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Terror ist Provokation

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Die Antwort hoher Militärs auf die jüngste Terrorwelle der ETA militar, mit der die baskischen Terroristen noch vor dem Plebiszit über das bas- kische Autonomiestatut am 25. Oktober Unruhe stiften und Armee, Polizei und Regierung provozieren wollen, kam prompt: Aus ihren Kasernen polterten einige spanische Generäle, daß die Armee intervenieren müsse, wenn Polizei und Justiz gegen den Terrorismus versagten.

Die Armee, der „schlafende Löwe” Spaniens, wie sie von einem hohen Militär selbst bezeichnet wurde, ist gereizter denn je. Und wie die jüngsten Reaktionen gezeigt haben, schläft der Löwe auch nicht mehr. Er ist aufgespmngen, und sein Fauchen hat den spanischen Demokraten einen Schreck durch die Glieder fahren lassen.

Dabei sind diese Reaktionen von hohen Militärs wie dem „Generalkapitän” von Valencia, Milans Del Bosch, oder dem Generalstabschef des Heeres, Gabeiras Montero, durchaus verständlich: Mit jedem Terroranschlag der baskischen Sepe- ratisten, dem ein Ordnungshüter zum Opfer fällt, sehen die Generäle die staatliche Autorität ein Stück weįter untergraben und ihre traditionellen Ideale noch mehr verblassen, die da sind: Einheit des Vaterlandes, Respektierung der Nationalflagge und Fortdauer der Monarchie.

Indes muß als bedenklich angesehen werden, daß die Militärs mit ihrer Androhung der Intervention genau die Reaktionen gezeigt haben, die die ETA mit ihrer derzeitigen Terrorkampagne heraufbeschwören wollten, um ihren Zielen näherzukommen: Der Terror soll eine bürgerkriegsähnliche Situation im Land schaffen und damit die Armee zum Eingreifen provoziert werden.

Ein Eingriff der Armee aber würde die ganze Politik des Ausgleichs der Regierung Suarez mit den gemäßigten baskischen Kräften zunichte machen und den Großteil der Basken wahrscheinlich vollends in die Arme der ETA treiben. Womit die seperati- stische Untergrundorganisation den Großteil ihrer Landsleute gegen Madrid und für ein unabhängiges sozialistisches Baskenland mobilisieren könnte.

Eine Revolutionsstrategie wie aus einem neomarxistischen Lehrbuch, gewiß. Das gefährliche an der spanischen Situation ist es allerdings, daß die dortigen Militärs an einem Punkt angelangt sind, wo sie an diesem ETA-Köder offensichtlich anbeißen wollen.

Dabei ist höchst unsicher, ob eine Intervention der Armee zur Bekämpfung des Terrorismus überhaupt einen Erfolg zeigen würde. Die spanischen Generäle wären in dieser Hinsicht jedenfalls gut beraten, einen Blick auf die Situation in der Türkei zu werfen.

Dort wurde nach einem Massaker in der Provinzstadt Kahramanmaras von der Regierung Ecevit das Militär zur Terrorbekämpfung gerufen. Das Ergebnis: Die Zahl der Opfer von Gewalttaten wächst ständig an, trotz des seit Jänner bestehenden Aus- nahmezustarides vergeht kaum ein Tag, an dem politische Extremisten von links oder rechts nicht Bomben hochgehen lassen oder heimtücki sche Morde begehen. Dabei ist die türkische Armee dafür bekannt, daß sie nicht gerade zimperlich bei ihren Aufgaben vorgeht.

Das türkische Beispiel zeigt jedenfalls, daß eine Intervention der Armee eine bessere Bekämpfung des Terrorismus nicht unbedingt garantiert. Ein weiteres Beispiel dafür: Nordirland. Dort ist 13.000 britischen Soldaten zwar gelungen, den Terrorismus teilweise einzudämmen, wirksam bekämpfen konnten sie ihn aber keineswegs: Der heimliche Bürgerkrieg tobt wie eh und je.

Die Terroraktivitäten der Irischen Republikanischen Armee (IRA) zeigen übrigens auch sehr deutlich, daß in der Strategie der heutigen Terroristen die Provokation der demokratischen Gesellschaften eine ganz entscheidende Rolle spielt: Die Opfer werden entweder unter möglichst prominenten Persönlichkeiten ausgesucht (Lord Mountbatten) oder die

Terrorakte auf möglichst spektakuläre Art und Weise ausgeführt (Massenmorde an britischen Soldaten). Letzten Endes laufen Strategie und Taktik darauf hinaus, die Ordnungskräfte und das britische Volk insgesamt zu zermürben.

Die ETA und andere Terrorgruppen in Westeuropa haben in dieser Hinsicht einiges von ihren irischen Mörderkollegen abgeschaut. Gerade den Terroristen in der Bundesrepublik Deutschland kam es ja offensichtlich auch darauf an, die westdeutsche Gesellschaft völlig zu verunsichern:

Auch hier sollte der Staat durch spektakuläre Aktionen zu mehr „law and order” provoziert werden, bis er schließlich zur Diktatur wird, dann - so glaubten die Terroristen - würde sich die Arbeiterschaft mit ihnen solidarisieren und durch eine Revolution den Weg zur kommunistischen Gesellschaft einschlagen. Eine völlig irrsinnige Theorie angesichts der Tatsache, daß während der letzten Terrorwelle in der Bundesrepublik die Arbeiter ja genau so wie die anderen sozialen Schichten vom Staat mehr Härte gegen die Terroristen forderten.

Der Hinweis darauf, daß der Terrorismus um so schwächer ist, je stärker der Despotismus ist, weil ein Polizeistaat bei der Wahl der Mittel nicht zimperlich sein muß, führt bei der Bekämpfung des Terrorismus auch nicht weiter. Die spanischen Generäle müßten das selbst am besten wissen, schließlich konnte ja auch das Franco-Regime baskische und linksextremistische Terroristen nicht unter Kontrolle halten.

Daß der Terrorismus in demokratischen Gesellschaften heute eine Bedeutung erlangt hat, die ihm eigentlich gar nicht zustehen würde, ist ebenfalls Tatsache. „Die lebenswichtige Bedeutung der Publizität ist von Generationen von Terroristen auf der ganzen Welt einkalkuliert worden. Die terroristische Tat allein ist nichts, die Sensation ist alles”, stellt dazu der englische Zeitgeschichtler Walter Laquer fest.

Woraus man auch in Spanien folgern sollte, daß man sich von politischen Extremisten nicht einschüchtern lassen darf, aber nichts destowe- niger nüchtern und mit allen legalen Mitteln reagieren muß.

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