstellen sollte, wurde eine autonome Region „Trentino-Alto Adige" geschaffen, die wenig später die amtliche Bezeichnung „Trentino-Tiroler Etschland" erhielt.

Bozen und Trient waren zwar „autonome Provinzen", der größte Teil der Kompetenzen wurde aber entweder auf die Region übertragen oder notwendige Durchführungsbestimmungen nicht erlassen.

Nachdem auch Triest, trotz vorhergehendem Verlangen der italienischen Regierung, ohne Volksabstimmung 1954 an Italien fiel, machte sich Frustration in Südtirol breit. Das Recht auf Selbstbestimmung schien nicht mehr zu existieren.

Sprengstoffanschläge und Verhaftungen kennzeichneten die Lage Südtirols zu Beginn der sechziger Jahre. Österreich brachte nun das Problem Südtirol wegen Nichterfüllung des Pariser Abkommens durch Italien vor die Vereinten Nationen und den Europarat.

In der Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1947 wurde das Recht Österreichs anerkannt, als Schutzmacht (der Ausdruck „Garantiemacht" wäre passender) für die deutschsprachigen Bewohner der Provinz Bozen mit Italien zu verhandeln.

Die „19er Kommission" wurde gebildet, deren Arbeiten schließlich den Weg zum „Paket" ebneten. Dieses intern mit den Südtirolern ausgearbeitete „Paket" stellt eine Punktation von Maßnahmen der Autonomieregelung dar und wurde am 30. November 1969 - vor 15 Jahren — in Kopenhagen durch den sogenannten Operationskalender auf zwischenstaatliche Ebene gehoben.

Die Durchführung des Pakets für die seit 1972 durch ein neues Autonomiestatut nun offiziell „Trentino-Südtirol" genannte Region schritt anfangs zügig voran. Dort aber, wo die Durchführung immer schleppender vor sich ging bzw. geht, sind es jene Zusagen, die deutlich Fragen des Volkstums und solche der Minderheitenfreundlichkeit betreffen.

Trotz der Verzögerung zeichnet sich allerdings auch in der Durchführung der zwei letzten wichtigen Bestimmungen, nämlich Gleichstellung der deutschen Sprache vor den Gerichten und Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes für die Provinz Bozen, eine Lösung ab.

Autonomie und steigender Wohlstand haben aber auch bei vielen Südtirolern zu einer anderen Einstellung gegenüber Österreich geführt. Nach Ermacora habe die Autonomie sogar zu einer „Verselbständigung im Lande" und zu einem „gewissen Loslösungsprozeß von Österreich" beigetragen.

Das formelle Ende des Konflikts um die Durchführung des Pariser Abkommens stellt eine Streitbeendigungserklärung dar.

Der im letzten Punkt des Operationskalenders vorgesehene „Abschluß eines österreichisch-italienischen Vertrages betreffend die freundschaftliche Zusammenarbeit" würde sicherlich große Erleichterungen in den bilateralen Beziehungen zur Folge haben.

Eins muß dennoch klargestellt werden: ein derartiger Freundschaftsvertrag ist nur dann sinnvoll, wenn darin Südtirol auch in der Nachpaketsära als österreichisches Anliegen verankert ist.

Der Autor studiert an der Diplomatischen Akademie in Wien.

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