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Sündige Strukturen verwerfen

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Der Begriff strukturelle „Sünde" ist ein neuer Begriff, bei dem es sich fragt, ob er geeignet sei, gewisse vorhandene Tatbestände deutlicher in den Blick zu bekommen. Ein neues Wort hat ja im Grunde den Sinn, auf kurze prägnante Weise auf einen Tatbestand aufmerksam zu machen, den man, ist dieses Wort nicht vorhanden, nicht so deutlich sieht___

Es muß deutlich festgehalten werden, daß eine strukturelle Sünde, bzw. das, was damit sachlich gemeint ist, verschieden ist, und zwar wesenhaft, von der persönlichen Sünde. Ein Mensch kann zum Beispiel zwar vor Gottes Gericht die persönliche Sünde verantworten müssen, eine sogenannte strukturelle Sünde als solche kann wegen Fehlens eines Subjektes nicht unmittelbar vor dem Gericht Gottes gerichtet werden...

Schon von daher scheint es mir selbstverständlich zu sein, daß „Sünde" im Wort strukturelle Sünde und Sünde im persönlichen Sinn höchstens analoge Begriffe sind und nicht univok verstanden werden können. Das ist weiter nicht verwunderlich, da wir im Falle der Erbsünde eine solche Differenz, eine bloße Analogheit der ,J£rbsünde" haben, wenn sie mit persönlichen Sünden verglichen wird. Das gilt erst recht von der sündigen Struktur.

Ich würde durchaus empfehlen, von sündigen Strukturen—trotz aller Vorbehalte — zu sprechen. Warum?

Dieses Wort ist heute deshalb nützlich, weil durch Sünde induzierte Strukturen in der Gesellschaft, eben weil sie zu neuer Sünde, zur Verzweiflung von Menschen, zu nicht-sein-sollendem Hunger und Not und den sich daraus wieder ergebenden personalen Sünden führen, wirklich sündig sind, also auch mit aller Negation bekämpft werden müssen, die ein Christenmensch gegenüber der Sünde hat.

Wenn wir sagen, es gibt gesellschaftliche, sündige Strukturen, dann machen wir darauf aufmerksam, daß es in der Gesellschaft, Gesetze, Bedingungen und Voraussetzungen geben kann, die wir als Christen nicht nur nicht weniger gern haben oder aus einer modischen Haltung heraus anders wünschen würden, sondern bekämpfen als aus der Sünde herkommende und zur Sünde führende Strukturen, die wir verwerfen müssen mit jener Haltung, die ein Christ gegenüber der Sünde haben muß.

Auszug aus dem Beitrag „Zur Problematik der .Strukturellen Sünde'" in KSO (Schriftenreihe der Katholischen Sozialakademie) 6/84.

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