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Symbolfigur der konziliaren Kirche

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Wiens unermüdlicher Alt- Erzbischof, Kardinal Franz König, feiert am 3. August seinen 85. Geburtstag. Kaum jemand kennt den Jubilar so gut wie der Autor dieses Beitrags.

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Wiens unermüdlicher Alt- Erzbischof, Kardinal Franz König, feiert am 3. August seinen 85. Geburtstag. Kaum jemand kennt den Jubilar so gut wie der Autor dieses Beitrags.

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Kardinal Franz König ist ein kommunikativer Mensch und dazu noch in vielen Sprachen. Gleich- zeitig blieb er verschlossen, wohl schon seit seiner Jugend. Von 1956 an in verschiedenen Funktionen an seiner Seite, habe ich ihn in vielen Situationen kennengelernt und wage dennoch nicht zu behaupten, ihn ganz zu kennen. Zu seinem 85. Geburtstag sind mir unter anderem folgende Eindrücke wieder leben- dig geworden.

Kardinal Königs Wirken als Erz- bischof von Wien ist nicht einfach zu beschreiben. Jedenfalls ist in seinen dreißig Bischofsjahren vie- les gewachsen, weil er sich persön- lich so für die Seelsorge einsetzte, aber auch, weil er immer Menschen gefunden und animiert hat, selb- ständig und in Eigenverantwortung mit ihm und für ihn zu arbeiten.

Manche haben ihn sehr mißver- ständlich „liberal" genannt. Er war es nur in dem Sinn, daß er Initiati- ven, Bewegungen und neuen An- fängen freien Lauf ließ und sie nicht vorschnell oder ängstlich einengte.

Am deutlichsten wurde dies nach dem Konzil, besonders bei der Wiener Diözesansynode 1969 bis 1971. Da übertrug er in großer Eigenständigkeit die Hauptverant- wortung Erzbischof Franz Jachym. Dieser, der wie kein Zweiter die Erzdiözese kannte, war seit der Ernennung Königs zum Erzbischof im Hintergrund gestanden, betreu- te den Kirchenbausektor und fand neue Finanzierungsmöglichkeiten dafür durch die „kirchliche Auf- bauanleihe". Jetzt ging Jachym im Auftrag und mit dem ganzen Ver- trauen Königs souverän ans Werk, die Erneuerungstendenzen der Gesamtkirche nach dem Konzil für die Kirche in Wien zu übersetzen.

Aus der Synode kamen vor allem eine verstärkte Mitverantwortung der Laien, einzeln und in Gremien, eine Verlebendigung der Liturgie und schließlich die Teilung der Diözese in drei Vikariate. Für alle völlig einsichtig, wurde Jachym nun zum Generalvikar ernannt, was er vorher zehn Jahre lang abgelehnt hatte. Zu Bischofsvikaren bestellte König jene Priester, die ihm mit großer Stimmenmehrheit von Wahlgremien, bestehend aus Prie- stern und Laien, präsentiert wor- den waren.

In den so turbulenten Jahren nach dem Konzil gab es gerade in Wien viel weniger Polarisierung als an- derswo. König blieb mit fast allen Gruppierungen im Gespräch. Ob manchmal zu unverbindlich? Jeden- falls bildeten sich kaum organisier- te Gruppen. Selbst die SOG (Soli- daritätsgruppe engagierter Chri- sten), im deutschen Sprachraum weit verbreitet, konstituierte sich in Wien nie. Gerade weil König viel gewähren ließ, blieben die vielen beisammen und drifteten nicht aus- einander.

König mischte sich nicht vor- schnell in tagespolitisches Gezänk. Wenn er aber Stellung bezog, merk- ten viele auf und zollten ihm Re- spekt. Seine Silvesteransprachen im Fernsehen zum Beispiel haben Österreicher, weit über den Kreis der Kirchgänger hinaus, zum Nach- denken gebracht. Sein Verhältnis zu den großen politischen Parteien war unterschiedlich. Er ging nie auf „Äquidistanz", übrigens ein Wort, das gar nicht von ihm stammt.

Mit der ÖVP gab es viel Einzel- kontakte, regelmäßig auch Gesprä- che auf höchster Ebene, wo wir, seine Mitarbeiter, dabei waren. Die Fäden zur SPÖ haben andere ge- sponnen. Zu guter letzt aber wird es historisches Verdienst Königs sein, die alte, so bedauerliche Kluft zwischen Arbeiterschaft und Kir- che weitgehend geschlossen zu haben.

Für die Seelsorge brachte dies einen unschätzbaren Fortschritt. Was früher fast unmöglich war: Heute nehmen auch SPÖ-Wähler am kirchlichen Leben teil und ge- stalten es sogar als Pfarrgemeinde- räte mit. Manche meinen, diese Kirchenpolitik habe auch der SPÖ genützt.

Umso unbegreiflicher ist es, daß die Spitze der SPÖ gerade diesen Kardinal in der Diskussion um die Fristenlösung dann so brüskierte. Und jenen Kreisen - sie reichten bis nach Rom -, die heute noch Kardi- nal König hartnäckig vorwerfen, zu wenig gegen die Fristenlösung getan zu haben, sei in Erinnerung gerufen, daß er mit anderen Bi- schöfen zweimal in den Straßen Wiens demonstrierte.

