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Teure Hilfe für den „braven" Süden

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Der Westen investiert in den Osten, der Süden wird ver- gessen. Österreich bewer- tet seine Entwicklungshilfe neu und hechelt doch nur internationalen (ohnehin nie- drigen) Standards hinterher.

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Der Westen investiert in den Osten, der Süden wird ver- gessen. Österreich bewer- tet seine Entwicklungshilfe neu und hechelt doch nur internationalen (ohnehin nie- drigen) Standards hinterher.

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Seit Jahren bildet Österreichs Entwicklungshilfe im internationa- len Vergleich ein zaghaft flackern- des Schlußlicht. Eindeutig an letz- ter Stelle westlicher Geberländer landete unsere knausrige Alpenre- publik 1987 mit 2,84 Milliarden Schilling. Dies entsprach einem Anteil am Bruttonationalprodukt von 0,17 Prozent bei einem interna- tionalen Schnitt der OECD-Staa- ten von 0,34 Prozent. Das sollte nun ganz anders werden. Eine Kampa- gne der Entwicklungshelfer unter dem Motto „500 Millionen mehr für Gerechtigkeit", die von 80.000 Österreicher(inne)n mit ihrer Un- terschrift unterstützt wurde, rang Außenminister Alois Mock und Fi- nanzminister Ferdinand Lacina die Zusage ab, schrittweise das OECD- Soll von 0,7 Prozent zu erreichen.

Doch im vergangenen Jahr woll- te es nicht so recht klappen, nur ein Bruchteil der vorgesehenen zusätz- lichen 500 Millionen kam zum Ein- satz: statt, wie geplant, 4,02 Mil- liarden wurden nur 3,73 Millarden Schilling für Entwicklungshilfe ausgegeben, der Anteil am BNP sank sogar von 0,24 (1988) auf 0,23 Prozent (1989). Grund der Blama- ge: Die groß angekündigten Welt- bankprojekte, an denen sich Öster- reich beteiligen soll, lassen auf sich warten, weil österreichische Fir- men noch keine Aufträge erhalten haben. Waren ihre Angebote zu teuer oder fehlt Österreichs Indu- strie die internationale Reife?

Nach der von der ÖVP, insbeson- dere von Andreas Khol propagier- ten „Neubewertung" der Entwick- lungshilfe hätte alles viel besser werden sollen. Vom Außenministe- rium entwickelte Länderschwer- punkte sollen den Ton angeben. Bisher habe es ein Konglomerat von Projekten in 40 Ländern gegeben, beklagt Sektionsleiter Erich Hoch- leitner den zu geringen Einfluß des Ministeriums. „ Doppelgleisigkei- ten" sollen vermieden werden. Durch Konzentration auf Schwer- punktländer und Sektoren solle der Nutzen maximiert werden. Die Hilfe solle vor allem den ärmsten Ländern zugute kommen. Schwer- punkte sind daher Ostafrika - Ruanda, Burundi, Tanzania, Ugan- da, Kenia - ,das südliche Afrika und die Sahelländer Kap Verde, Burkina Faso, Senegal.

Die Propagierung der „Schwer- punkte" dürfte Deckmantel für eine ideologische Umorientierung sein. Eine „regional ausgewogenere österreichische Entwicklungszu- sammenarbeit" werde angestrebt. Beispielsweise werden als Gegen- gewicht zu Nikaragua weitere „Schwerpunkte" mit Guatemala und Kostarika gesetzt.

Bei neuen Schwerpunkten dürf- ten wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen. Seit einer Reise von Bundeskanzler Franz Vranitzky in den aufstrebenden asiatischen Wirtschaftsraum wer- den auch dort „Schwerpunkte" gesetzt. Dabei fällt der Bau von Kleinwasserkraftwerken auf. We- gen des fast erreichten Vollausbaus in Österreich suchen unsere Kraft- werkbauer neue Märkte. Kraftwer- ke sind die „Einstiegsdroge" in die westliche Konsumwelt, denn ohne Strom keine Fernseher.

Das berufsausbildende Schulwe- sen soll vor allem in Thailands Industrieregion und in Indonesien gefördert werden. Da dort die Ar- beitsbedingungen katastrophal sind und freie Gewerkschaften behin- dert werden, bleibt es fragwürdig, ob im Interesse von Großkonzernen billige Fachkräfte und Führungs- kräfte ausgebildet werden sollen.

Neben „Schwellenländern" be- kommen auch wirklich arme Län- der Österreichs großzügige Hilfe. Besonders angetan ist das Außen- ministerium von Bhutan, das von der Landschaft und selbst von den Bauernhäusern Tirol gleiche und außerdem mit vielen Österreich ähnlichen Problemen zu kämpfen habe. Hochleitner schätzt das bra- ve, fleißige Bergvolk. Obwohl es arm ist, gäbe es keinen Schmutz, kein Elend. Einen modernen Mo- narchen gäbe es auch. Kraftwerke sollen gebaut werden, modernes Forstmanagement soll eine scho- nende Nutzung der Wälder ermög- lichen. Damit wohlhabende Touri- sten Bhutan von der schönsten Seite sehen, wird mit Tiroler Hilfe eine Bergführerschule samt Tracking- wegen aufgebaut. Ähnlich ist das Österreich-Engagement in Nepal. Hier wird der Königspalast „Kes- hab Naryan Chowk" renoviert.

