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„Synodaler Vorgang“ als Modell für Repräsentanz der Katholiken

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Die Diskussion um die Errichtung eines Nationalkomitees der Katholiken in Österreich wurde im Mai 1977 durch ein Interview mit dem FUR-CHE-Herausgeber und Generaldirektor des Styria-Verlages, Dr. Hanns Sassmann ausgelöst • und ist inzwischen von verschiedenen Seiten teils aktiv unterstützend, teils heftig befehdend aufgegriffen worden.

Sämtlichen Bestrebungen in Richtung eines Nationalkomitees scheint das Unbehagen mit der gegenwärtigen Form des öffentlichen Auftretens der tragenden Kräfte des österreichischen Katholizismus gemeinsam zu sein. Das kommt einerseits in Formulierungen wie „Wer ist befugt, für die Kirche zu sprechen?“ oder auch im Ruf nach dem „Reden mit einer Stimme“ zum Ausdruck. Zweifellos ist dieses Motiv wesentlich mitbeeinflußt durch die gesellschaftspolitische Entwicklung in Österreich. Diese zieht immer mehr Grundüberzeugungen und Wertvorstellungen, die bislang als gemeinsames Gut und unantastbare Basisüberzeugung aller demokratischen Kräfte in Österreich betrachtet wurden, in Diskussion und in den Streit der Parteien.

Auslösende Frage und Fanal war die Diskussion um die Fristenlösung. Inzwischen hat sich daran eine Reihe von weiteren Themen etwa im Bereich der Reform des Eherechtes, besonders der Scheidungsfrage, auch im Bildungsbereich nahtlos angereiht. Es ist nur zu verständlich, daß ein Unbehagen mit der - wie es scheint - mangelnden Kraft zur Artikulation der österreichischen Katholiken besteht und ein Ventü in einer neuen Verfaßtheit des Katholizismus gesehen wird. Gerade an diesem Punkt setzt allerdings auch die zum Teil sehr heftige Kritik am Projekt eines Nationalkomitees ein, wobei die Grundthese der Gegner darauf hinausläuft, daß es den österreichischen Katholizismus nicht gäbe, vielmehr viele „Katholizismen“, und daß ein solches Gremium, wie immer es konstituiert sei, nur für jene sprechen könne, die im Wege der Delegierung diesem Gremium ein Mandat übertragen haben, nicht aber für die Katholiken schlechthin.

Es gibt aber auch noch einen zweiten kritischen Punkt in der Diskussion um dieses Motiv, das ist die Frage nach dem Standort eines solchen Nationalkomitees im Verhältnis zur Bischofskonferenz als dem obersten Repräsentanten der katholischen Kirche in Österreich. Daß eine solche Fragestellung besteht, ist in der Tat durch die Entwicklung und Ausprägung verschiedener Katholizismen in Österreich nach 1945 bedingt: Einerseits die Katholische Aktion mit den ihr an-gehörigen Gliederungen, die sich von Anfang an unter die höhere Leitung der Bischöfe gestellt haben und dadurch in einem stärkeren Naheverhältnis zur Kirche stehen als anderseits der Verbandskatholizismus. Es erhebt sich nun die Frage, ob ein Nationalkomitee, das als öffentliche Repräsentanz des österreichischen Katholizismus betrachtet werden soll, in seinen Erklärungen der Zustimmung der Bischofskonferenz bedarf, was sicher zur Frage führt, warum die Bischöfe dann nicht gleich selbst sprechen, oder ob es von einer Zustimmung der Bischofskonferenz unabhängig ist, dann aber nicht selten der Versuch unternommen werden würde, einen Keil zwischen Erklärungen der Bischofskonferenz und solche des Nationalkomitees zu treiben.

Eng verbunden mit diesem ersten Motiv für den Ruf nach einem Nationalkomitee ist ein zweites Motiv, das sich mit dem Stichwort „Bessere und umfassendere Repräsentanz der Kräfte in der katholischen Kirche in Österreich auf nationaler Ebene“ umschreiben läßt. Die Entwicklung des organisierten Katholizismus in Österreich ist nach den Diözesansynoden in eine neue Phase eingetreten. Pfarrgemeinderäte auf Pfarrebene und Diöze-sanräte oder diözesane Pastoralräte auf diözesaner Ebene wurden begründet. Diese Gremien haben bis dato keine gesamtösterreichische Repräsentanz und es besteht gerade in jenen Diözesen, in denen diese Einrichtungen zunehmend Bedeutung für die diözesane Entwicklung gewonnen haben, das Bedürfnis nach einer solchen nationalen Vertretung. Hier besteht ein Vakuum und ein Verlangen zugleich.

