6950693-1984_11_07.jpg
Digital In Arbeit

Teufelskreis des Terrors

Werbung
Werbung
Werbung

Anfang vergangener Woche wurde ein arabischer Autobus, der frühmorgens Arbeiter aus den besetzten Gebieten zu ihren Arbeitsstätten in Israel beförderte, von vier jungen Männern angegriffen. Sie beschossen den Bus mit Maschinenpistolen, sechs Araber wurden verletzt.

Die Attentäter konnten in einem PKW entkommen, doch das Kennzeichen ihres Autos war entziffert worden, was in der Folge zur Festnahme von sieben jungen Männern führte. Noch am selben Tag meldete sich ein anonymer Anrufer und teilte dem israelischen Militärsender mit, daß die jüdische Untergrundbewegung „Terror gegen Terror" (TNT) sich für dieses Attentat verantwortlich erkläre.

Bei den Festgenommenen handelt es sich um ultrarechte und ultrareligiöse junge Leute, alle aus den USA eingewandert, die in jüdischen Neuansiedlungen in den besetzten Gebieten leben und dort Talmudhochschulen besuchen. In den USA waren sie Mitglieder der jüdischen Liga zur Selbstverteidigung, die von dem ultrarechten und faschistoiden amerikanischen Rabbi Meir Kahana angeführt wird. Dieselbe Gruppe treibt auch als extremistische, außerparlamentarische Randgruppe unter dem Namen „Kach" ihr Unwesen in Israel. Drei der Festgenommenen wurden mangels Beweisen freigelassen, die anderen sind in Untersuchungshaft geblieben.

Mitte letzter Woche wurden drei weitere junge Juden festgenommen. Sie werden verdächtigt, den Versuch unternommen zu haben, im Jänner dieses Jahres die islamische El Akza Moschee und den Felsendom auf dem Tempelberg zu sprengen. Dabei ist noch nicht klar, ob die Untergrundbewegung TNT mit dem versuchten Anschlag auf dem Tempelberg verbunden ist.

Die Attentäter ließen auf dem Tempelberg in Jerusalem fünf Handgranaten und 13 Kilo Sprengstoff zurück. „Wäre dieser Anschlag gelungen, hätte dies zu einer internationalen Katastrophe führen können", meinte seinerzeit Innen- und Polizeiminister Josef Burg.

Anschläge auf Araber und Andersgläubige in Israel gibt es bereits seit Beginn der israelischen Besetzung in Westjordanien. Die größten Anschläge der jüdischen Untergrundbewegung waren:

• 1975 zündeten Unbekannte einen arabischen Autobus in Ostjerusalem an. Die Attentäter gaben sich in anonymen Telefonanrufen als Mitglieder der Untergrundbewegung TNT aus und rechtfertigten ihre Tat als einen Racheakt für den Uberfall auf einen jüdischen Autobus in Ramallah.

• Im Juni 1980 wurden die Bürgermeister von Ramallah und Nablus durch Höllenmaschinen schwer verletzt. Die Attentäter hatten sich zu einer einmaligen Gruppe geformt, um diesen Anschlag durchzuführen.

• In diesem Fall behauptete der israelische Geheimdienst seinerzeit, die Schuldigen entdeckt zu haben: jüdische Neuansiedler, die die Angriffe auf Israelis rächen wollten. Mangels Beweisen forderte der Geheimdienst, daß die Verdächtigten in administrative Haft genommen werden sollten.bis sie geständig würden. Doch der damalige Ministerpräsident Begin war gegen diese Maßnahme.

• Im Februar 1982 zerstörten jüdische Ultras im Dorf Beth Chanina mehrere arabische Fahrzeuge und schlugen die Scheiben von 40 weiteren Autos ein.

• Im Juli 1983 verübten Terroristen einen Anschlag auf die islamische Universität in Hebron, bei dem drei Personen getötet und sieben verletzt wurden.

• Im Dezember 1983 starb ein arabisches Mädchen in Nablus bei einem Terroranschlag von zwei jüdischen Extremisten, die angeblich vorher von Jugendlichen mit Steinen angegriffen worden waren. Ferner wurde fast ein Dutzend christliche und moslemische Religionsinstitute mit Minen und Handgranaten belegt.

Was für Leute sind diese jüdischen Attentäter? Bei den drei Verdächtigen, die dieser Tage allem Anschein nach die beiden Moscheen des Tempelberges in die Luft sprengen wollten, handelt es sich um exzentrische Typen, die unter anderem die Sonne anbeten, Rauschgift einnehmen und behaupten, daß sie den Messias auf Erden bringen können.

Die diversen jüdischen Terroristen genießen die passive Unterstützung von extremistischen und religiös-fanatischen Neuansiedlern. Sie weigerten sich mehrfach, die Terroristen, die oft in Talmudhochschulen in den besetzten Gebieten Zuflucht gesucht hatten, der Polizei auszuliefern.

Bei einer Meinungsumfrage, die vor einigen Wochen unter der jüdischen Bevölkerung durchgeführt wurde, bejahten 18 Prozent Racheakte für arabische Anschläge. Dies, obwohl meistens Unschuldige getroffen werden.

Die Vizestaatsanwältin Jehudit Karp beschuldigte vor einiger Zeit in einer 33 Seiten starken Studie die Polizei und die Staatsanwaltschaft, daß sie gegen jüdische Missetäter, die sich in den besetzten Gebieten, insbesondere in den Neuansiedlungen, an Arabern vergangen hatten, nichts unternehmen würden. Uber 70 Verfahren sind ergebnislos verlaufen oder eingestellt worden, obwohl man die Verdächtigen finden konnte.

Erst jetzt beginnt die Regierung die jüdischen Terrorgruppen ernsthaft zu bekämpfen, nachdem sie auch für den Staat Israel zu einer Gefahr geworden sind.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung