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Terror wieder im westlichen Ausland?

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Im Libanon ist vom Vorhandensein der Staatsmacht fast nichts mehr zu spüren. Armeekonvois zeigen sich zwar, ohne jedoch irgendwie für die Wiederherstellung von Ruhe und. Ordnung zu sorgen. Gendarmerie und Polizei bleiben in ihren Kasernen. Die Fahrt von und zum internationalen Flughafen Chalde ist lebensgefährlich geworden. Taxifahrer verlangen Überpreise und preschen, manchmal mit weißen Fahnen, in atemberaubendem Tempo an dem palästinensischen Flüchtlingslager, einem der Unruheherde, vorbei. In den großen Hotels, die kaum noch ausländische Gäste habe, herrscht Belagerungszustand. Man rechnet mit Überfällen und Plünderungen. Erstaunlich ist vor allem die betonte Zurückhältung der christlichen Garden. Ihr Chef Pierre Gemay:el hat, obwohl er von der Regierungsmitverantwortung ausgeschlossen ist, mäßigende Parplen. ausgegeben. Die Christen wollen nicht noch mehr öl ins Feuer gießen, um den staatlichen Bestand ihres Landes zu retten. Doch Linke und Palästinenser honorieren diesen Verzicht offensichtlich nicht. Für sie geht es darum, das freiheitliche Levanteland in eine proletarische Diktatur auf der Seite der aggressiven arabischen „Front der Verneinung“ zu verwandeln. Treibende Kraft sind dabei die Palästina-Freischärler, die ;— wie es ein resignierter libanesischer Politiker ausdrückt — lieber im wehrlosen Libanon kämpfen als in ihrer Heimat Palästina.

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Im Libanon ist vom Vorhandensein der Staatsmacht fast nichts mehr zu spüren. Armeekonvois zeigen sich zwar, ohne jedoch irgendwie für die Wiederherstellung von Ruhe und. Ordnung zu sorgen. Gendarmerie und Polizei bleiben in ihren Kasernen. Die Fahrt von und zum internationalen Flughafen Chalde ist lebensgefährlich geworden. Taxifahrer verlangen Überpreise und preschen, manchmal mit weißen Fahnen, in atemberaubendem Tempo an dem palästinensischen Flüchtlingslager, einem der Unruheherde, vorbei. In den großen Hotels, die kaum noch ausländische Gäste habe, herrscht Belagerungszustand. Man rechnet mit Überfällen und Plünderungen. Erstaunlich ist vor allem die betonte Zurückhältung der christlichen Garden. Ihr Chef Pierre Gemay:el hat, obwohl er von der Regierungsmitverantwortung ausgeschlossen ist, mäßigende Parplen. ausgegeben. Die Christen wollen nicht noch mehr öl ins Feuer gießen, um den staatlichen Bestand ihres Landes zu retten. Doch Linke und Palästinenser honorieren diesen Verzicht offensichtlich nicht. Für sie geht es darum, das freiheitliche Levanteland in eine proletarische Diktatur auf der Seite der aggressiven arabischen „Front der Verneinung“ zu verwandeln. Treibende Kraft sind dabei die Palästina-Freischärler, die ;— wie es ein resignierter libanesischer Politiker ausdrückt — lieber im wehrlosen Libanon kämpfen als in ihrer Heimat Palästina.

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Der kürzlich erfolgte Terroranschlag palästinensischer Guerilleros auf die ägyptische Botschaft in der spanischen Hauptstadt Madrid hat aber nicht nur das tiefgreifende Zerwürfnis zwischen der „Palästinensischen Befreiungs-Organisation“ (PLO) und Ägypten offenkundig werden lassen, sondern enthüllt in seinem Gefolge auch Anzeichen einer Isolierung der Freischärler in anderen arabischen Ländern. Einem PLO-Geheimbericht zufolge bleiben als^ zuverlässige arabische Bundesgenossen gegenwärtig nur noch Libyen und Algerien.

Für Ägypten waren die „Fedaijin“ schon unter Gamal Abdel Nasser bestenfalls ein willkommenes Propagandainstrument zur Durchsetzung eigener politischer Ziele. Echte militärische und finanzielle Unterstützung war in Kairo nie zu holen.

Jordanien regelte sein Verhältnis zu dem zum Staat im Staat gewordenen „Fedaijin“ schon im Herbst 1970 durch die blutige Ausrottung der palästinensischen Widerstandsnester im sogenannten „Schwarzen September“. Syrien und der Irak bieten den Freischärlern zwar Waffen und Ausbildungsmöglichkeiten, unterstützen deren Tätigkeit im Ausland, unterbinden aber strikt jedwede Aktivität in ihren Territorien oder von ihren Territorien aus.

