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Tauziehen um alte Lösung

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Italiens Wählerschaft hat den Christdemokraten einen kräftigen Denkzettel verpaßt. Unter dem Strich allerdings hat sie die alte Fünfer-Koalition nur unwesentlich geschwächt.

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Italiens Wählerschaft hat den Christdemokraten einen kräftigen Denkzettel verpaßt. Unter dem Strich allerdings hat sie die alte Fünfer-Koalition nur unwesentlich geschwächt.

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Der Schock, den Italiens Christdemokraten durch das Wahlergebnis vom 27. Juni erlitten haben, könnte heilsam sein, wenn er sie in die Opposition verbannen würde. Aber den Streich den die Wähler ihnen und den Demoskopen spielten, traf nicht so sehr die vom jahrzehntelangen Regieren verbrauchte Partei, als die unvollkommene Demokratie des Landes.

Die nahezu sechs Prozent Stimmenverluste, die der Democrazia Cristiana zwar nicht die relative

Mehrheit kosteten, ihren Abstand von den Kommunisten jedoch auf kaum mehr als zwei Prozent verringerten, wiegen um so schwerer, als sie nur zum Teil den kleinen demokratischen Parteien, vor allem Republikanern und Liberalen zugute kamen.

Auch die leichte, wenn auch bedenkliche Zunahme der neofaschistischen „Sozialbewegung“ wäre zu verschmerzen, wenn der spektakuläre Mißerfolg der Christdemokraten nicht von einem beunruhigenden allgemeinen Trend begleitet wäre: Zehn Prozent aller Wahlberechtigten haben entweder nicht gewählt oder ungültige beziehungsweise weiße Stimmzettel abgegeben — eine Verweigerung, wie es sie in Italien noch nie gegeben hat.

Ausgewirkt haben sich Skandale und Affären der letzten Jahre nicht nur zum Schaden der Christdemokraten, die etwa in ihrer Hochburg Bari von 42 auf 33 Prozent fielen, auch die Sozialisten sind „bestraft“ worden: In Turin, wo vor drei Jahren ihr Parteichef Bettino Craxi einen neuen reformistischen Kurs einleitete, ihre Stadtverwaltung aber unter Korruptionsverdacht geriet, sind sie von 14 auf 10 Prozent zurückgefallen.

Craxis ehrgeizige Vorstellung, er könne zwischen Kommunisten und Christdemokraten großwerden, ist auf einen kläglichen Stimmengewinn von einem Prozent geschrumpft.

All dies hat gleichwohl die alte F ünf-Parteien-Koalition (Christdemokraten, Republikaner, Sozialdemokraten und Liberale) unter dem Strich kaum geschwächt. Sie würde in der Abgeordnetenkammer über eine Mehrheit von 50, im Senat von 24 Sitzen verfügen.

Das trübt sogar die Schadensfreude der Kommunisten. Sie waren zwar den christdemokratischen Rivalen noch nie so nahe auf den Fersen - nicht einmal Mitte der siebziger Jahre, als alle Welt ihre bevorstehende Machtergreifung an die Wände malte.

Jetzt, da sie sich wider eigenes Erwarten bei 30 Prozent mit minimalen Verlusten behaupten konnten, dürften sie dennoch vorerst isoliert bleiben, auch wenn sie wieder mehr ins Gespräch kommen.

Eine Woche nach der Wahl zeichnen sich weniger denn je stabile oder gar neue Regierungsver- hältnisse ab. Die Parteien sind voll damit beschäftigt sich zu rechtfertigen, ihre Enttäuschungen zu beschönigen und ihren Mangel an strategischen Vorstellungen durch taktische Schachzüge zu verdecken.

Dem christdemokratischen Parteisekretär De Mita als dem eigentlichen Verlierer, bleibt vorläufig der Sturz erspart, nicht zuletzt, weil sich seine Partei nur schwer auf einen Nachfolger einigen könnte. Aber auch wenn Gewissensbisse nicht nur ihn, son dern alle Parteifreunde plagen — Pater Sorge von der „Civiltä Cat- tolica“ (der großen, dem Vatikan nahestehenden Monatszeitschrift), einer ihrer politischen „Seelsorger“, ist mit schwachem Trost zur Hand:

Die Niederlage habe als Warnung auch ein Gutes. Zu spät habe diese ihren Weg von der katholischen zur nicht-konfessionslosen, doch christlich-menschlich kultivierten Partei angetreten.

Da die Democrazia Cristiana trotz allem stärkste Partei bleibt, denkt sie nicht daran, sich in die Armesünderecke verbannen zu lassen. Aber sie will auch keinen allzu hohen Preis für eine neue Koalition zahlen.

Ein Bündnis für nur drei Jahre, wie es der Sozialistenchef Bettino Craxi vorschlägt, also nicht für die ganze fünfjährige Legislaturperiode, lehnt De Mita ab. Doch Craxi denkt auch nicht daran, einen Vorschlag seines Parteifreundes Formica zu pflegen, der damit liebäugelt, eine Fünfer-Ko- alition wenigstens von außen durch die Kommunisten unterstützen zu lassen.

Das Tauziehen um eine neue, am Ende aber wohl alte Lösung (sei es mit dem Republikaner Giovanni Spadolini oder sogar mit Craxi an der Spitze) dürfte den ganzen Sommer über dauern und allenfalls durch die Ferien unterbrochen werden — was sogar schon die Ideen einer Bade-Re

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