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Teure Einheit!

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Noch im Dezember und Jän- ner haben manche europäi- sche Nachbarn mit Sorge, wenn nicht Angst auf die Wie- dervereinigungs-Euphorie der Deutschen geblickt. Wir Bay- ern hatten sowieso keine.

Das Ergebnis der Landtags- wahlen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen hat nun gezeigt, daß die angebliche na- tionale Begeisterung schnell abnimmt, wenn der Preis für die teure Einheit allmählich absehbar wird. Fachleute sprechen von rund 400 Mil- liarden Mark Reparaturko- sten für den Konkurs des Sozialismus in der DDR.Die Wahlerfolge der SPD haben sicher in erheblichem Umfang auch stark mit dem morschen Zustand der dortigen CDU zu tun.

Helmut Kohl hat nämlich einen entscheidenden Fehler gemacht. Aus lauter Ehrgeiz, als „Kanzler der deutschen Einheit" in die Geschichte ein- zugehen, hat er das Thema der deutsch-deutschen Vereini- gung zur ausschließlichen Re- gierungssache gemacht.

Grundsätzlich hätte man sa- gen können: ein geschichtli- cher Vorgang von so außeror- dentlicher Bedeutung für das deutsche Volk müßte auch un- gewöhnliche Formen der Zu- sammenarbeit erfordern: Wenn schon nicht eine All- parteien-Regierung, so doch wenigstens ein großer Sonder- ausschuß des Parlamentes. Der wurde aber erst vorige Woche konstituiert.

Unabhängig von dieser grundsätzlich demokrati- schen Überlegung hätte sich Kohl auch taktisch absichern können. Jetzt konnte die SPD monatelang in der DDR als die Vorkämpferin für soziale Absicherung und für immer höhere Forderungen an Bonn auftreten. Gleichzeitig konn- te sie in der Bundesrepublik Angst und Neid wegen der ex- orbitanten Kosten für uns D- Mark-Erwirtschafter schüren.

Mit dieser unfairen, aber er- folgreichen Doppelstrategie der SPD-Ost (als Regierungs- partner) und der SPD-West (als Opposition) wird es nun allerdings bald vorbei sein. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik hat die SPD nämlich die Mehrheit im Bundesrat.

Damit kann Kohl bald nicht mehr unbeirrt in herablassen- der Arroganz an der SPD vor- beiregieren. Umgekehrt muß die SPD auch im Westen sa- gen, wo sie dafür und wo sie dagegen ist.

Die Probleme, die Lasten und das unvermeidliche Chaos der Übergangszeit werden in jedem Fall Verärgerung auf beiden Seiten mit sich brin- gen. Darum sollte die SPD es sich gut überlegen, ob sie auf einer Volksabstimmung über die deutsche Einheit beharrt. Eine Mehrheit dafür wird nämlich von Woche zu Woche schwieriger erreichbar sein.

Aber was dann?

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