Ein drittes Motiv muß genannt werden und zwar der schon in den Beschlüssen des österreichischen Synodalen Vorganges enthaltene Vorschlag, ein möglichst qualifiziert zusammengesetztes Beratungsgremium der Bischofskonferenz in gesellschaftspolitischen Fragen einzurichten. Ein solches Gremium hätte die Bischöfe immer dann zu beraten, wenn gewichtige Erklärungen abgegeben werden, die in den Bereich Gesellschaft und Politik hinreichen. Es sollte die gesellschaftlich und politisch relevanten Kräfte des organisierten Katholizismus, die wichtigsten Dimensionen gesellschaftlich-politischer Sachkompetenz und die wichtigsten Strömungen der innerkirchlichen öffentlichen Meinung umfassen. Sein Standort wäre allerdings ausschließlich ein Beratungsorgan der Bischofskonferenz.

Verbleibt die Frage, wie soll die Diskussion weitergehen, wenn sie zum Nutzen der kirchlichen Entwicklung in Österreich geführt werden soll? Es scheint verfehlt, die Diskussion ausschließlich um das als erstes genannte Motiv führen zu wollen, wenngleich dieses das stärkste Interesse und auch die intensivsten Für- und Gegenstimmen hervorrufen wird. Hier soll nun der Versuch unternommen werden, ein Modell zu präsentieren, das den genannten Motiven insgesamt in mehr oder weniger starker Form gerecht werden könnte und zugleich auf ein erst in der jüngeren österreichischen Kirchengeschichte praktiziertes, wenn auch einmaliges Modell zurückgreift: den österreichischen Synodalen Vorgang.

Der österreichische Synodale Vorgang - dieser Name braucht für eine künftige Zusammenkunft dieser Art keineswegs prolongiert werden - war die zum gegebenen Zeitpunkt annäherungsweise optimale Zusammensetzung der in der Kirche Österreichs wirksamen Kräfte. Jedes Nationalkomitee würde in sich die Gefahr bergen, ebenso zu versteinern und neue Entwicklungen nicht zu erfassen, wie dies für die Entwicklung des Laienaposto-lats in Österreich skizziert wurde, dahingegen bietet ein nicht gleich im „österreichischen Kirchenrecht“ verankerter Vorgang, dessen Zusammensetzung aus der konkreten Situation und unter Berücksichtigung auch der regional unterschiedlichen Entwicklung erfolgt, eine bessere Chance, wirklich die tragenden Kräfte des österreichischen Katholizismus zu versammeln. Die Bischöfe als oberste Repräsentanz hätten es dadurch auch in der Hand, steuernd einzugreifen und tatsächlich darauf zu achten, daß eine gerecht zusammengesetzte und repräsentative Versammlung zustande kommt.

Den Beratungen und Beschlüssen eines solchen Organs käme dann auch sicher ein hohes Maß an Repräsentati-vität für den österreichischen Katholizismus zu, und die Frage nach der Nähe oder Ferne solcher Erklärungen zur Bischofskonferenz erübrigt sich bereits aus der Konstruktion. Zudem böte eine Einrichtung dieser Art die Möglichkeit, die Zusammensetzung in Hinblick auf die zu behandelnden Themen zu variieren. Es soll ja nicht wie bei einer gemeinsamen Synode alle zehn Jahre das gesamte Spektrum kirchlicher Wirksamkeit durchleuchtet werden, sondern im Vorverfahren sollen jene Schwerpunkte herausgefunden werden, die eine raschere und den politischen Gegebenheiten gerecht werdende Beratung und Beschlußfassung ermöglichen.

Es versteht sich von selbst, daß eine solche Einrichtung, die dann allerdings nicht in zehnjährigen, sondern eher in vier- bis fünfjährigen Abständen einzuberufen wäre, auch die Aufgabe einer gesellschaftspolitischen Kommission für die Bischöfe erfüllen könnte.

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