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Sündenbock Arafat

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Die katastrophale Niederlage der Flugzeugentführer in Entebbe ebenso wie die sich bereits abzeichnende Niederlage in dem jetzt fünfzehn Monate andauernden libanesischen Bürgerkrieg führte innerhalb der Dachorganisation und in ihren Einzelgruppen zu einer bislang nie dagewesenen Frustration.

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Die katastrophale Niederlage der Flugzeugentführer in Entebbe ebenso wie die sich bereits abzeichnende Niederlage in dem jetzt fünfzehn Monate andauernden libanesischen Bürgerkrieg führte innerhalb der Dachorganisation und in ihren Einzelgruppen zu einer bislang nie dagewesenen Frustration.

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Den Berufs-Palästinensern dämmert, daß sie im Begriffe sind, im Libanon ihre letzte Aktionsbasis an den Grenzen Israels zu verlieren. Weiter scheint ihnen allmählich klar zu werden, daß sie mit der Entführung des Zivilflugzeuges einer be-

freundeten Nation den Bogen überspannt haben. Selbst die blindwütigsten Terroristen unter den „Fedajin“ können sich an den fünf Fingern abzählen, daß internationale Maßnahmen gegen den Guerillaterror durch das Abenteuer von Entebbe unausweichlich geworden sein dürften und daß ihnen die Herausforderung der zivilisierten Welt künfthin wesentlich schwerer fallen dürfte.

Erstaunlicherweise bewerkstelligen diese auch im palästinensischen Lager offen ausgesprochenen Erkenntnisse kein Überdenken der sowohl im libanesischen Bürgerkrieg als auch auf dem Feld des internationalen Terrorismus als total gescheitert anzusehenden bisherigen Strategie. In den Tagen, die seit dem Ende des Geiseldramas von Entebbe verflossen sind, läßt sich von mit der Guerillaszene vertrauten Beobachtern lediglich eine rapide Radikalisierung unter den Freischärlern registrieren. Das Endziel, die Vernichtung Israels, ist plötzlich wieder in weite Ferne gerückt, und nicht einmal das Nah- und Zwischenziel, die Gründung eines Palästina-Rumpfstaates, das von Arafat angestrebt worden war, scheint jetzt noch realisierbar. Die Schuld an allem gibt man Arafat. Es wird argumentiert, seine Strategie eines „Marsches durch die weltpolitischen Institutionen“ und einer diplomatischen Rege-

lung des Palästina-Konfliktes sei gescheitert. Vergessen sind die Triumphe des PLO-Häuptlings vor der UN-Vollversammlung, die eine leichtgläubige Welt ihm allzu eilfertig verschaffte. Vergessen ist auch, daß Arafat vor Ausbruch des Bürgerkrieges im Libanon kurz vor seinem Ziel stand, und die Weltöffentlichkeit einschließlich Amerikas bereit war, Israel zu zwingen, einen höchstwahrscheinlich aggressiven, revanchistischen Palästina-Staat direkt vor seiner Haustür zu dulden.

In Kairo untergeschlüpfte PLO-Funktionäre, an ihrer Spitze der Beruf smörder „Abu Ijad“, wollen Arafat, dessen Strategie sie in den vergangenen Jahren fortwährend mit Gewalt durchkreuzt haben, jetzt über die Klinge springen lassen. Erleichtert wird ihnen das durch einige Charakterfehler des gegenwärtigen PLO-Chefs. Arafat befindet sich in der für seine Organisation und deren Ziele außerordentlich kritischen Situation wieder einmal weit vom Schuß. Auch während des „Schwarzen September“ von 1970 in Amman, und im libanesischen Bürgerkrieg glänzte er jeweils durch Abwesenheit und machte dadurch von sich reden. 1970 war er im entfernten Korea, als seine Anhänger von den jordanischen Truppen niedergemacht wurden. Als der Sturm der Milizen auf die beiden PLO-Hochburgen in Beirut begann; weilte er in Nordafrika. Chalaf hat es daher leicht, Arafat als Feigling abzustempeln. Er strebt selbst an die Führungsspitze der PLO. Sollte ihm das gelingen, hat die Welt von den durch die Ereignisse im Libanon und in Uganda auf den anarchistischen Kern verbrecherischer Marodeure reduzierten „Fedajin“' noch einiges Böse zu erwarten. „Abu Ijad“ nämlich, war der Gründer und Chef des berüchtigten „Schwarzen September“, zu dem die PLO damals jedoch kategorisch jede Verbindung leugnete.

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