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Super-Kohl
Was haben wir Deutschen, insbesondere wir Bayern, unserem Bundeskanzler Kohl nicht schon alles an Unrecht zugefügt! Nur weil er so tolpatschig auftritt, in regenbogen- 1 farbenen Sprechblasen formuliert, sich manchmal wirklich sehr ungeschickt ausdrückt oder einfach auch nur populäre Gemeinplätze unters Volk wirft.
Aber jetzt blieben uns doch unsere eigenen boshaften Kohlwitze im Hals stecken, als wir aus England erfahren mußten, für wie gefährlich da ein leibhaftiger Handelsminister den deutschen Bundeskanzler hält.
Friede seiner politischen Asche: Minister Nicholas Ridley mußte zurücktreten! Aber vermutlich auch nur, weil sein Rausch offenbar so. stark war, daß er auch noch die Wahrheit darüber auszuplaudern drohte, daß Lady Thatcher offenbar das gleiche denkt wie er.
Nun kann man ja Helmut Kohl manches nachsagen, aber für den Vorwurf des imperialistischen Machthungers,für die Absicht, Europa zu unterwerfen und erst recht für einen Vergleich mit Adolf Hitler ist er nun wirklich die falsche Adresse. Er ist vor allem auch der falsche Typ.
Unser Super-Helmut will nur von allen so geliebt werden, wie er es von Euch Österreichern glaubt, und er will überhaupt nicht gefürchtet werden. Fürchten m üssen ihn nur „Freunde ", die ihn nicht genügend lieben.
Zu diesen Freunden gehörten einmal die viel begnadeteren Redner und politischen Geister Barzel, Stoltenberg, Biedenkopf, Strauß, Geißler, Süßmuth, Späth und Albrecht, die er alle elegant ausmanövriert hat. Mit seinem Sitzfleisch allein kann er das doch wohl nicht geschafft haben.
So wie die Engländer einst Hitler unterschätzt haben, so überschätzen sie jetzt Helmut Kohl. Er will weder eine deutsche Hegemonie in Europa noch die Unterwerfung der Welt. Er hat vielmehr nur das bescheidene Ziel, als der größte deutsche Kanzler und als Schöpfer des neuen vereinten Deutschland in die Geschichte einzugehen.
Das kann man ihm doch wirklich gönnen. Noch dazu, wo er immerhin in den sieben Jahren seiner Regierungszeit einen deutschen Wirtschaftsaufschwung geschafft hat, mit dessen Hilfe nun der gesamte Ostblock aus dem KonkursSumpf des Sozialismus herausgezogen werden soll.
Wenn nun ein so gemütlicher Pfälzer Leberwurst-Fan wie Helmut Kohl jedes Jahr zweimal zum Fasten, Baden und Wandern nach Österreich kommt, dann dürft Ihr als die Lieblings-Nachbarn des großen und gewichtigen Wiedervereinigungs kanz lers wirklich glücklich sein. Und vor allem dankbar für jedes Kilo Kohl, das er auf Eure Erde vertropft!
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