Von keinem anderen Land ist mir bekannt, daß die Kirche gegen die Abtreibungsgesetzgebung direkte Mittel der Demokratie angewendet hat. In Österreich aber hat sie unter Königs Führung mit großem Nach- druck ein Volksbegehren unter- stützt. Und die Abtreibungszahlen sind in Österreich wahrhaftig nicht höher als in anderen Ländern.

König hat die Kirche in der Poli- tik präsent gemacht. Aber er war nie ein „roter" Kardinal.

Kardinal König kam von der Wissenschaft und hat die Liebe zu ihr trotz vielfältiger, ganz anders gearteter Aufgaben nie verloren. Sowohl das Studium der Sprachen wie die Beschäftigung mit den Weltreligionen kam aus der unstill- baren Neugier zu entdecken, wie wohl andere Menschen leben, den- ken und glauben. Er ist immer ein „neugieriger" Mensch geblieben, ein fragender.

Viele Wissenschaftler haben in seinem Haus verkehrt - wir waren oft Zeugen davon -, zahllose Sym- posien hat er in aller Welt veran- staltet. Er sprach mit Nobelpreis- trägem in Lindau, mit Naturwis- senschaftlern und Philosophen in München und in Rom. Er setzte stets das Thema, stellte viele Fra- gen und hörte aufmerksam zu. So wurde er zu einem sehr begehrten Gesprächspartner vieler Menschen aus dem geistigen und kulturellen Leben.

König hat wohl ganz persönlich interpretiert, was das Konzil mit der Öffnung zur Welt wollte, wie der Dialog mit der Welt sein sollte. Er hat in richtiger Weise die „Au- tonomie der irdischen Wirklichkei- ten" respektiert.

In seiner Person begegneten viele (noch) Nichtgläubige der Kirche. Ob es dabei Bekehrungen gegeben hat? Wer kann das so genau sagen! Jedenfalls hat König durch diese seine Art die Kirche für sehr viele interessant und schätzenswert gemacht und dazu beigetragen, daß sie in allen Bereichen der Wissen- schaft, Kunst und Politik ernstge- nommen wurde und hohes Anse- hen genoß. Den Glauben selbst kann man nicht „machen", man kann andere zum Glauben nicht überre- den. Aber sicher hat er für viele das Vorfeld zum Glauben bereitet, Barrieren abgebaut und die Bot- schaft der Kirche in der so skepti- schen, modernen Welt glaubwürdi- ger gemacht.

Königs Einfluß und Ansehen in römischen Kreisen ist auch nicht einfach zu beschreiben. Auf der einen Seite gehört er zu den welt- weit bekanntesten Mitgliedern des Kardinalskollegiums. Sein Einfluß auf das Konzil ist aus den Akten ersichtlich. Höchste Anerkennung war wohl, daß ihm 16 Jahre lang das Sekretariat für die Nichtglauben- den anvertraut war. In höchstem Auftrag hielt er Gespräche mit Vertretern der Weltreligionen in Kairo und Bombay.

Andererseits aber scheute er klä- rende Auseinandersetzungen mit Vertretern römischer Dikasterien, wenn „Streitfälle" entstanden, Beschwerden gegen dies oder jenes * in seiner Diözese mit oder ohne sein Wissen in Rom deponiert wurden. Hier mag ein Grund liegen, daß das Bild der Kirche in Österreich in seiner Regierungszeit in manchen römischen Kreisen einseitig ver- zeichnet worden ist.

Einige Journalisten wollen von einer langen Freundschaft zwischen Kardinal König und dem jetzigen Papst wissen. Wenngleich es in Polen und in Rom sicher mehrfach Begegnungen der beiden Bischöfe gab: An häufige Besuche des dama- ligen Erzbischofs von Krakau im Haus des Kardinals kann ich mich nicht erinnern. Natürlich war dann Kardinal König später sehr oft beim Papst, und in seine Amtszeit fiel auch der erste, so eindrucksvolle Papstbesuch 1983 anläßlich des Österreichischen Katholikentages. Und doch hat König später öffent- lich bedauert, hinsichtlich seiner Nachfolge vom Papst nicht mehr, wie vorher zugesagt, persönlich konsultiert worden zu sein.

Kardinal König wird in diesen Tagen 85 Jahre und ist nun seit fünf Jahren von seiner Verantwortung als Diözesanbischof entlastet. Sein Arbeitsprogramm scheint nicht geringer geworden zu sein, es hat sich nur verändert. Er ist weiterhin begehrter Gastredner von den USA bis Moskau, schreibt Artikel und blickt berührend zurück in sein eigenes Leben und damit auch in die letzten Jahrzehnte der Kirchen- geschichte. König spricht heute vieles noch mutiger und klarer aus als früher. Wohl, weil er die „Regie- rungsverantwortung" nicht mehr hat, aber auch, weil die Weisheit des Alters aus ihm spricht. Wo immer er hinkommt, ist ihm großer Applaus sicher, stärker als je zuvor.

So manche Kritik von gestern ist vergessen, er ist zur Identifikations- figur einer nachkonziliaren Kirche in Österreich und in der Welt ge- worden. Sein Ansehen ist noch gewachsen bei Christen, auch bei NichtChristen und ganz bestimmt in nahezu allen Medien. Wir freuen uns mit dem „Geburtstagskind" über diesen spürbaren Lohn am Abend eines reichen Priester- und Bischoflebens. Kardinal Franz König möge uns noch lange Anlaß geben zu Applaus in dieser Kirche. Es sind sehr viele, die den jungge- bliebenen Jubilar noch lange brau- chen. Heute mehr, als man gestern noch gedacht hätte.

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