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Digital In Arbeit

Technik formt die Arbeit neu

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Die neuen Technologien und ihre Folgen für Arbeitswelt wie Arbeitsmarkt: Chancen und Gefahren diskutierte die Katholisch-Soziale Tagung 1984 am 30. März in Wien.

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Die neuen Technologien und ihre Folgen für Arbeitswelt wie Arbeitsmarkt: Chancen und Gefahren diskutierte die Katholisch-Soziale Tagung 1984 am 30. März in Wien.

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Die Arbeitnehmervertretungen — insbesonders die Gewerkschaften — sind gerade in Zeiten von derart heftigen Ratio-nalisierungs- und Technologieschüben in einer äußerst schwierigen Position. In erster Linie müssen wir eigentlich, und das ist das Paradoxe, die Einführung neuer Technologien und die Modernisierung unserer Wirtschaft fördern, andererseits sind gerade die Arbeitnehmerorganisationen mit den schwierigen sozialen

Auswirkungen nach einer langdauernden Wohlstandsphase in diesem Land konfrontiert.

Eigentlich sind wir seit 40 Jahren mit neuen Technologien befaßt. Was ist so neu nun an den neuen Technologien?

Wir haben es wieder mit sogenannten Schlüsseltechnologien zu tun, das heißt: Technologien, die tiefgreifende gesellschaftliche und soziale Veränderungen hervorrufen werden. Die Technologien sind mit dem Aufkommen der Dampfmaschine und dem Entstehen der Fabrik im 19. Jahrhundert als Massenproduktionsstätte vergleichbar.

Für uns sind aber neue Technologien nicht nur die Mikroprozessoren, sondern im Gefolge auch die Glasfaser-Technologie mitsamt der Ausweitung neuer Kommunikationstechniken, dazu die Bio-Technologie und die Gen-und Laser-Technologie. Das ist der gesamte Komplex.

Wir stehen an einer Entwicklungsschwelle, wie sie die Menschheit bisher noch nicht erlebt hat. Ich glaube und behaupte daher: Alles, was Menschenwerk ist, ist in den nächsten Jahrzehnten in Frage gestellt.

Der Ausdruck dieser Entwicklung ist besonders im Verhältnis der sogenannten Rationalisierungsinvestitionen zu den Erweiterungsinvestitionen sichtbar; Rationalisierungsinvestitionen sind hauptsächlich darauf ausgerichtet, teure menschliche Arbeitskraft durch Technik zu ersetzen. Das Verhältnis liegt derzeit bei 70 Prozent Rationalisierungsinvestitionen zu 30 Prozent für Erweiterung. Die Rationalisierungsschübe, die zu erwarten sind, werden hauptsächlich Verwaltungstätigkeiten betreffen, für die ein Siemens-Bericht behauptet, daß 70 Prozent der Verwaltungstätigkeit im öffentlichen Dienst und im Bereich der Privatangestellten zu rationalisieren und etwa 30 Prozent zu automatisieren sind.

Durch den Einsatz der Robotertechnologien wird der Rationalisierungsprozeß auch in den manuellen Bereichen, also auch im Produktionsbereich fortgesetzt werden.

Der Ausgleich zwischen der Schaffung neuer Arbeitsplätze durch den Einsatz neuer Technologien und der Vernichtung von Arbeitsplätzen ist gestört. Wir erleben erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg, daß mehr Arbeitsplätze vernichtet als neue geschaffen werden. Das liegt im Charakter dieser neuen Technologien, die Tendenzen zeigen sich klar.

Der Autor ist Leiter des Referates für Bildung und Arbeitswissenschaft des OGB. Der Beitrag beruht auf einer auszugsweisen Mitschrift des Referates vor der Katholisch-Sozialen Tagung 1984

Heute betrachtet man neue Technologien überwiegend unter dem Aspekt der Angst, des Job-Killens, obwohl man ihnen auch etwas Positives abgewinnen kann.

Die Veränderung der Arbeitsbewertung durch neue Technologien hat zwei Aspekte: den technisch-organisatorischen und den gesellschaftspolitischen, der mir wichtiger zu sein scheint.

Zum technisch-organisatorisehen Aspekt gehört, daß neue Technologien immer wieder neue Qualifikationen, neue Arbeitsmöglichkeiten mit sich bringen, während alte verschwinden. Es geht darum, diese neuen Qualifikationen in bestehende Werthierarchien einzuordnen, und dazu ist die Sozialpartnerschaft sowie die Infrastruktur in Österreich recht gut geeignet.

Weiters wird der Akkordlohn, der Leistungslohn in engerem Sinn, an Bedeutung verlieren, was sicherlich auch aus gewerkschaftlicher Sicht eine begrüßenswerte Entwicklung sein müßte; je mehr gewisse Produktionsprozesse automatisiert werden können, desto sinnloser ist es ja, sie auch noch mit Akkordarbeit zu verbinden.

In dem Maße, in dem manuelle Tätigkeiten durch neue Technologien ersetzt werden, kommt es zu einer Neubewertung geistiger Tätigkeiten. Und zwar nicht nur schöpferischer: Es wird auch zu einer Neubewertung von Fähigkeiten im zwischenmenschlichen Bereich kommen. Letztlich sind neue Technologien auch eine große Herausforderung an die Menschenführung in den Unternehmen.

Es wird im Zusammenhang mit diesen neuen Technologien auch zu einer Renaissance des Lernens und der Ausbildung kommen, vor allem, weil ja Hilfsarbeiten und angelernte Tätigkeit am ehesten substituierbar sind. Zur primären Ausbildung kommt ein lebenslanges Lernen. Das ist in Österreich ein gewisses Problem, weil in diesem Bereich die Aufgeschlossenheit der Österreicher — wie Untersuchungen gezeigt haben - nicht besonders groß ist.

Zum gesellschaftspolitischen Aspekt: Der Zugang neuer Techniken ist in den verschiedenen Arbeitsbereichen sehr unterschiedlich. Es gibt in der Industrieproduktion — vielleicht auch im Büro — sicher Bereiche, die diesen neuen Techniken sehr und leicht zugänglich sind. Und es gibt auf der anderen Seite Bereiche, wo dies nicht oder nur schwer möglich sein wird, etwa Dienstleistungsberufe.

Bisher hat man es geschafft, daß jene Tätigkeiten, die wenig rationalisierbar sind, im wesentlichen die Einkommensentwicklung hochrationalisierbarer Tätigkeiten mitgemacht haben — etwa im Sinne einer solidarischen Einkommenspolitik. Ich glaube aber, daß gerade die Mikroelektronik diese Einkommensunterschiede noch wesentlich vergrößern wird. Darin sehe ich ein Kernproblem.

Der Autor ist Mitarbeiter der Sozialpolitischen Abteilung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft. Der Beitrag beruht auf einer auszugsweisen Mitschrift des Referates vor der Katholisch-Sozialen Tagung 1984.

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