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Taus Co. signalisieren neue Konturen der Oppositionspolitik

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Mehr als sechs Jahre liegt die Zeit der ÖVP-Regierungstätig-keit bereits zurück. Die Zeit der Koalitionskabinette ist gar schon zehn Jahre passe: Und noch immer muß sich die Volkspartei sagen lassen, ihr Handeln sei nicht das einer Oppositionspartei, es sei konsequent inkonsequent, in der Summe zuwenig verständlich und hart.

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Mehr als sechs Jahre liegt die Zeit der ÖVP-Regierungstätig-keit bereits zurück. Die Zeit der Koalitionskabinette ist gar schon zehn Jahre passe: Und noch immer muß sich die Volkspartei sagen lassen, ihr Handeln sei nicht das einer Oppositionspartei, es sei konsequent inkonsequent, in der Summe zuwenig verständlich und hart.

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Die Oppositionsrolle der ÖVP heute entspricht kaum einer sechseinhalbjährigen Anlaufphase. Und doch zeichnen sich nun mit der endgültigen Machtübernahme der vormals „jungen Löwen“ Taus, Lanner, Mock und Busek neue Konturen einer Oppositionsstrategie ab. Nicht die aufgebauschte Watergate-Affäre des Abgeordneten Steinbauer, wohl aber übereinstimmende Aussagen der ÖVP-Spitzen signalisieren härtere Bandagen für die Regierungspartei. Politisches Kontakt-Karate statt Eiszeit.

Vor fast genau 13 Monaten stieg

Dr. Josef Taus mit seiner Partei als Verlierer aus einem Wahlgang, der auf ÖVP-Seite gewissermaßen das Vermächtnis und Erbe Schleinzers darstellte. Dem Wählervolk präsentierte sich die ÖVP mehr als Trommler für eine „Konzentrationsregierung“, denn als Oppositionskraft.

Die Konzentrations-Idee ist inzwischen längst vom Fenster: „Die Konzentrationsregierung war eine geschlossene ÖVP-Linie“, weist Josef Taus persönliches Engagement in dieser Sache heute zurück, „und ich habe mich auf die Zusammenarbeitslinie der Parteien in Österreich konzentriert“. Taus sieht sich zwar nach wie vor als überzeugter Verfechter der Konsens-Idee, die er für eine „Notwendigkeit für unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem“ hält; er sieht aber auch die realpolitischen Grenzen der Zusammenarbeit: „Ich bin heute mit meiner Partei in der Opposition ... und den Eindruck zu erwecken, daß wir die Zusammenarbeit suchen, daß wir ihr nachlaufen ... das werde ich nicht tun!“

Nach den Wahlen in der Bundesrepublik Deutschland haben die Sozialisten den Teufel einer politischen Dreckschlacht an die Wand gemalt, damit aber auch vor einer kraftvollen Oppositionspolitik zu warnen versucht. Josef Taus gibt mittlerweile unverhohlen zu erkennen, daß gewisse Elemente der härteren deutschen Polit-Szenerie auch in Österreich unverzichtbar sein werden: „ ... so schlimm war das gar nicht; es war sicher ein harter Wahlkampf, ein auf Konfrontation aufgebauter Wahlkampf; aber ich glaube nicht, daß es hier um verbrannte Erde gegangen ist. Wenn die SPÖ nun hier in Österreich das Schreckgemälde des furchtbaren deutschen Wahlkampfes' zeichnet, dann will sie dem Bürger suggerieren: so soll's nicht sein, bei uns soll alles friedlich und ruhig sein. Die Opposition hat aber das Recht und die Pflicht zu kritisieren. Sie wird das auch hart tun!“

Anhänger eines neuen Oppositionsverständnisses der ÖVP ist auch ÖAAB-Chef Dr. Alois Mock. Schon in den letzten Jahren wehrte er sich nach Kräften gegen eine weiche Tour frei nach „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß“. So in der Frage der großen Stahl-Fusion, wo die ÖVP zwar dagegen stimmen, gleichzeitig aber nur ja nicht an irgendwelchen Industrie-Kreisen anstreifen wollte.

