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Teilen beim Ausgleich

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Beim Kampf um die Zweitwohnungsbesitzer geht es um Mandate und um Geld aus dem Finanzausgleich. Die derzeitige Lösung ist nicht eben logisch. Was soll sich ändern?

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Beim Kampf um die Zweitwohnungsbesitzer geht es um Mandate und um Geld aus dem Finanzausgleich. Die derzeitige Lösung ist nicht eben logisch. Was soll sich ändern?

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Die Auseinandersetzung um die Konsequenzen der Volkszählung 1981 nur als neuerliche Differenz zwischen den beiden Gebietskörperschäften Wien und Niederösterreich zu sehen, hieße, das Problem zu vordergründig zu beurteilen. Dort und da mögen auch parteipolitische Aspekte hineinspielen.

Aber auch die Frage, ob ein oder mehrere Nationalratsmandate von Osten nach Westen wandern, ist nur ein Teil dės gesamten Komplexes.

Seit Jahren bewegt die verantwortlichen Politiker auf Bundes-,

Landes- und Gemeindeebene die Problematik der Zweitwohnungen. Wir haben es zweifellos mit einer Tendenz unserer Zeit zu tun, deren Auswirkungen auf manchen Gebieten noch nicht bewältigt werden konnte.

Die Gründe, die zu dieser Entwicklung geführt haben, sind mannigfaltig. Fest steht jedenfalls, daß es seit Jahrzehnten eine starke Wanderungsbewegung von der Stadt aufs Land gibt. Sicher sind die Städte nach wie vor Wirtschafts- und Kulturzentren. Wien und Niederösterreich haben hier aufgrund der Geschichte geradezu exemplarische Bindungen. Je mehr nun aber die Menschen durch ihre Arbeit in den Städten ein gewisses Maß an Wohlstand erreicht haben, desto stärker wirkt ihr Bedürfnis nach Natur, ihr Streben, sich den Wunsch nach einer Wohnung oder einem Eigenheim zu verwirklichen.

Diese Sehnsucht können selbst Kommunen mit sehr großzügigen Freizeitangeboten durch Schaffung verschiedenster und vielfältigster kultureller Möglichkeiten, durch Gestaltung attraktiver Parks und Erholungsflächen nur bedingt erfüllen. Schon allein die Knappheit an Grund und Boden

verhindert in den Städten das Einfamilienhaus für jeden.

Es wäre kurzsichtig, sich diesen elementaren Wünschen zu verschließen und bürokratische Dämme aufzurichten. Vielmehr müssen sich alle verantwortlichen Politiker und auch die Rechtskundigen in den Verwaltungen um konstruktive Lösungen bemühen, die nicht auf dem Rücken der Betroffenen ausge- t’ragen werden dürfen.

Die Kernfrage scheint für mich zu sein, daß die Entscheidungsfreiheit des Bürgers mit gewissen gesetzlichen Ordnungsprinzipien in Einklang gebracht wird und damit auch mit objektiven Kriterien für die Beurteilung der Entscheidung der einzelnen Mitbürger. Der Verfassungsgerichtshof hat nun diese Auffassung im wesentlichen in seinem letzten Erkenntnis vertreten, nämlich, daß der Hauptwohnsitz nicht beliebig festgelegt werden kann, sondern daß objektive Kriterien dafür

entscheidend sind. Solche Kriterien etwa sind der Arbeitsplatz oder der Schulbesuch der Kinder und ähnliches.

Inwieweit es nun gelingt, innerhalb der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit die angefochtenen Fälle nach diesen sachlichen Gesichtspunkten zu beurteilen und zuzuordnen, hängt von manchen Faktoren ab. Ich bin da eher der Meinung, daß eine allseits befriedigende Lösung in der gesetzten Frist einfach nicht gefunden werden kann. Man wird daher für diesmal wohl mit verschiedenen Kompromissen das Auslangen finden müssen.

Umso klarer ergibt sich aber die Aufgabenstellung für die Zukunft, grundsätzliche Lösungen zu suchen. Nach wie.vor wird die Finanzzuteilung an die Gebietskörperschaften vom Volkszählungsergebnis abhängig sein müssen. Worüber aber intensiv verhandelt werden muß, ist die Frage, inwieweit auch die Interes

sen der Zweitwohnungsgemeinden zu berücksichtigen sind. Hier müßte es möglich sein, durch Teilung der gemeinsamen Ertragsanteile zu einer wenigstens teilweisen Berücksichtigung dieser Erwartungen zu kommen.

Natürlich würden die Hauptwohnsitzgemeinden etwas verlieren, doch wenn man die Auswüchse bei der letzten Volkszählung betrachtet und das „Kämpfen um jeden Landesbürger“, scheint mir eine solche Kompromißlösung noch das geringere Übel zu sein. Jede Unnachgiebigkeit der einen oder anderen Seite wird das Problem noch verhärten und zu einer ausweglosen Situation etwa bei der nächsten Volkszählung führen.

Selbstverständlich ist das Wahlrecht für die Nationalratsoder Bundespräsidentenwahl ebenfalls an die Ergebnisse der Volkszählung geknüpft. Was die regionalen Wahlgänge anbelangt, also Landtags- und Gemeinderatswahlen, wäre nach den jetzigen gesetzlichen Bestimmungen ein mehrfaches Wahlrecht weiterhindenkbar, obwohl auch hier, um eklatante Fehlentwicklungen und Mißstände zu vermeiden, der vom Verfassungsgerichtshof eingeleitete Objektivierungsprozeß aufzugreifen und fortzusetzen wäre.

Man mag über die Problematik der Zweitwohnungen je nach Standort und Aufgabengebiet verschiedener Meinung sein. Dort und da stöhnt eine Gemeinde unter den schweren kommunalen Belastungen, die diese Entwicklung mit sich bringt. Die Notwendigkeit der Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur für die neuen Gemeindebürger und die Bereitstellung eines kommunalen Service ohne finanzielle Abgeltung mag von manchen Gemeinden als unzumutbare Aufgabe empfunden werden.

Für das Land und seine Entwicklung halte ich diese Tendenz aber für eine unendliche Bereicherung. Der vielbeklagte Trend, daß alle Talente dieses Landes in die Großstadt abwandern, weil hier die wesentlichen kulturellen und wirtschaftlichen Einrichtungen zur Verfügung stehen, die dem einzelnen Ausbildungs- und Startmöglichkeit geben, hat sich über weite Strecken ins Gegenteil verkehrt.

Der Autor ist Landeshauptmannstellver- treter und SPO-Landesparteiobmann von Niederösterreich.

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