Viele Projekte lassen sich als Wirtschaftshilfe charakterisieren - österreichische Firmen schneiden fast immer mit. Auch die vielge- priesenen Weltbankprojekte, durch die sich das Außenministerium den Erwerb von Wissen für die Durch- führung von Großprojekten und Einsparungen bei der Verwaltung erwartet, verstärken diesen Trend. Die Weltbank bevorzugt techno- kratische Großprojekte zum Auf- bau von Infrastruktur, die eher Vorstellungen von Industrieländern entsprechen, als jenen der in ihrer Region und Kultur verwurzelten Bevölkerung. Folge ist, daß Arbeits- und Lieferaufträge an lokalen Anbietern vorbei in die Industrie- länder gehen und die Hilfe teuer wird. Österreich ist (noch) nicht an der Planung selbst beteiligt und wählt bloß fertige Projekte, an denen es sich beteiligt, in einem so- zialpartnerschaftlichen Mauschel- gremium aus.

Von einer emanzipatorischen Entwicklungspolitik ist im neuen Entwicklungsprogramm wenig zu finden. Otto Winkler, bis 1983 Lei- ter des Instituts für Internationale Zusammenarbeit (HZ) und Pionier menschenorientierter Entwick- lungspolitik, bezeichnet dieses Programm als „ausgesprochen reaktionäres und rein marktwirt- schaftlich, wachstumsorientiertes Konzept". Ihm fehle jegliche ideel- le Grundlegung. Es sei eine Enttäu- schung, daß eine „christlich-sozia- le" Politik des aus dem engagiert- katholischen Lager kommenden Außenministers Alois Mock so sehr von der katholischen Soziallehre unbeein- flußt geblieben sei.

Zur „Verbesserung des Entwicklungshilfe- Managments" wurde bereits die Abteilung „Angelegenheiten der Evaluierung, Inspek- tion und Kontrolle" ge- schaffen. Der Projekt- abteilung, die bisher die gesamte Projektar- beit leistete, wurde die Abteilung „Planungs- und Programmangele- genheiten" vorgeschal- tet. Diese wird von ei- nem Diplomaten gelei- tet, sodaß sich der Ver- dacht aufdrängt, daß sie als Instru- ment zur Durchsetzung der „Wen- depolitik" fungieren soll.

Die unterschiedlichen politischen Vorstellungen führen zum Kampf um den Zugang zur Öffentlichkeit. Die kritische, daher „uneffiziente" Öffentlichkeitsarbeit und die vie'- schichtige Bildungsarbeit des Österreichischen Informationsdien- stes für Entwicklungspolitik (ÖIE) ist dem Außenministerium nicht genehm, es will die Information der Medien selbst in die Hand nehmen. Die Subventionen an den ÖIE wur- den um ein Drittel von zwölf auf acht Millionen Schilling gekürzt. Die Verschleppung der Auszahlung der Subventionen hat dem ÖIE Zinskosten in der Höhe von mehr als 670.000 Schilling und Abferti- gungen von über 1,2 Millionen Schilling beschert, weil wegen der fehlenden Gelder Personal gekün- digt werden mußte. Die Dritte- Welt-Agentur inter-press-service (ips), die auch den Informations- fluß zwischen den Entwicklungs- ländern selbst fördert, bekommt überhaupt nichts mehr.

Das Verhältnis des Außenmini- steriums zu privaten Entwicklungs- hilfeorganisationen ist angespannt. Dem Ministerium wäre recht, wenn die „Privaten" sich in die staatli- chen Schwerpunkte einfügen wür- den. Aufgabe der nichtstaatlichen Organisationen sei nicht, das Geld besser auszugeben, sondern zusätz- liche Gelder aufzutreiben.

Dafür wird nun eine neue, dem Außenministerium genehmere

Organisation auf- gepäppelt. Laut dtm OIE-Magazin „Entwicklungspo- litische-Nachrich- ten" fallen fast vier Millionen Schilling für die „Associa- tion for Develop- ment-Cooperation Austria" (ADC- Austria) ab. Sie dürfte sich ein- flußreicher Prote- giere erfreuen Ihr Sitz befindet sich in einem Haus der B u n deswirt- schaftskammer. Nichtkommerziell orientierte Ent- wicklungshelfer fürchten, daß ihnen Projekte entzogen werden und statt- dessen die ADC- Austria für wirt- schaftsorientierte Akzente sorgt.

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