Kraftvolle, dynamische Opposition braucht nach Mock mit einer Politik der „verbrannten Erde“ und mit mangelnder Fairneß nichts gemein zu haben. Er sieht das von der Warte des Sportlers: „Wenn ich mit meinem Bruder an einem Wettrennen teilnehme, kann ich ja auch voll laufen, ohne unfair zu sein!“

ÖVP-Generalsekretär Dr. Sixtus Lanner („ ... ich bin nicht gewillt, mir im Detail in die Karten schauen zu lassen und damit kalkulierbar zu werden.“) hält zur Illustration folgendes Bild parat:

„Ein Kind, das man täglich schlägt, merkt sich gar nicht mehr, warum es geschlagen wird.“ Oppositions-Watschen soll es also nur in wohldosierter Form geben. Das Dilemma der Oppositionsparteien sieht Lanner so: „Zwischen Schwarzmalerei und dem Signalisieren kritischer Entwicklungen ist nur ein unerhört schmaler Grat ... Ich glaube aber nicht, daß es im Leben eine Regel gibt, wonach alles, was die einen machen, gut und alles, was die anderen machen, schlecht ist.“

In dieser Hinsicht hat die Volkspartei, wie Lanner auch zugibt, einen enormen Nachholbedarf. Die Oppositionspolitik der ÖVP wäre für viele um ein gehöriges Maß glaubwürdiger, würde die ÖVP manchmal eingestehen, sie hätte das eine oder andere Gesetz vermutlich um keinen Strich anders gemacht als die regierende SPÖ.

In nächster Zeit möchte Lanner den Beweis erbringen, daß die ÖVP auch auf verschiedenen Klavieren spielen kann: „Es ist nicht so, daß die ÖVP nur die Wahl hat, entweder hart oder sympathisch zu sein. Härte läßt sich durchaus vereinbaren mit Sympathie. Der Bauernbund hat heute ja auch ein besseres Image als je zuvor, obwohl wir erstmals in der Geschichte Wien .besetzt' haben“, weckt Lanner die Erinnerungen an den Traktoraufmarsch von 1971.

Die Weiterentwicklung ihrer inneren Strukturen wird in den nächsten Jahren sehr eng mit dem politischen Schicksal der ÖVP schlechthin verknotet sein. Läßt sich die ÖVP zu einer Interessenvertretungspartei für Bauern und Wirtschaftstreibende abstempeln und nimmt sie den Anspruch der SPÖ, selbst eine Volkspartei zu sein, unwidersprochen hin? Oder geht sie noch bewußter als bisher den Weg der Stärkung der inte-grativen Kräfte, des Primats der Gesamtpartei?

Die Tatsache, daß bereits der weitaus größte Teil der Bevölkerung dem Lager der Unselbständigen zuzurechnen ist, hat zwar in der Mandatsverteilung auf die einzelnen Bünde ihren Niederschlag gefunden: Im Nationalrat steht es 33 ÖAAB : 26 Bauernbund : 21 Wirtschaftsbund. Im Bundesrat verfügt der ÖAAB sogar über die absolute Mehrheit unter den ÖVP-Abgeordneten. Sieht man aber näher hin, dann zeigt sich, daß beispielsweise der Wirtschaftsbund unter den Abgeordneten mehr Privatangestellte stellt als der ÖAAB, dessen ureigenste Domäne das Privat-Angestelltentum sein sollte.

„Das Gespann Taus—Busek war schon kein bündisches Ergebnis mehr, die Bünde spielen insgesamt nicht mehr die Rolle, die sie einmal gespielt haben“, versichert Dr. Erhard Busek und meint, die ÖVP stehe nicht vor einem Bünde-Problem, sondern vor einem „strategischen Problem“. Mock wünscht sich eine „Evolution der Partei in Richtung einer stärkeren Integration der fünf Teilorganisationen“ und hofft auf eine weitere innere Strukturbereinigung.

Die Stärkung der Gesamtpartei bleibt ebenso der erklärte Wunsch von Partei-Chef Taus: „Es hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß der Primat der Partei gelten muß ... Ich finde, wir sind hier auf einem sehr guten Weg.“ Erste wichtige Etappe auf diesem Weg ist das Vorhaben, alle Bünde der ÖVP vorerst rein äußerlich unter ein Dach zu bringen. Taus ist auf permanenter Suche nach einem geeigneten Objekt: „Wir haben ununterbrochen neue Hausangebote; ich habe erst jetzt wieder zwei oder drei bekommen. Das Ganze muß nur finanziell stimmen ...“

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