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Sumpfblüten wachsen nur in einem Sumpf

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Bundespräsident Rudolf Kirchschläger nahm in seiner Eröffnungsrede bei der Welser Landwirtschaftsmesse am 29. A ugust erstmals auch zu dem Thema Stellung, das in diesem Sommer Österreich überschattete: zum AKH-Skandal. Seine Worte weisen aber weit über den konkreten Anlaßfall hinaus: Sie sind eine unüberhörbare Mahnung, im politischen, wirtschaftlichen und privaten Leben wieder mehr nach Gesichtspunkten der Moral zu handeln. Die FURCHE veröffentlicht diesen A bschnitt der Rede des Bundespräsidenten im Wortlaut.

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Bundespräsident Rudolf Kirchschläger nahm in seiner Eröffnungsrede bei der Welser Landwirtschaftsmesse am 29. A ugust erstmals auch zu dem Thema Stellung, das in diesem Sommer Österreich überschattete: zum AKH-Skandal. Seine Worte weisen aber weit über den konkreten Anlaßfall hinaus: Sie sind eine unüberhörbare Mahnung, im politischen, wirtschaftlichen und privaten Leben wieder mehr nach Gesichtspunkten der Moral zu handeln. Die FURCHE veröffentlicht diesen A bschnitt der Rede des Bundespräsidenten im Wortlaut.

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Für Schadenfreude darüber was woanders passieren kann, ist ebensowenis Platz, wie auch für eine in manchen Mitbürgern aufkommende Angst, daß der demokratische Rechtsstaat vielleicht doch nicht in der Lage wäre, der Korruption Herr zu werden.

Denn ehrlich müssen wir gestehen: Das, womit sich das zuständige Gericht und der parlamentarische Untersuchungsausschuß in diesen Wochen beschäftigt, ist nicht die erste Korruption in unserer Zweiten Republik.

Und dort und da wird im Zusammenhang damit auch wieder ein Ruf nach einem starken Mann laut, unter dem es all dies nicht gäbe.

Viele von uns haben es an sich selbst erfahren, wohin das Regiment eines sogenannten starken Mannes führt. Was wir brauchen, ist nicht ein starker Mann. Der Rechtsstaat ist stark genug, auch mit diesen verabscheuungswürdi-gen Mißbräuchen fertig zu werden.

Was wir aber brauchen, sind charakterlich starke Demokraten mit einem hohen Berufsethos - und zwar in jedem Bereich, im wirtschaftlichen ebenso wie im politischen. Wir brauchen diese charakterlich starken Demokraten überall; oben und unten, in den Funktionen mit großer und in den Funktionen mit kleiner Verantwortung. Und wir brauchen sie auch im privaten, im ganz persönlichen Leben.

Wir haben in einer für den moralischen Zustand unseres Volkes gefährlichen Weise uns daran gewöhnt, manchen Delikten das Wort „Kavalier" voranzusetzen und haben damit vergessen gemacht, daß sie trotzdem Delikte bleiben.

Dies hat von der Wurzel her den Blick für die Grenze dessen, was zu tun shrenhaft ist und was zu tun nicht ehrenhaft ist, getrübt. Die Uberweisung eines Betrages auf ein ausländisches Konto ist ja erst die letzte, die verab-scheuungswürdigste Variante in der Stufenleiter der vielen kleinen Versuche, etwas zu erreichen oder früher zu erreichen, was anderen verwehrt ist.

All das, was jetzt die täglichen Nachrichten erfüllt, und bis zur vollständigen und absoluten Klarstellung und Offenlegung aller Sachverhalte auch erfüllen muß. all das kann zu einer heilsamen Kur für unsere Republik und für unser Volk werden, wenn wir bereit sind, uns nicht nur daran zu ergötzen, daß eine Anzahl von Menschen eingesperrt oder an den Pranger gestellt werden, sondern wenn wir - auch für uns persönlich und in allen unseren Einflußbereichen -die Art unserer Pflichterfüllung und die Gewohnheiten unseres täg-ichen Lebens vom Gesichtspunkt der Ehrlichkeit, der Aufrichtigkeit, der Treue gegenüber den übernommenen Pflichten, kurz gesagt: vom Gesichtspunkt der Moral überdenken.

Vielleicht erwarten manche, daß ich mehr konkrete verurteilende Aussagen mache. Ich glaube an die Qualität der österreichischen Rechtssprechung und ich glaube auch an das ehrliche Bemühen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, die Wahrheit zu finden.

Ich weiß, wie schwer diese Aufgabe Wahrheit zu finden, ist. Sie zu prajudi-zieren, steht mir nicht zu.

Vielleicht mag das, was ich gesagt habe, auch manchen etwas altmodisch klingen. Aber meine Lebenserfahrung geht eben dahin, daß Sumpfblüten unauffällig nur in einem Sumpfe wachsen können.

Beginnen wir also überall mit det Trockenlegung der Sümpfe und nehmen wir auch gleich die sauren Wiesen dazu.

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