Nachdem alle Versuche zur Entfachung einer permanenten Guerilla in den israelisch besetzten Gebieten im Keim erstickt werden konnten, bleibt als letzte Basis nur noch der Libanon. In diesem Umstand beschlossen liegt einer der Hauptgründe für die Bürgerkriegsatmosphäre in dem Levanteland. Die PLO fürchtet nun, der Abschluß eines Golan-Abkommens werde dazu führen, daß Syrien, welches dann noch stärker als bisher um Ruhe an der ehemaligen „Nordfront“ besorgt sein müsse, den Libanesen grünes Licht für die Unterdrückung des palästinensischen Einflusses geben werde.

Für diesen Fall könnte sich die PLO bei ihrem immer aussichtsloser werdenden Kampf nur noch auf die Unterstützung Libyens und Algeriens verlassen. Wegen ihrer geographischen Entfernung vom eigentlichen Konfliktherd kommen sie als Ausgangsbasis für eine Guerilla in Israel nicht in Betracht. Die erwähnte Geheimstudie empfiehlt der PLO-Führung daher die verstärkte Wiederaufnahme des Terrorkrieges im westlichen Ausland. Hierfür wären Tripolis und Algier die geeigneten Schlupfwinkel und Aufnahmebasen. Der nur durch Zufall vereitelte Anschlag palästinensischer Guerilleros in Holland dürfte ebenso wie der Überfall auf die ägyptische Botschaft in Madrid nach Ansicht westlicher Geheimdienstexperten nur der Anfang einer neuen Terrorkette sein. Sie ist nach Ansicht vieler Guerillahäuptlinge das einzige Mittel, das verhindern könnte, daß die Palästinenser in Vergessenheit geraten. Grenzen findet eine solche neue Strategie allerdings in den finanziellen Mitteln. Algerien und Libyen leiden trotz ihres öl-reichtums an chronischer Haushaltsschwäche. Ägypten aber drängt die reichen ölstaaten, ihre Zuwendungen an die Terroristen einzustellen.

Ägypten habe, so erklärte es-Sa-dat, in allen vier arabisch-israelischen Feldzügen die militärische Hauptlast getragen und den höchsten Blutzoll entrichtet. Israel sei eine Realität, deren Beseitigung nicht einmal von den engsten weltpolitischen Freunden der Araber gewünscht werde. Deshalb liege eine friedliche Vernunftregelung des Palästina-Konfliktes im Interesse Ägyptens. Seine Politik sei eine innere Angelegenheit seines Landes und er dulde daher keinerlei äußere Einmischung.

Auch an die Adresse der Sowjetunion richtet Sadat wieder äußerst scharfe Angriffe. Der Kreml sei der wahre Drahtzieher der gegen Israel gerichteten Kampagne und entlarve dadurch selbst seine beim KSZE-Gipfel von Helsinki aktenkundig gemachten Friedensbeteuerungen. Moskau wolle einen Keil treiben zwischen Volk und Führung am Nil. Schon vor drei Tagen war im ägyptischen Parlament die Forderung erhoben worden, den erwähnten ägyptisch-sowjetischen Vertrag zu kündigen.

Die PLO beschuldigte der Präsident, sie lasse sich von den Sowjets als Speerspitze gegen Ägypten mißbrauchen, obwohl seine Regierung unbeirrt für das palästinensische Selbstbestimmungsrecht gegen Israel eintrete. Die Beziehungen zwischen Ägypten und der PLO befinden sich auf einem Tiefpunkt, seit Kairo die von dort aus sendende „Stimme Palästinas“ in „Radio Palästina“ umbenannte und mit einer neuen Redaktion für die ägyptische Palästina-Politik werben läßt. Im Zusammenhang mit gezielten Falschmeldungen dieser Rundfunkstation über ein angebliches Attentat auf Sadat war es zuvor schon zu Verhaftungen gekommen.

Heute sind selbst viele ägyptische Kritiker der Politik ihres Staatschefs auf dessen Linie eingeschwenkt. Die Ägypter haben offenkundig keine Angst vor der durch die Sowjetunion und ihre arabischen Parteigänger Irak, Syrien, Libyen und Algerien betriebenen Isolierung Kairos in der arabischen Welt. Sadat ist davon überzeugt, daß ihm außer der Kugel eines gedungenen Mörders nichts gefährlich werden kann und will unbeirrt weiter auf dem Weg zum Frieden fortschreiten. Die ägyptische Bevölkerung, die der kräftezehrenden panarabischen Abenteuer seines Vorgängers Gamal Abdel Nasser schon längst müde ist, betrachtet eine Verständigung in Palästina als nützlich.

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