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TERROR IM LAND DER PHARAONEN

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In Ägypten mehren sich die Überfälle auf Touristen. Dabei handelt es sich um eine gezielte Kampagne der Islamisten, die sich gegen den Staat richtet und das Ziel hat, die säkulare Regierung von Präsident Mubarak durch einen „Islamischen Staat" nach iranischem beziehungsweise sudanesischem Muster zu ersetzen.

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In Ägypten mehren sich die Überfälle auf Touristen. Dabei handelt es sich um eine gezielte Kampagne der Islamisten, die sich gegen den Staat richtet und das Ziel hat, die säkulare Regierung von Präsident Mubarak durch einen „Islamischen Staat" nach iranischem beziehungsweise sudanesischem Muster zu ersetzen.

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Angefangen hat es bereits vor einem Jahrzehnt mit Anschlägen auf israelische Touristen. Damit sollte Protest gegen den Friedensschluß zwischen Kairo und Jerusalem angemeldet werden. Erst in jüngster Zeit sind die Attentate auf andere Touristen ausgedehnt worden, und zwar mit der Absicht, den Staat einer seiner wichtigsten Devisenquellen zu berauben. Dadurch soll die schreckliche Misere, in der die Masse der Ägypter ohnehin schon lebt, noch verschlimmert werden. Von der sich daraus ergebenden Katastrophensituation erhoffen sich die Islamisten Zulauf und einen allgemeinen Volksaufstand.

Ägypten verdient am Pyramiden-Tourismus jährlich etwa fünf Milliarden Dollar, das ist doppelt so viel wie die Überweisungen der Auslandsägypter, die nach dem Auszug aus dem Irak stark zurückgegangen sind. Über eine Million Ägypter wurden von Saddam Hussein des Landes verwiesen und sitzen nun daheim zumeist als Arbeitslose herum.

Durch die Anschläge auf Touristen sind die Einkünfte um fast drei Milliarden, also um mehr als die Hälfte, zurückgegangen. Es ist nicht auszuschließen, daß es noch viel schlimmer kommt. Daher die Panikstimmung in der Regierung und das scharfe Vorgehen der Polizei gegen die Islamisten.

Haupträdelsführer dieser Anti-Tourismus-Kampagne ist Omar Abder-Rahmän, ein fundamentalistischer Religionsgelehrter, der als solcher den Titel Scheich trägt. Der blinde Aufrührer war angeklagt, die Mörder Sadats angestiftet zu haben, wurde dann allerdings freigelassen, weil die Regierung Mubarak ihn nicht zum Helden der Islamisten befördern wollte.

Abder-Rahmän tritt als ein Rechtsgelehrter auf, der seine politische Meinung als religiöse Gutachten (fatwa) ausgibt. Das heißt, er beteiligt sich an Attentaten nicht konspirativ, sondern inspirativ. Mit anderen Worten, er predigt, Mubarak sei vom Islam abgefallen. Das kommt einem Todesurteil gleich, denn auf Aposta-sie steht nach Meinung der Fundamentalisten die Todesstrafe. Der blinde Scheich sagt also nicht, geht hin und tötet Mubarak. Doch was er sagt, läuft aufs gleiche hinaus. Nobelpreisträger Nagib Machfus ist ein weiterer Todeskandidat.

Solch ein Rechtsgutachten (fatwa) hat der blinde Prediger auch gegen das Camp-David-Abkommen erlassen, und nun gegen den Tourismus. An sich sei Tourismus vom Islam zwar gutgeheißen, doch müßten sich die Touristen den Sitten und Gebräuchen des Gastlandes anpassen und dürften nicht gegen die Moral verstoßen. Das kommt nicht nur bei Ägyptern, sondern bei vielen Menschen in der Welt des Islam gut an, aber auch über die islamische Welt hinaus. Man denke nur an Kuba, dessen Ver-prostituierung durch den Gringo-Tourismus entscheidend zur Revolution Castros beitrug.

Über die negativen Auswirkungen des Tourismus auf verarmte Gesellschaften in der Dritten Welt sind zahlreiche Abhandlungen verfaßt worden. Bei überwiegend moslemischen Völkern ist durch die traditionelle Geschlechtertrennung im öffentlichen Leben sowie das Gebot verhüllender Kleidung (für Männer wie für Frauen) alles noch viel schwieriger.

Entscheidend ist jedoch die zunehmende Misere in Nordafrika, angeführt durch Ägypten, dessen Bevölkerungsexplosion zu grausigen Zukunftsprognosen Anlaß gibt. Unter diesen Umständen wären selbst Rucksacktouristen auf Fahrrädern in Jugendherbergen noch eine Provokation durch das reiche Europa.

Dem blinden Eiferer geht es allerdings weniger um die Moral, sondern um Druckmittel gegen die Regierung in Kairo. Er wettert dagegen, daß Touristen, vor allem israelische, „das Land überschwemmen und überall Hurerei und Aids verbreiten", doch das ist ihm lediglich ein Mittel zum Zweck, nämlich der Machtergreifung.

Neuerdings ist die Kampagne auf ausländische Unternehmen ausgedehnt worden. Firmen werden bedroht, und in Ägypten tätige Aus 1 ander werden aufgefordert, das Land zu verlassen. In dem traditionell freundlichen und weltoffenen Land hat sich ein allgemeiner Fremdenhaß breitgemacht. Viele Ägypter scheuen den Kontakt mit ausländischen Freunden, weil sie dadurch selbst zur Zielscheibe von Attacken werden könnten.

Omar Abder-Rahmän bekundet offen seine Begeisterung für Kho-meini. So wie einst der greise Ayatollah in Paris, so sitzt derblinde Scheich in New York und ist mit der Fernlenkung der „Islamischen Revolution" am Nil beschäftigt. Der erstrebte Volksaufstand bedarf der Sündenbök-ke, an der sich die Wut der „Entrechteten" entladen darf. Im Falle Kho-meinis bot sich die Masse der amerikanischen Berater in Iran als Zielscheibe an, im Falle Abder-Rahmäns sind es die Touristenmassen.

Die Gottesgelehrten des Islam schaudern bei den vulgären Interpretationen des fanatischen Predigers in New York zurück; doch beim analphabetischen .Lumpenproletariat" am Nil kommen seine Haßpredigten sehr gut an.

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