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Technik und Spektakel

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Die „Ars Electronica" in Linz, als Festival der Medienkunst, hat sich wie kein anderes Kunst-Spektakel die Vernetzung von Wissenschaft, Technik und bildender Kunst zum Programm gemacht. Diese Überzeugung gaben die Festredner auch in diesem Jahr oft und gern zu Protokoll. Soviel zum Anspruch.

Die sichtbare Realität ist eine andere: Dem enormen Innovations-Schub auf der technischen Seite können nach wie vor die wenigsten künstlerischen Konzepte standhalten. Staunend standen viele Besucher vor den spektakulären Illusions-Bildern der Computerkünstler; nach Inhalten fragte kaum jemand. So betonte die „Ars Electronica" eher die Kluft zwischen Kunst und Technik, als tatsächlich eine Annäherung zu erreichen.

Das Schlagwort „virtuelle Realität" hatten die Macher der „Ars Electronica" vor Jahren in die Kunst-Debatte eingeführt. Die Erzeugung solch fiktiver, aber sehr realistisch wirkender Bildwelten ist seither zu einem Schwerpunkt der Medienkunst geworden.

Mit Video-Brille auf Reisen

Der Spitzenplatz dieser Kategorie gebührte der preisgekrönten Installation „Home of the Brain - Haus des Seins". Die Berliner Monika Fleischmann und Wolfgang Strauß, Mitarbeiter des Vereins „Art & Com", schicken die Betrachter hier per Video-Brille und Daten-Handschuh auf eine imaginäre Reise: Wer sich dem Apparat aussetzt, kann einen simulierten Schwebeflug durch ein fiktives Museum erleben. Daß die bizarren Innenräume auch Symbolwerte vermitteln sollen - sie stehen für die Ideen prominenter Forscher und Philosophen - dürfte den meisten Besuchern angesichts des schönen Spektakels entgangen sein.

So wurden auch unter den Künstlern weniger die philosophischen Ansätze als vielmehr die technischen Schwierigkeiten des Mediums diskutiert. Wie könnten die Bilder noch lebensechter, die Räume noch spektakulärer werden? Und wie ließe sich die „Schnittstelle" zwischen Mensch und Schein-Wirklichkeit - Brille, Handschuh, Joystick - noch einfacher konstruieren, bis zu ihrem völligen Verschwinden, zur totalen Illusions-Wirkung?

Solche Tendenzen kritisieren inzwischen auch jene, die sie einst anregten: Peter Weibel, künstlerischer Leiter des Festivals, fordert heuer eine Abkehr von der „realistischen" Computer-Simulation. Arbeiten wie „Home of the Brain" stellen für ihn einen „Rückfall noch hinter die Illusionsmalerei des Barock" dar. Die Animationskunst „muß es vielmehr erreichen, uns Räume zu schildern, die uns nie vorstellbar waren", sagt Weibel.

Als eines der wenigen Beispiele dafür gilt das Video „Not Knot". Darin wird in Computerbildern eine Reise durch einen „gekrümmten Raum" vorgeführt - eine Welt, die bislang nur in der Theorie der höheren Mathematik existierte.

Der mit einer „Goldenen Nica", dem Kunstpreis der „Ars Electronica", ausgezeichnete Animationsfilm deutet für Weibel die Richtung an, in die sich die Medienkunst entwickeln müsse. „Not Knot" sei „ein Beispiel für das Unvorstellbare, das uns der Computer erstmals sichtbar und vorstellbar macht." Bezeichnenderweise hat gerade dieses wegweisende Werk seinen Ursprung nicht im Künstler-Atelier: Die virtuelle Knoten-Welt wurde von einem Wissenschaftler-Team in den USA konstruiert. Das Ergebnis ist zwar von einigem ästhetischen Reiz und hohem Unterhaltungswert, doch ein künstlerisches Anliegen wird hier kaum verfolgt. Die Verknüpfung der anspruchsvollen Technik mit Fragen der Kunst ist derzeit, so scheint es, nicht einmal virtuell vorhanden, sondern bleibt eine entfernte Zukunftsvision.

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