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Taktischer Streit der Gemeinden um Ausfall der Gewerbesteuer

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Der Ausfall der Gewerbesteuer durch die Steuerreform zerrt schwer an den Nerven der ohnehin schon tief verschuldeten Bürgermeister.

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Der Ausfall der Gewerbesteuer durch die Steuerreform zerrt schwer an den Nerven der ohnehin schon tief verschuldeten Bürgermeister.

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Sony, meinte sinngemäß Finanzminister Ferdinand Lacina zu den Gemeindevertretern, die vergangene Woche zu ihm pilgerten. Sorry, wenn ich wegen der Steuerreform auf 17 Milliarden Schilling verzichte, braucht ihr wegen ein paar Millionen nicht zu jammern.

Franz Romeder, Präsident des Österreichischen Gemeindeverbandes, glaubte zu träumen: „Es geht um zehn Milliarden", kontert der kampferprobte Streiter und argumentiert: „70 Prozent aller öffentlichen Ausgaben müssen die Gemeinden tätigen." Doch diesem -auch medialen - Aufschrei der Bürgermeister folgte eine Nachhilfestunde in Sachen Steuerreform. In der Hitze des Gefechts hatten sie übersehen, daß der lauthals beklagte Ausfall der Gewerbesteuer - sie kam zur Gänze den Gemeinden zugute - durch die Steuerreform 1994 mit einer Beihe von Änderungen beinahe wettgemacht wird. I Zunächst war die Protest-Basis nicht ganz fair. Das Jahr 1991, dessen Daten als Berechnungsgrundlage herangezogen wurden, war noch ein besonders gutes Jahr für die Gewerbesteuer (9,3 Milliarden Schilling). Um den tatsächlichen Entgang zu berechnen, wären aber auch die niedrigeren Jahre heranzuziehen. Rezessionsbedingt wird der Ausfall der Gewerbesteuer etwa 1993 lange nicht soviel ausmachen. I Besonders die Gemeinden, die nun über einen hohen Ausfall von Gewerbesteuer klagen, müßten zur ehrlichen Rechnung auch die sogenannte Landesumlage heranziehen: Das ist eine Abgabe der Gemeinden an die Bundesländer, die bis jetzt direkt von ihren Anteilen an der Gewerbesteuer abgezogen wurde, je höher, desto mehr. Die nun wegfallenden Steueranteile waren daher von vornherein nicht in voller Höhe im Gemeindebudget spürbar. I Damit gewinnt vor allem die zum Ausgleich von zwei auf drei Prozent erhöhte Lohnsummensteuer (neu: Kommunalsteuer) wieder an Wert. Und nicht nur damit: I Der Kreis derer, die die neue Kommunalsteuer zahlen müssen, wird um die Berufsgruppen Freiberufler, Gemeinnützige Gesellschaften, Land- und Forstwirte und damit um etwa zehn Prozent erweitert (Ausnahmen gibt es bei den ÖBB und den Spitälern). Die Erhöhung macht also mehr als die bisher berechneten 50 Prozent aus.

Insgesamt, so schätzt Dietmar Pilz, Finanzexperte des steirischen Gemeindebundes, werden aus der Kommunalsteuer 1994 etwa 8,3 Milliarden Schilling in Gemeindekassen fließen, also fast die Höhe der entfallenen Gewerbesteuer. I Die laut proklamierte Ungerechtigkeit hat jedoch auch direkt positive Auswirkungen. Wenn die Betriebe weniger (Gewerbe-)Steuer zahlen, wird sich ihr Gewinn erhöhen und damit die Einkommensteuer, an der die Gemeinden beteiligt sind. Geschätzter Vorteil: rund 700 Millionen Schilling. I Auch von der letzte Woche für die Länder vereinbarten Erhöhung der Mineralölsteuer wird einiges den Gemeinden zugute kommen. I Vor allem aber hat Lacina mit folgendem Argument beruhigt: Durch die geänderten Fristen in der Einfuhr-Umsatzsteuer - der Termin für den Vorsteuerabzug wurde nach hinten verschoben - stehen den Gemeinden einmal, 1994, sowohl die alten, als auch schon die neuen Anteile zu Verfügung. Die Verteilung dieser zusätzlichen 1,5 Milliarden Schilling, so meint Lacina-Sprecher

Dietmar Ecker, sollten sich die Länder allerdings mit ihren Gemeinden selber ausschnapsen.

Ganz so schlecht wird es den Kommunen nach der Reform in Summe also nicht gehen, bestätigt Gerhard Lehner, Experte des Wirtschaftsforschungsinstitutes. Seine Vermutung: „Natürlich war das eher ein taktisches Aufschreien der Gemeinden." Der wirtschaftliche Hintergrund für die Gemeinden verleiht allerdings auch dem Taktieren eine gewisse Berechtigung.

So hat nämlich der Schuldenstand der öffentlichen Verwaltung auf lokaler Ebene tatsächlich beängstigende Ausmaße angenommen. Mit 114 Milliarden Schilling standen Österreichs Gemeinden 1991 in der Kreide. Das sind im Durchschnitt 57 Prozent ihrer Einnahmen, in einzelnen Bundesländern wie Burgenland oder Niederösterreich sind es weit mehr (92 beziehungsweise 70 Prozent).

Heuer klettert der Schuldenstand laut Voranschlag auf 118 Milliarden, 15.151 Schilling pro Kopf. Damit werden auch alle neuen Formen der Kreditbesteuerung noch

um eine Spur unbequemer: Und zwar wird Lacina den ursprünglichen Plan, das aushaftende Kapital jährlich zu versteuern, vermutlich wieder streichen. „Ich kann darauf verzichten", zeigte er sich nach Protesten in diesem Fall konziliant. Doch dürfte er die nun entgangene Steuer den Banken abknöpfen, was die Kredite schlußendlich genauso verteuert. Und je nach Gemeinde kann es große Unterschiede durch die reformierten Steuerschwerpunkte geben. Kaprun etwa rechnet mit einem Ausfall von 20 Millionen: Die dort ansässigen profitablen Tauernkraftwerke zahlten bis jetzt viel Gewerbesteuer und wenig Lohnsummensteuer.

Das heißt: Die aufgefettete Lohnsummensteuer (neu) wird den Ausfall aus der Gewerbesteuer nicht ausgleichen können. Kapfenberg hingegen, so errechnete Finanzexperte Pilz, „ist eine typische Verstaatlichten-Gemeinde".

Wegen mangelnder Gewinne fiel hier ohnehin nie viel Gewerbesteuer an, die Kommunalsteuer wird sich daher mit einem Plus von 19 Millionen bemerkbar machen.

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